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Beim niederländischen Fahrradhersteller ist einiges in Bewegung geraten.
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Mehr Umsatz, aber Gewinneinbruch

Accell-Gruppe beschleunigt den Konzern-Umbau

2018 wird für die Accell-Gruppe ein wichtiges Übergangsjahr. So zumindest beschreibt der niederländische Fahrradhersteller die Bedeutung der jetzt anlaufenden Saison. Im soeben veröffentlichen Geschäftsbericht für das Jahr 2017 erklärt das Unternehmen die Gründe, warum derzeit an vielen Strategieschrauben gedreht wird: Zwar hat Accell weltweit weiter den Gesamtumsatz steigern können, doch verdient die Unternehmensgruppe dabei deutlich weniger. Die neue Unternehmensstrategie soll das Accell-Schiff nun wieder auf Kurs bringen und es reaktionsfähiger und flexibler machen.

Zuerst ein Blick zurück: Im abgelaufenen Jahr setzte dem Unternehmen insbesondere die schwierige Situation auf dem amerikanischen Fahrradmarkt zu. Aber auch im Heimatmarkt Niederlande verlor Accell an Umsatz, während Deutschland mit einem deutlichen Zuwachs die Fahnen hochhielt.

In Zahlen liest sich das so: Der Gesamtumsatz der Accell-Gruppe betrug im vergangenen Jahr 1,069 Mrd. EUR, das entspricht ein Plus von 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der wichtigste Absatzmarkt war Deutschland mit 313 Mio. EUR (plus 17,6 %), gefolgt von den Niederlanden mit 203 Mio. EUR (minus 9,4 %). Im Rest von Europa setzte Accell 427 Mio. EUR (plus 5,4 %) um, Nordamerika trug 102 Mio. EUR (minus 14,4 %) zum Gesamtumsatz bei.

In Deutschland waren es wenig überraschend Elektrofahrräder, die für das weitere Wachstum verantwortlich waren. So haben sowohl die Verkaufserlöse bei Haibike und Ghost bei den E-MTBs als auch jene von Winora mit traditionellen E-Bikes das Vorjahr übertroffen. Jedoch sind die Verkaufszahlen mit herkömmlichen Fahrrädern rückläufig. Zuwächse hat Accell in Deutschland auch mit dem Bereich Zubehör und Accessoires erzielt.

Hingegen verbuchte Accell im niederländischen Heimatmarkt bei Fahrrädern und Teilen Rückgänge. Die einzige niederländische Marke, die im Jahr 2017 wachsen konnte, sei Koga gewesen, heißt es im Geschäftsbericht, während Batavus und Sparta Rückgänge erleiden mussten – und zwar sowohl bei herkömmlichen Rädern als auch bei E-Bikes.

In Nordamerika wird der Umsatzrückgang vor allen Dingen den schwächelnden Multi-Sport-Ketten sowie dem Rückzug aus dem Teilegeschäft zugerechnet. Eine neue Vertriebsstrategie mit der Einführung einer Direktvermarktung an Endverbraucher habe zu einem leichten Rückgang des Geschäfts mit unabhängigen Fachhändlern geführt. Die Händler hätten weniger, insgesamt jedoch hochwertigere Räder bestellt.

Gewinneinbruch

Das schwache Nordamerika-Geschäft und die zusätzlichen Kosten für die Umstrukturierung der Unternehmensorganisation in Übersee haben Spuren beim operativen Gewinn hinterlassen, die Accell mit 10 Mio. EUR beziffert. Hinzu kamen budgetierte Extrakosten aufgrund der Einführung einer neuen Konzernstrategie. In Summe bedeutete dies einen Rückgang beim operativen Gewinn um 37,1 Prozent auf 38,0 Mio. EUR. Der Nettogewinn wurde zudem noch von Abschreibungen auf Steuerrücklagen in Nordamerika und Finnland beeinträchtigt, so dass hier ein Rückgang von 67,5 % auf 10,5 Mio. EUR zu Buche steht.

