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Coh&Co aus Dänemark gehen optisch ungewöhnliche Wege
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Neuheiten von den Berliner Messen

Holz, Stahl und einiges zum Falten

Mit der Berliner Fahrradschau und der Velo Berlin haben am Wochenende vom 20. bis 22. März zwei Messen die Fahrradsaison in der Hauptstadt eröffnet. Auch wenn Publikumsveranstaltungen selten Branchenneuheiten bieten, fand velobiz.de doch das ein- oder andere innovative Highlight in der Menge der Aussteller. Ein Trend, der vor allem auf der Fahrradschau auszumachen war: Holz als das Material der Zukunft.

Coh&Co aus Dänemark gehen optisch ungewöhnliche WegeDer Werkstoff Holz ist auch bei Naturrad die erste WahlFern baut Stahlräder für die FernreiseVello stellte auf beiden Berliner Messen sein Faltradkonzept vorVierkantfalter aus GriechenlandRucksack, der Strom gewinnt - Lumos

Einen optisch ungewöhnlichen Weg geht hierbei das dänische Unternehmen Coh&Co: Seine Räder haben den Rahmenquerschnitt eines abgerundeten Vierecks. Die vier einzelnen „Paneelen“, aus denen diese Rahmenrohre aufgebaut sind, haben nur wenige Millimeter Stärke. Kettenstreben und Sitzstreben bestehen aus schmaleren, teils massiven Holzstücken. Das Ausfallende aus Alu umfasst die Enden der Hölzer an drei Seiten und ist verschraubt. Um die notwendige Stabilität des Steuerrohrs zu erreichen, muss es recht voluminös ausfallen – genauso wie die der Tretlagerbereich.
Verwendet werden Esche bzw. Esche- und Walnussholz – und an neuralgischen Punkten zusätzlich Carbon, das mit dem Holz verklebt wird.
Paul Harder Cohen, der Entwickler, hat jahrzehntelange Erfahrung mit den Werkstoffen Holz und Carbon – in der Boots- und Segelbootsfertigung. Zum Holzfahrrad kam er durchs Hobby Fahrradfahren. Der gezeigte Holzrahmen soll, je nach Größe 2.100 bis 2.900 Gramm auf die Waage bringen, das Rad ist mit Touren- oder Sportausstattung mit Rennlenker erhältlich. Zwischen 2.500 und 3.000 Euro muss man – je nach Ausstattung für ein Coh&Co-Rad hinblättern.

Lebt das noch?

Kontrastprogramm: Holz sehr beeindruckend verarbeiten kann auch Tobias Rudolph mit seiner Firma Naturrad. Der Trick: neben Holz ist ein Naturfaserverbundwerkstoff, hauptsächlich Flachs, dafür verantwortlich, dass die geklebten Verbindungen nicht nur stabil genug sind, sondern auch in eine fast organisch anmutende Form gebracht werden können. Sein eigenes Rad wiegt gerade einmal 7,5 Kilogramm und soll damit das leichteste Holzrad der Welt sein. Rudolphs Ziel: immer mehr am Rad tatsächlich aus dem natürlichen Werkstoff zu bauen. Bei seinem Rad ist auch die Innenlagerschale aus Holz. Nur die Carbongabel wird aus konstruktiven Gründen wohl auch weiterhin an seinen Rädern zu finden sein – allerdings in Holz-Optik. Für ein Lastenrad-Projekt kann er sich zwar eine Doppelbrücken-Gabel aus Holz vorstellen, „die würde natürlich der Belastung an Tourenrädern auch standhalten. Doch ihre Optik ist für dies Tourenrad-Klientel nicht elegant genug.“ Er verwendet vor allem Eichen-, Eschen-, Mahagoni- sowie Teakholz – ursprünglich für Lenker, die er auf Bestellung anfertigte. Und dabei ging es nicht nur um gerade Bügel für Eingangräder: Selbst eine Art Highriser-Lenker konnte man auf der Fahrradschau bestaunen. Puristische Prunkstücke aus dem Portfolio: ein Fixie-Lenker in Intarsien-Optik und eine mit vorgeformten Fingergriffmulden und kleiner Handgelenksauflage aus einem Stück. Die Preise hängen stark von den jeweiligen Anforderungen des Auftraggebers ab – „ich arbeite nur auf Bestellung“, erklärt Rudolph, „alles andere wäre bei meinen individualisierten Produkten unsinnig.“ Für ein Holzrad auf Maß wechseln 6.000 bis 7.000 Euro den Besitzer, Lenker gibt es ab wenige Hundert Euro bei Naturrad.

