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Experten-Warnung nach Medienbericht

Nachrüstung eines E-Bike-Antriebs ist keine „Bastelarbeit“

E-Bikes und Pedelecs sind ein Thema, das momentan von Medien aller Art gerne aufgegriffen wird. Dabei kommen auch immer wieder Nachrüstsätze zur Sprache, mit denen herkömmliche Fahrräder in Elektrofahrräder verwandelt werden können. Ein Bericht in der überregionalen „Sonntags Zeitung“, in dem der Eindruck entsteht, dass solche Umrüstungen ideal für Fahrradbastler seien, nimmt Rolf Häcker, Produktentwickler bei Humpert und Mitarbeiter im Normenausschuss, zum Anlass, über die normenrechtlichen Fallstricke bei solchen Umrüstaktionen aufzuklären.

„City- und Trekking-Fahrräder werden derzeit nach der gültigen Norm DIN EN 14764 geprüft. Das max. zulässige Gesamtgewicht (Fahrrad + Fahrer + Gepäck) liegt dabei bei 100 kg. Da das Eigengewicht eines Fahrrads ohne Motorunterstützung deutlich niedriger als das eines Fahrzeugs mit Motorunterstützung liegt, reichen die darin angegebenen Prüfkräfte für diese Fahrzeugkategorie im Allgemeinen aus.

Pedelecs unterliegen zwar der selben Norm, da das Eigengewicht und die Durchschnittsgeschwindigkeit aber deutlich höher ist (je nach Hersteller und Typ 20-30 Kg) sagt die Norm, dass die Prüfkräfte aller Prüfungen entsprechend des max. zulässigen Gesamtgewichts erhöht werden müssen.
Beispiel: Fahrrad 25 Kg, Fahrer 80 Kg, Gepäck 25 Kg ergibt ein zulässiges Gesamtgewicht von 130 kg.
Der Hintergrund ist, dass sicherheitsrelevante Bauteile wie z.B. Gabel, Lenker und Vorbau bei Pedelecs deutlich höher beansprucht werden (eine entsprechende Betriebslastenprüfung der TUHH, welche der ZIV in Auftrag gegeben hat) und dass diese Bauteile dann unter Umständen Versagen, was wiederum zu schweren Stützen und Verletzungen führen kann. Dies zeigt auch die Praxis, wo wir als Spezialist für Fahrradlenksysteme immer wieder mit gebrochenen Lenkern, die bei nachgerüsteten Pedelecs verbaut waren, konfrontiert werden. Des Weiteren kommt hinzu, dass an einem gebrauchten Rad niemand abschätzen kann, wie stark die Ermüdung von Rahmen, Gabel, Lenker oder sonstigen sicherheitsrelevanter Bauteile bereits vorangeschritten ist. Auch einige Bremsanlagen (wie z. B. Rücktritt-, Rollen- und einfache Felgenbremsen) erbringen aufgrund des höheren Gesamtgewichts und durch die höhere Geschwindigkeit nicht die geforderten Verzögerungswerte.

Berichte von Schadensfällen

Das Prüfinstitute Velotech in Schweinfurt berichtet immer häufiger von Schadensfällen wo Bauteile bei Fahrrädern mit nachgerüstetem Elektroantrieb versagt haben.

Beim Nachrüsten an einem Mountainbike ist folgendes anzumerken: Diese Fahrzeuge sind in der Regel nicht mit einer wie vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Lichtanlage (Dynamo, Scheinwerfer, Rücklicht und Reflektoren) ausgestattet und entsprechen somit nicht dem § 67 der StVZO.
Da bedingt durch den zusätzlichen Antrieb, das Eigengewicht deutlich über 11 kg liegt, ist es auch nicht zulässig, solche Fahrzeuge durch Anbringung einer Batterielichtanlage, so wie es bei MTBs ohne Motorunterstützung oft üblich ist, auf öffentlichen Straßen (wo auch Feld und Forstwege mit dazu zählen), zu nutzen.

Durch Ihren Artikel wird beim Verbraucher der Eindruck erweckt, dass ein Elektroantrieb ohne Probleme an jedem Fahrrad nachgerüstet werden kann. Da an einem handelsüblichen Fahrrad ohne Motorunterstützung die meisten der sicherheitsrelevanten Bauteile nur für ein max. zulässiges Gesamtgewicht bis 100 Kg ausgelegt sind, müssen bei einem Umbau diese Bauteile zusätzlich mit ausgetauscht werden. Anschließend müsste das Fahrzeug einer entsprechenden Gesamtprüfung, wie es die DIN EN 14764 vorsieht, unterzogen werden. Da eine Gesamtprüfungen aber sehr aufwendig und kostspielig ist (5.000 bis 10.000 EUR) ist es unrealistisch, dass der Händler das Fahrzeug nach dem Umbau solch einer Prüfung unterziehen lässt.
Wie Herr Brenner, der auch als Sachverständiger für Elektrofahrräder tätig ist, solche Umbauten ruhigen Gewissens durchführt, ist mir unverständlich und nicht nachvollziehbar. Von 'Bastlern' sollten solche Umbauten aufgrund des fehlenden Wissens und Erfahrung auf keinen Fall durchgeführt werden.

Aus meiner Sicht wäre es sinnvoller gewesen, den Verbraucher unter dem Thema 'Denn sie wissen nicht was sie tun' über die Gefahren einer Nachrüstung hinzuweisen und ihn entsprechend darüber aufzuklären.“

21. Januar 2011 von Jürgen Wetzstein

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