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Thomas Bernds bei der Zeichung neuer Rahmen
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Individuelle Faltbarkeit Made in Germany

Bernds: Eigener Rahmenbau mit viel Stahl-Know-how

Eigenwillige Formen, eigenständige Konzepte: Thomas Bernds entwickelt im ostwestfälischen Detmold Falt- und Spezialräder mit gewissem Etwas. Der Anspruch: Klarheit in der Linie und sehr breite Anwendungsmöglichkeiten. Was mit einer Faltrad-Idee 1992 begann, ist mittlerweile zu einem kleinen, aber besonderen Unternehmen mit eigenem Rahmenbau herangewachsen – wie wir bei einem Besuch sehen konnten.

Thomas Bernds bei der Zeichung neuer RahmenThomas BerndsMit der Bernds-Kiste soll das Beratungsgespräch beim Händler unterstützt werden.Endmontage bei BerndsDer ostwestfälische Fahrradhersteller erfüllt auch sehr ausgefallene Kundenwünsche.

Nur das Bernds-Transparent an der Straße weist darauf hin, was in diesem Hinterhof vor sich geht: In drei alten Hallen der frühen Nachkriegszeit werden Räder entwickelt und gebaut, vom rohen Rahmenrohr zum vollständigen Rad nach Kundenwunsch. In der Eingangshalle merkt der Kunde, der sich direkt beim Hersteller beraten lassen kann, sofort: Hier bedient man sich nicht einfach aus Retro-Regalen, hier wird vor allem geschraubt und aufgebaut. Atmosphärisch ist das wie Lagerverkauf mit dem Flair einer Manufaktur: Vor den vielen Fenstern der Montagehalle hängen eingespeichte Laufräder, in der Mitte steht ein langer Naturholztisch für die Mitarbeiter, daneben bollert ein riesiger Vielstoff-Ofen, von geschliffenen Holzklötzen als Sitzschemel umgeben. Familiär und freundlich.

Thomas Bernds, Anfang vierzig, baut schon seit 18 Jahren Falträder, seit fünf Jahren auch Tandems und Spezialräder. „Von vorn bis hinten made in Germany“, sagt er stolz. Für seine Klientel ist das ein echtes Umweltschutz-Argument: Mit kurzen Lieferwegen der Komponentenhersteller arbeitet man hier ökologisch bewusst, und die Kunden honorieren das. Allerdings auch damit, dass sie selbst dann schon mal zwei- bis dreihundert Kilometer weit fahren, um hier die Räder zu testen. Denn wo sollten Sie das besser können als beim Hersteller selbst, der schon Jahrzehnte Praxiserfahrung damit hat?

„Der Name Bernds steht für klares Design“, so der Namensgeber. „Bei uns kaufen Architekten, bei Utopia die Lehrer“, fügt er schmunzelnd hinzu. Viele Leute, die gar nichts mit Fahrrädern zu tun haben, werden von der Designgebung angesprochen. Aber auch Menschen, die besonders auf Gesundheit und Nachhaltigkeit achten, neudeutsch Lohas genannt, gehören zur ersten Klientel.

Beratungsintensives Produkt

„Beratung ist bei uns natürlich enorm wichtig“, so Bernds, „die Kunden erwarten, dass sie ein robustes, nachhaltiges Produkt kaufen und können ihr Rad genau auf ihr Vorstellungen hin zusammenstellen lassen – von der genauen Rahmengröße bis hin zur differenzierten Ausstattung und Wunschfarbe.“ Sogar Rahmen-Sonderwünsche, etwa für besonders Kleine und Große, werden bei den Detmoldern erfüllt. Gerade steckt Thomas Bernds auch in der Entwicklung eines Dreirads für Bewegungseingeschränkte, auch ein Kundenauftrag.

Für Vertrieb und Marketing ist seit 2001 Lebensgefährtin Michaela Buchholz zuständig. Und seitdem hat sich viel verändert: Nach Unzufriedenheiten mit dem ausgelagerten Rahmenbau schlug sie 2003 vor, selbst zu schweißen. „Das ist logistisch doch viel zu kompliziert“, war sich Bernds zunächst sicher. Doch mit neuen Strukturen erwies es sich einfacher, alles von der Entwicklung bis hin zum fertigen Rad – abgesehen von der Pulverlackierung und dem Laufradbau für die einfacher bestückten Radvarianten – im Haus zu haben. Außerdem passt es perfekt zum Gedanken der kurzen Wege und Nachhaltigkeit.

Seit der Eurobike 2009 gibt es eine Neuerung im Bernds-Vertrieb – eine sehr innovative Idee, die ebenfalls auf das Konto der kreativen Marketing-Frau zurückgeht und sich auch mit der Beratung auseinandersetzt: die Bernds Box. Eine hochwertige, beschlagene Holzkiste, die ein komplettes Bernds-Faltrad mit vielen Variationsmöglichkeiten und allen Informationen zum Produkt beherbergt. Kunden, die auf Bernds Faltrad aufmerksam geworden sind, denen aber der Weg zum Hersteller zu weit ist, gehen zum ihrem Radhändler und fragen nach dem Rad. Der Händler kann sich kostenlos die Box bestellen und so dem Interessenten nicht nur das Rad zum Test zur Verfügung stellen, sondern auch viele Ausstattungsmöglichkeiten direkt zeigen. Nach ein bis zwei Wochen wird die Box wieder abgeholt. „Mit unserem früheren Stützpunkthändler-Konzept konnten wir die besonderen Punkte des Bernds Faltrad dem Kunden einfach nicht ausreichend darstellen. Die Box macht’s möglich“, erklärt Buchholz. Und für den Händler ist das eine einfache und günstige Möglichkeit, umfassend Beratung und Testmöglichkeit zu bieten, ohne dauerhaft Räder im Laden zu haben. Einige Händler waren bei der Vorstellung der Bernds Box auf der Eurobike so begeistert, dass sie den Shop im Shop vom Stand weg kauften. „Der Kunde ist jetzt eigentlich unser Verkäufer an den Händler“, so Buchholz.