Stahl in neuen Formen

Auch Custom, aber aus Stahl: Fern, das Unternehmen von Rahmenbauer Florian Haeussler und Kommunikationsdesigner Phillip Zwanzig baut Stahlräder – vor allem Reiseräder – mit besonderen Details. Auffällig sind neben den extrem schön und sauber verarbeiteten Rahmen die Eigenanfertigungen: Am Chacha etwa sind es der Fern-Vorbau und die Gepäckträger vorne und hinten. „Wir haben auf unseren langen Reisen gemerkt, dass vieles von der Stange einfach nicht gut an die Reisebedingungen angepasst ist. Die meisten Hinterradträger und Lowrider etwa sorgen für einen falschen Schwerpunkt, viele Taschen laden zu weit aus und so weiter“, erzählt Florian Haeussler. Und so machte sich Fern an die Konstruktion eigener Rahmen. Ein kurzer Nachlauf und 73 Grad Lenkwinkel sind das Maß des Reiserades für Fern – damit orientiert man sich am Randonneur der 30er-Jahre. „Unser Chacha ist ein echter Hybrid aus Reise- und Rennrad: Schnell und wendig, aber extrem laufruhig. Du kannst mit vollem Gepäck freihändig den Berg runterfahren.“ Das Rad ist in 26 und 28 Zoll zu haben. „Laufradgrößen werden bei uns in erster Linie durch die Fahrergröße bestimmt“, erklärt der Rahmenbauer.
Die ersten beiden Räder entstanden 2012. Das Chacha, benannt nach einem Georgischen Schnaps, ist „eine Allzweckwaffe“ für leichtes bis mittleres Gepäck. Der Normal-Reisende packt ohnehin zuviel an sein Rad. So verpasst Fern dem Rad eigene Träger, die besser zu den Fernreisen passen, vor allem aber das Rad noch laufruhiger machen. Und da das ganze Reiserad mit Ausstattung ein geschlossenes System ist, werden gleich noch die passenden Packtaschen mitentwickelt und in der eigenen Näherei hergestellt. Das übernimmt die Fern-Partnerin Kristin Heil mit ihrem Unternehmen Paks. Die Taschen zeichnen sich unter anderem durch eine ausgeklügelte Netzbespannung aus, die das Gepäckstück flächendeckend abschnürt und so möglichst klein hält. Gleichzeitig ist beispielsweise die Lowrider-Tasche so aufgebaut, dass unterschiedliche, schnelle und komfortable Zugriffe auf den Inhalt möglich sind.
Preise für das feine Stahlrad: Das Rahmen/Gabel-Set ist ab etwa 1.600 Euro zu haben, für das komplette Chacha-Modell nennt Haeussler 3.500 Euro.

