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Veloland Schweiz
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Zwischenbilanz in der Schweiz

Nach verhaltenem Start brummte das Fahrradgeschäft

Der Saisonstart bereitete manchem Fahrradhändler in der Schweiz schlaflose Nächte. Zur Angst vor der Wirtschaftskrise gesellte sich ein langer und harter Winter, der das Geschäft lähmte. Spätestens mit den ersten warmen Wochen im April erwiesen sich die meisten Sorgen aber als unbegründet – wenngleich es weiterhin Stimmen gibt, die zu Bedenken geben, dass auch die Schweiz hinsichtlich der Wirtschaftskrise noch nicht über dem Berg ist.

Veloland SchweizBlick in den Schweizer Fahrradladen Velociped

"Im Mai hatten wir das Umsatzminus aus den ersten Monaten wieder kompensiert", sagt Thommy May vom Rheinfelder Fahrradgeschäft Fuechter. Trotz wechselhaftem Wetter blieben die Umsätze im Fahrradhandel danach konstant Insgesamt rechnet die Schweizer Fahrradbranche damit, dass sie die Umsätze des Vorjahrs halten kann. Viele Händler und Hersteller sind damit zufrieden, da 2008 ein sehr erfolgreiches Jahr war. Gemäß Importstatistik und Angaben der Schweizer Hersteller wurden in der Saison 2008 rund 435.000 Fahrräder verkauft. Mit rund 45 Prozent Marktanteil ist das Mountainbike nach wie vor deutlich die stärkste Kategorie auf dem Schweizer Fahrradmarkt, gefolgt von City- und Trekkingrädern mit rund 30 Prozent Marktanteil.

Dennoch machte sich die Krise auf dem Schweizer Markt im ersten Halbjahr 2009 bemerkbar. Deutlich unter den Vorjahreszahlen blieb der Absatz im obersten Preissegment. "Teure Sportvelos, insbesondere die edelsten vollgefederten Mountainbikes und Rennräder blieben bisher in den Geschäften stehen", weiss Peter Züst, Produktmanager bei Amsler & Co., dem Schweizer Vertreiber von Sram, Felt und BBB. Für manchen auf das hochpreisige Segment spezialisierten Händler bedeutet dies nach dem äußerst erfolgreichen Vorjahr, als Rennvelos und Mountainbikes nicht genug kosten konnten, einen spürbaren Knick in der Umsatzkurve.

Freudenspender Elektrorad

Händler, die auf das Elektrorad setzten, konnten diesen Umsatzeinbruch im sportlichen Segment aber größtenteils kompensieren. Die neue Fahrzeugkategorie wird weiterhin immer beliebter. Nach Schätzungen der Förderorganisation Newride wurden im ersten Halbjahr 2009 bereits 16.000 Elektrovelos verkauft – 3.000 mehr als in der ganzen Saison 2008 (velobiz.de berichtete). Für den Fachhandel ist dies von besonderer Bedeutung, weil Elektroräder trotz Krise etwas kosten dürfen. "Unsere Einsteigermodelle mit den tiefsten Preisen sind auch in diesem Jahr weniger gefragt als die andern Bikes", sagt Kurt Schär, Geschäftsführer des Schweizer Marktleaders Flyer. Zufrieden sind die Fachhändler mit dem Elektroradverkauf auch, weil Sportfachmärkte und Grossverteiler in diesem Segment praktisch keine Rolle spielen.

Im übrigen Schweizer Fahrradmarkt besitzen die Sportfachmärkte einen Marktanteil von rund einem Drittel. Gemessen am Umsatz spielen die branchenfremden Anbieter aber eine deutlich geringere Rolle: In der Schweiz bedienen die fachhandelsfremden Kanäle praktisch ausschließlich das untere Segment bis zu einem Verkaufspreis von umgerechnet 670 Euro, während der Fachhandel sich auf die teureren Räder über einem Verkaufspreis von rund 550 Euro konzentriert. 2008 konnten Fahrrad-Fachhändler die durchschnittlichen Verkaufspreise gegenüber dem Vorjahr um rund 8 Prozent auf rund 800 Euro erhöhen. Für das laufende Jahr wird erwartet, dass dank den Elektrorädern und der steigenden Nachfrage nach qualitativ hochwertiger Alltags- und Trekkingräder der Umsatz trotz Einbrüchen im sportlichen Highend-Segment gehalten werden kann.

Werkstätten arbeiten am Anschlag

Spuren hinterließ die aktuelle Wirtschaftskrise auch in den Servicewerkstätten, die in den Schweizer Fahrrad-Fachgeschäften eine bedeutende Rolle spielen. "Wer momentan knapp bei Kasse ist, lässt sein Rad eher nochmals gründlich überholen, statt dass er ein neues kauft", weiß Fahrradhändler Thommy May. Bestätigt wird seine Aussage von Richard Merz, Geschäftsführer des Shimano-Importeurs Fuchs-Movesa: "Unsere Kunden sind mit Reparaturen sehr gut bis ausgezeichnet ausgelastet".

Der Andrang in den Werkstätten hat aber auch seine Schattenseiten. Viele Händler laufen unterdessen an den Grenzen ihrer Arbeitskapazitäten. Für zusätzliches Personal reichen die Mehreinnahmen oft aber trotzdem nicht. Und selbst wer sich einen zusätzlichen Mechaniker leisten könnte, hat sein Personalproblem noch nicht gelöst. Der Markt an qualifizierten Fachkräften ist trotz steigender Arbeitslosenzahlen ausgetrocknet, viele offene Stellen können gar nicht besetzt werden.

Obwohl die Schweiz ganz allgemein bisher weniger stark unter der Krise litt als die benachbarten Länder und der Fahrradhandel in der ersten Hälfte des laufenden Jahres die Vorjahresumsätze mehrheitlich halten konnte, will noch niemand jubeln. "Wie gut die Fahrradbranche durch die Krise kommt, entscheidet sich 2010", sagt Richard Merz. Viele wirtschaftliche Einbußen würden erst im kommenden Jahr wirksam werden und das Konsumverhalten beeinflussen. Noch wagt niemand eine Prognose, ob Umweltbewusstsein, Gesundheitsdenken und das Elektrovelo auch dann genügend stark sein werden, um den Schweizer Fahrradhandel ohne Einbußen durch die Krise zu bringen.

11. September 2009 von Urs Rosenbaum
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