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Podiumsdiskussion auf der LEV Konferenz in Taipei
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LEV-Konferenz 2009 in Taipei

Im Fokus: Wo und wie werden LEVs in Zukunft geladen?

Im Rahmen der Taipei Cycle Show fand am 16. März 2009 wieder eine LEV-Konferenz (LEV = Light Electric Vehicles) in Taiwans Metropole statt. Gerade im Hinblick auf das Förderprogramm der taiwanischen Regierung für 160.000 Elektroroller stand die Konferenz ganz im Zeichen der öffentlichen Infrastruktur. Wie werden LEVs in Zukunft geladen? Zu Hause, an öffentlichen Ladestationen oder wechselt man die Batterie am Automaten? Das waren einige der Fragen, auf die Antworten gesucht und auch gefunden wurden.

Podiumsdiskussion auf der LEV Konferenz in TaipeiLEV Konferenz in Taipei

Taiwan ist das Land der Roller. Die subtropische Insel beherbergt nicht nur eine starke Rollerindustrie (z.B. Kymco, SYM und EVT), sondern verzeichnet auch weltweit die größte Rollerdichte: 23 Millionen Menschen fahren 11 Millionen Benzinroller auf der nicht einmal 400 km langen und 145 km breiten Insel. In Zeiten steigender Ölpreise und der Finanzkrise hat die taiwanische Regierung nun Maßnahmen ergriffen, um der Rollerindustrie neue Anreize zu schaffen und gegen die Luftverschmutzung anzukämpfen. Zu Beginn dieses Jahres ist ein vom Industrial Development Bureau initiiertes Förderprogramm für Elektroroller in Kraft getreten. Bis 2012 will Taiwans Regierung 160.000 Roller beim Kauf mit 8.000 – 11.000 TWD (173-240 EUR) subventionieren. Die regulären Verkaufspreise dieser Elektroscooter liegen zwischen 40.000 und etwa 60.000 TWD (870 - 1300 EUR). Je nach Verkaufsvolumen erhalten auch die Hersteller Unterstützung vom Staat.

Die Elektroroller der teilnehmenden Hersteller – die größten sind Kymco, SYM - und auch Yamaha wird als Teilnehmer erwartet – werden in zwei Kategorien unterteilt: „Small Light“ und „Light“. Sie müssen der Kategorie entsprechend bestimmte Voraussetzungen erfüllen und werden ausführlichen Tests unterzogen, unter anderem einem Straßen-Ausdauertest über 5.000 Kilometer. Außerdem müssen sie herausnehmbare Lithiumbatterien haben und auf einem 48V-System operieren. Zu den Bedingungen gehört auch, dass die Roller ein Bus-System integrieren, das als Basis dienen soll, um später auf den "EnergyBus" umzusteigen. Damit will man die Voraussetzungen für eine öffentliche Infrastruktur schaffen. Auch diese will der Staat auf Antrag mit bis zu 100.000 TWD (rund 2175 EUR) pro Station fördern.

Lade-Infrastruktur ist der Schlüssel

Industriedesignerin Anke Scheiblhuber stellte auf der LEV-Konferenz das Konzept einer öffentlichen Lade-Infrastruktur vor, das in Zusammenarbeit mit der taiwanischen Batteriefirma HiTech Energy Inc. und dem ExtraEnergy e.V. entstanden ist. Unter der Prämisse „Mehr Saft in der Batterie“ nennt die Taiwan-erfahrene Designerin das System „+Juice“. Das Kernstück des Konzepts ist eine benutzerfreundliche Standardbatterie, die ihrer Größe nach in alle bisher üblichen Positionen in einem Elektroroller passt. Vom Mobiltelefon wissen wir alle: Ein Produkt ist nur so gut wie seine Infrastruktur. Entscheidend ist also neben Kompatibilität und Sicherheit ein gutes Service-Netz. Freistehende oder an eine Wand montierte Automaten mit Wechselbatterien könnten zum Beispiel an den etwa 4.700 „7-Eleven“-Shops in Taiwan installiert werden, an Tankstellen, Metrostationen oder in lizenzierten Geschäften. Statt zur „Tanke“ pilgern die Rollerfahrer dann zur „Juice-Bar“.

Als günstige Installationspunkte erweisen sich Orte, an denen bereits Strom vorhanden ist. Die Erfahrungen aus dem Stuttgart-Projekt (velobiz.de berichtete) haben gezeigt, dass Batterie-Tausch-Stationen zu teuer sind, wenn sie unabhängig von anderer Infrastruktur aufgestellt werden. Alleine die Stromversorgung und deren Installation würde bis zu 25.000 Euro pro Station kosten. Zudem sollte die Installation ohne Gebäudegenehmigung möglich sein. „Eine Batterie-Tausch-Station zu installieren sollte nicht mehr als 3.000 Euro kosten“, sagt Hannes Neupert von ExtraEnergy.