Rahmenbau statt Lego

Dass die Räder ein sehr eigenständiges Auftreten haben, dafür sorgt der studierte Maschinenbauer selbst. Wer mit zehn Jahren das erste fahrbare Tandem selbst zusammengezimmert hat, hat schließlich schon jede Menge praktische Erfahrung in Punkto Stahl-Rahmenbau angehäuft. In Sachen Riemenantrieb war Bernds sogar ein Trendsetter: Schon die ersten Falträder gab es 1992 in Riemen-Ausführung; heute will er mit eigenen Entwicklungen in diesem Bereich – zum Beispiel mit selbst entwickeltem Antriebsrad – die Konkurrenz vor allem in Sachen Leichtlauf und Haltbarkeit des Gates-Antriebs hinter sich lassen.

Das bekannteste Bernds ist vom Konzept her eigentlich kein klassisches Faltrad, sondern ein vollwertiges und hochwertiges Fahrrad, dass man auch falten kann – ein hoher Anspruch, der viel Präzision in der Produktion voraussetzt. Die Grundidee ist seit 1992 gleich geblieben: 20-Zoll-Laufräder, eine über ein Elastomer am Hauptrohr abgestützte und faltbare Hinterradschwinge, per Schnellspanner abziehbarer Lenkerdom, auf den jeder beliebige Vorbaubügel montiert werden kann, klappbare Sattelstütze.

Die Innovationen seit den Anfängen liegen im Detail: So wurde bis heute zum Beispiel in mehrstufigem Vorgang die Sattelaufnahme perfektioniert: Eine CNC-gedrehte und eloxierte Alu-Hülse, deren unterer Abschluss vorher wasserdicht verklebt wurde, wird ins Sattelrohr eingeklebt. Sie ist so konifiziert, so dass die eigentliche Sattelstütze zunächst leicht eingeschoben werden kann, die letzten Zentimeter aber in eine Verengung tauchen und die Stütze dadurch schon wackelfest sitzt; mit dem Schnellspanner wird endgültig arretiert. Nut und Feder sorgen dafür, dass der Sattel immer genau gerade zu sitzen kommt. Für die enorme Passgenauigkeit spricht eine Toleranz von gerade mal einem 500tel Millimeter.

Zum Renner ist das Bernds Tandem geworden: Hier zählt vor allem der große Anpassungsbereich sowie geringes Gewicht und gute Transportierbarkeit – ein Fast-Alleinstellungsmerkmal auf dem Tandem-Markt. Die Käufer wissen was sie wollen; immerhin zahlen sie im Durchschnitt für das individuell zusammen gestellte Rad für zwei gut 4500 Euro, der Einstiegspreis liegt bei 2900 Euro. Das Low Step, ein ebenfalls faltbares Tandem mit extrem tiefem Einstieg richtet sich vor allem an die 60Plus-Generation.

Neben dem Packbernds – eine Art Bäckerrad mit 20-Zöllern und riesigem Weidenkorb – gibt es noch die Gretel. Der Name passt gut zum eigenwilligen Ultratief-Einsteiger mit Faltschwinge, das weniger auf einfachen Transport und mehr auf Komfort auf der Kurzstrecke abzielt. Er geht aber ganz konkret auf Michaela Buchholz´ Großmutter Margarete zurück – einer passionierten Fahrradfahrerin, die noch im fortgeschrittenem Alter einen ansehnlichen Verschleiß an Klapprädern zu verzeichnen hatte. Der nach ihr benannte Bernds-Tiefeinsteiger – der durchaus auch sportlich durch die City zu bewegen ist – wäre sicher eine „nachhaltigere“ Freude für sie.

Wie in den Zeiten der Manufaktur

Zurück zur Rad-Genese. Die hinterste Bernds-Halle ist gänzlich dem Rahmenbau vorenthalten; rohes CroMo-Rohr in teils skurrilen Formen sorgt in den vielen Regalen für ein klassisches, anheimelndes Manufaktur-Ambiente, aus der hinteren Ecke knallt uns der grelle Lichtschein vom Schweißen entgegen. Bis zu vier Mann sind hier in Stoßzeiten damit beschäftigt, aus Rohren Rahmen zu bauen. Kommen die Rahmen mit Dreifach-Beschichtung aus der benachbarten Pulver-Lackiererei zurück, werden sie hier bis auf Abruf zwischengelagert. Dann geht’s in die Haupt- und Montagehalle, in der auf einer Montagelinie die Komponenten wie Lenker und Licht vormontiert werden, aber auch die hochwertigeren Laufräder, etwa mit Nabendynamos, eingespeicht werden, während in der Mitte der Rahmen mit Tretlager etc. bestückt wird. Dort treffen auch die beiden Bernds-Hälften zur Endmontage aufeinander. Auch hier schrauben bis zu vier Leute.

In der Nebenhalle warten fast zwei Dutzend Bernds nach der Endkontrolle, die nie der Montierende durchgeführt hat, auf ihre Abholung beziehungsweise den Versand – eine gute Möglichkeit zu sehen, wie detailliert Kundenvorstellungen sein können: An einer lilafarbenem Bernds Gretel finden sich zum Beispiel Ballonreifen auf gefrästen Alufelgen mit sensenartigen Speichen. Bernds-Kunden scheinen ziemlich genau zu wissen, was sie wollen.

2. Dezember 2009 von Georg Bleicher

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