Ton Anbeek, neuer Vorstandsvorsitzender der Accell-Group, erklärt die Unternehmensentwicklung: „Im Jahr 2017 haben wir mit der Umsetzung unserer neuen Strategie in Europa und Nord Amerika begonnen. Unglücklicherweise wurden die ersten Ergebnisse dieser Strategie von den enttäuschenden Ergebnissen in Nordamerika überschattet. In Europa haben wir von unserer Führungsposition im E-Bike-Segment profitiert. Im Jahr 2017 sind zusätzliche Kosten in Höhe von 7 Mio. EUR entstanden, um die neue Unternehmensstrategie auszurollen. Dabei wurde die Organisation der Lieferkette auf die volle Kapazität gebracht. Zudem haben wir einen erheblichen Fortschritt in den Bereichen Teile & Accessoires, Portfolio-Management und IT erzielt.“

Gleichzeitig sei die Konzernstrategie verfeinert und in einen konkreten Fahrplan für den Zeitraum 2018 bis 2022 übersetzt worden. Das Bestreben sei es, die Marktführerschaft im mittel- und hochpreisigen E-Bike-Markt zu erreichen und zwar in einer Form, die den Verbraucher in den Mittelpunkt stellt, aber auch sozial verantwortlich ist. Insofern sei 2018 ein wichtiges Übergangsjahr, in dem die Umsetzung der neuen Strategie beschleunigt werden soll. Ziel sei es, die Komplexität der Gruppe zu reduzieren, um besser und schneller auf Markveränderungen reagieren zu können.

Strategie mit mehreren Säulen

Die Konzernstrategie soll auch dazu dienen, um besitmmte Finanzziele zu erreichen: z.B. wird ein Jahresumsatz von 1,5 Mrd. EUR, eine EBIT-Marge von 8 % sowie ein Arbeitskapital von unter 25 % vom Umsatz angestrebt.

Um dorthin zu kommen, wurden neue Strategiesäulen benannt, die durch verschiedene Initiativen mit Beginn des zweiten Quartals im Jahr 2018 untermauert werden sollen. Dabei werde kaum ein Unternehmensbereich ausgespart. So wird die Realisierung einer Zentralisierung und Koordinierung verschiedener Management-Aufgaben im Unternehmen angestrebt – und zwar in Bezug auf Handelspolitik, Innovationsprogramme und Produktionsstandorte. Marketing-Budgets sollen erhöht, jedoch weniger fragmentiert eingesetzt werden. Auf der Beschaffungsseite soll eine zentral gesteuerte Lieferkette vorangetrieben werden, um mit weiteren Rationalisierungs- bzw. Standardisierungsmaßnahmen die Komplexität zu reduzieren.

Der Zentralisierung bei der Verwaltung der Gruppe auf der einen Seite, steht eine Fokussierung auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Märkte in den einzelnen Ländern gegenüber. Dabei sollen sechs Schlüsselregionen gebildet werden, die zusammen fast den gesamten Umsatz der Gruppe repräsentieren. Diese sind: DACH-Region, Benelux, Südeuropa, UK und Irland, Skandinavien und Nordamerika. Für jedes Land soll ein passendes Markenportfolio für Vertrieb und Marketing mit und über den Fachhandel bestimmt werden. Dabei soll ein Schwerpunkt darauf gelegt werden, Konflikte zwischen den Vertriebskanälen zu vermeiden. Aber auch der Bereich Zubehör und Accessoires soll in jeder Region stärker in die Fahrradaktivitäten mit eingebracht werden. Und nicht zuletzt will man sich auf E-Bikes konzentrieren, die von digitalen Plattformen, Erlebniszentren und mobilen Fahrradservice unterstützt werden.

Die Umsetzung der neuen Strategie wird sich auf der Kostenseite zunächst bemerkbar machen, heißt es von Accell. Kalkuliert wird mit einer Summe von 30 bis 40 Mio. EUR, die zu den 7 Mio. EUR die dafür im Jahr 2017 ausgegeben wurden, noch dazu kommen. Das Ziel der Investition ist es bis zu Jahr 2022 strukturelle Einsparungen in Höhe von 60 bis 80 Mio. EUR zu realisieren.

9. März 2018 von Jürgen Wetzstein

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