Wiener Rädchen

In die derzeit angesagte Kategorie „Kompaktbike“ beziehungsweise „Faltrad“ fällt das Vello aus Österreich. Valentin Vodev, Gründer des Unternehmens und Designer des Rads, konnte sich aufgrund der Käuferklientel auch nicht entscheiden, auf welcher Berliner Messe er ausstellen sollte – und war daher auf beiden damit vertreten. Der Grundgedanke des Konzepts: Ein Rad muss für die City schnell, aber auch wendig sein. Und für den Transport mit anderen Verkehrsmitteln kompakt. Auf den ersten Blick erinnert das Vello an ein Bernds Faltrad: Zwanzigzöller, dreiecksförmiger, nach unten klappbarer Hinterbau, versenkbare Vorbau-/Lenker-Kombi. Das Design des Stahlrahmens selbst liegt irgendwo zwischen Retro und minimalistisch. Die zwei Rahmenzüge geben ihm ein „erwachsenes“ Aussehen. Tatsächlich läuft das Vello bei der kurzen Testfahrt auf der Messe wie ein recht wendiges großes Rad. Der gefederte Hinterbau sorgt für etwas Komfort. Optional gibt es einen kleinen, an Oberrohr und Unterzug zu befestigenden Gepäckträger über dem Vorderrad und Schutzbleche. Pfiffig ist die Befestigung des hinteren Radschützers: Beim Einfalten des Hinterrads bleibt er nicht am Laufrad, sondern klappt einfach nach unten, sodass das Hinterrad freiliegt und das Bike geschoben werden kann.
Verschiedene Ausführungen, darunter auch der Speedster mit Rennlenker, sollen zeigen, wie flexibel das Konzept ist. Die erste Kleinserie mit 50 Stück ist bereits verkauft, nun wollen die Österreicher größer einsteigen. Bislang verkaufte man online, jetzt soll ein Händlernetz den Umsatz vorantreiben – „Falträder sind erklärungsbedürftig, deshalb müssen wir mehr über den Fachhandel gehen“, so Vodev. Der Einstiegspreis beträgt 890 Euro.

Vierkant-Falter

Ein ganz anderes Faltrad-Konzept zeigte Stathis Stasinopoulos, Gründer der Firma Velo Lab auf der Fahrradschau. Der kantige Monocoque-Rahmen des Faltrad-Projekts, kurz FP, aus 6063 Alu weist knapp vor dem Sitzrohr ein Faltgelenk auf, über das die Front nach hinten geklappt wird und das Vorderrad direkt neben dem Hinterrad zu liegen kommt. Dank der vorne wie hinten einseitigen Radaufnahme ist das Faltpaket relativ schmal. Das Ganze kann an der Sattelnase gehoben oder geschoben werden. Nur 11.8 Kilogramm soll das FP mit Scheibenbremse vorn und Felgenbrense hinten sowie einer 9-fach-Kettenschaltung wiegen. Es gibt aber auch noch die unterstützte Version mit einem bürstenlosen Direktantrieb im Hinterrad. Hier soll das Gewicht bei gerade einmal 17,8 Kilogramm liegen. Auch eine Zulassung als E-Bike bis 40 Kilometer ist geplant. Der Preis: Ab etwa 1.700 Euro soll die normale Faltrad-Ausführung kosten, gerade in Anbetracht der Einzelradaufhängung ein relativ günstiger Preis. Und schon ab 2.550 Euro kann man sich auf dem FP Faltrad unterstützen lassen. Schließlich haben wir in Griechenland gerade Krise – da wird doch alles billiger“, meint der Velo Lab-Chef.

Rucksack statt Nabendynamo

Lumos stellt Solar-Zubehör her, genauer: verschiedene Rucksäcke, die über ein Solarpanel-artige, flexible Fläche im Deckel Sonnenenergie gewinnen können. Im Rucksack sitzt ein Zwischenspeicher, der die Energie über einen einfachen USB-Anschluss an das Smartphone, das GPS-Gerät oder vielleicht auch mal den elektrischen Rasierapparat wieder abgibt. Etwa fünf Prozent der Akkuleistung eines Smartphones wird pro Stunde wiederaufgeladen – wenn nicht gleichzeitig, etwa durch Navigation, Energie entnommen wird und der Himmel nicht völlig wolkenverhangen ist. Angeboten werden das Modell Unplug, ein Daypack mit dieser Ausstattung, der Thrill Seeker, ein Daypack mit zusätzlicher Trinkblase, und der Neverlost, ein absolut wasserdichtes Modell. Gandharv Bakshi verkauft die E-Rucksäcke in Asien und Amerika bereits. Über die Seite Motorcyclist soll der Rucksack jetzt auch nach Deutschland und Europa kommen – der Unplug derzeit für 219,- Euro.

25. März 2015 von Georg Bleicher
Velobiz Plus
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