Richtungsweisendes Beispiel

Dass dies möglich ist, bestätigte die Firma Coulomb Technologies aus Kalifornien. Das junge Unternehmen verkauft Ladestationen für Elektrofahrzeuge z.B. an Städte, öffentliche Einrichtungen und Wohnblock-Inhaber und betreibt die Internetplattform www.chargepoint.net , über die sich Kunden (LEV-Fahrer) direkt anmelden und verfügbare Ladestationen abrufen können. Interessant ist das Geschäftsmodell: 80% der Teilnahmegebühren gehen an die Betreiber der Ladestationen für Energiekosten, Wartung und deren Profit. 20% gehen an Coulomb für den Betrieb des Internet-Portals. Die Kosten für die Nutzer sind auf die Hälfte der entsprechenden Benzinkosten berechnet. In San Jose und San Francisco sind inzwischen Pilot-Netzwerke für die Öffentlichkeit zugänglich. Mit Hilfe einer Schlüssel-Karte können die Nutzer ihre Fahrzeuge an den Ladestationen laden und abrechnen. Flottenbetreiber können sogar abfragen, wie viel CO2 sie gespart haben, wie viel Benzin und an welcher Station welche Fahrzeuge laden.
Das Business-Model von Coulomb beruht auf der Erkenntnis, dass 80% der Nutzer mehrmals am Tag laden möchten und dass die meisten Roller 23 Stunden am Tag geparkt sind, aber die meisten Parkplätze keine Steckdosen haben. Der Bedarf für öffentliche Ladestationen ist also da. Dort kann der Roller laden, während der Besitzer schläft oder arbeitet.

Welche Methode sich durchsetzt muss sich zeigen

Die Industrie zeigte sich auf der Konferenz überzeugt, dass der Aufbau einer schnell und leicht zugänglichen Infrastruktur für den langfristigen Markterfolg von Elektrorollern notwendig ist. Den Massenmarkt bezifferte Ed Benjamin mit 130 Millionen Elektrorollern weltweit in den nächsten 10 Jahren, vorausgesetzt das zusätzlich zu den heutigen 60.000 Elektrorollern die 65 Millionen Benzinroller durch Elektrovarianten ersetzt werden und E-Bike-Fahrer in vielen Märkten auf Elektroroller umsteigen.

Fraglich bleibt, wer die Investitionen in die öffentliche Infrastruktur tätigt. Wie das Coulomb-Modell zeigt, kann eine solche Infrastruktur durchaus für alle Beteiligten profitabel sein – in der Theorie. In der Praxis werden die Pilot-Netzwerke dies beweisen müssen.

Während der Podiumsdiskussion am Ende des langen Konferenztages äußerten sich Vertreter der Industrie zu drei unterschiedlichen Lademethoden. Der Tenor: Schnell-Lade-Stationen und Batterie-Wechselautomaten sind wünschenswert und der Weg in die Zukunft. Das herkömmliche Laden an der Steckdose zu Hause ist wahrscheinlich die zunächst praktikabelste Lösung. E-Bike-Forscher Masao Ono von Tokyo R&D fasst zusammen: "Die Realität wird zeigen welche Methode sich durchsetzt."

Ab 2010 im Wechsel mit Köln

Die diesjährige LEV-Konferenz beinhaltete außerdem Präsentationen großer Batteriehersteller aus aller Welt – HiTech Energy, Enax, AEE, NEC Tokin, Phylion - die ihre Technologien vorstellten, insbesondere im Hinblick auf ihre Schnell-Lade-Fähigkeiten. Masao Ono zeigte anhand eines Schnell-Lade-Tests mit einer Rollerbatterie (2kWh), dass sich die Batterien beim Schnell-Laden um weniger als 13C erwärmen und sich die Batterie bei stärkeren Entladeströmen (3C) ähnlich verhält wie bei schwächeren (1C). Der Stecker- und Kommunikations-Standard EnergyBus und BATSO-Tests waren zentrale Themen. Die Firma All Cell aus den USA stellte ein Tool für Batteriepacks vor, dass den Wärmehaushalt reguliert und so – vor allem bei höheren Strömen – Batterien sicherer machen kann und die Lebensdauer erhöht.

Die Konferenz wurde von ExtraEnergy in Zusammenarbeit mit ITRI (Industrial Technology Research Insitute) und der TAITRA organisiert. Ab 2010 soll sie alle zwei Jahre im Rahmen der Intermot in Köln stattfinden und in den Jahren dazwischen wie gehabt zur Taipei Cycle Show in Taiwan.

Alle Vorträge der LEV-Konferenz sind in Kürze gegen eine Gebühr auf www.levconference.org zum Download erhältlich.

25. März 2009 von Susanne Brüsch

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