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Radelndes Vorbild der Taiwaner: Giant-Gründer King Liu
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Fahrradexport wieder über 1 Mrd. USD

Taiwan: Eine Fahrradindustrie erfindet sich neu

Die taiwanische Fahrradindustrie hat wieder Grund zum Jubeln: Mit einem Exportvolumen von über einer Milliarde USD konnte im vergangenen Jahr die Krisenstimmung der Jahrtausendwende endgültig abgeschüttelt werden. Taiwan ist ein Land, das sich gegenwärtig neu erfindet, und mit ihm seine Fahrradindustrie.

Radelndes Vorbild der Taiwaner: Giant-Gründer King LiuDer 101-Tower verkörpert den Wandel der taiwanischen Gesellschaft.Fahrradabteilung in Taipehs Nobel-Kaufhaus Sogo.


Es ist noch nicht lange her, da steckte die taiwanische Fahrradindustrie in einer ernsten Krise. Kurz nach der Jahrtausendwende dümpelte der Exportwert von Fahrrädern „Made in Taiwan“ auf einem historischen Tiefstand von rund 500 Mio. USD. Fahrräder für den Weltmarkt wurden damals vor allem auf dem chinesischen Festland oder in anderen Niedriglohnländern wie Vietnam oder Polen zusammengeschraubt. Mit ihrer bisherigen Position als reiner Auftragsnehmer ohne eigene Entwicklungsleistung hatten sich die Taiwaner international zunehmend ins Abseits manövriert. Zwar hatten die Fertigungsstätten im Ausland oft taiwanische Inhaber, gefragt waren dabei aber vor allem taiwanisches Kapital und die Kundenkontakte, nicht aber taiwanische Ingenieursleistung.

„Unsere Stärke liegt darin, Probleme zu erkennen und zu lösen“, schrieb die taiwanische Journalistin Grace S. Ruan im Leitartikel der jüngsten Ausgabe ihrer Fachzeitschrift Bike Market Update. Die einfache Wahrheit trifft den Kern des taiwanischen „way of doing business“: Als nach der Jahrtausendwende die Exportzahlen der einheimischen Fahrradindustrie in den Keller rauschten und der vollständige Exodus der Fahrradfertigung ins Ausland befürchtetet wurde, analysierten einige taiwanische Vordenker die Probleme der einheimischen Fahrradindustrie. Zwei zentrale Erkenntnisse waren das Ergebnis: Nur als Produktionsstandort hat Taiwan in der Fahrradbranche keine Zukunft, Taiwan müsse vielmehr auch Ursprungsland für marktfähige Innovationen werden. Erkenntnis Nummer zwei: Ohne Fahrradkultur im eigenen Land wird sich dieses Ziel nicht erreichen lassen. Taiwan wandelte sich gerade zur High-Tech-Nation, perfekt symbolisiert durch den 101-Tower, dem gegenwärtig höchsten Gebäude der Welt. Welcher junge Ingenieur ließ sich vor diesem Hintergrund damit locken, neue Fahrräder, einem vermeintlichen Vehikel für arme Leute, zu entwickeln?

Früher belächelt - heute bestaunt

Dass damals formulierte Ziel, Taiwan solle sich vom Auftragsproduzenten zum Innovations- und Design-Motor der internationalen Fahrradbranche wandeln, wurde damals noch belächelt – heute nicht mehr. Genauso wenig, wie die Bemühungen der taiwanischen Fahrradhersteller ihren Landsleuten das Radfahren als Freizeitbeschäftigung und Sport schmackhaft zu machen. Dass etwa King Liu, Gründer und Präsident von Giant, sich im vergangenen Jahr im Alter von 73 Jahren aufgemacht hat, seine Heimat auf einer 973 km langen Tour mit dem Rennrad zu erkunden, hat seine Landsleute beeindruckt. Vor allem weil sich hier eine bekannte Gallionsfigur der taiwanischen Wirtschaft aufs Rad geschwungen hat und dabei auch noch sichtlich Spaß hatte. Jüngst erst ließ King Liu verlauten, dass er die Tour gerne noch mal machen würde, dann aber bitte mit weniger Medienrummel.

Das Beispiel des Giant-Chefs findet in der taiwanischen Gesellschaft immer mehr Nachahmer. Wer in Taiwans Großstadt Taipei auf angesagte Art zur In-Kneipe fahren will, kommt mit dem Faltrad. Neben der City-Mobilität wird auch Radsport in der taiwanischen Bevölkerung immer populärer. Auch unter Angehörigen der Fahrradbranche: Im kommenden Mai wollen sich die Führungskräfte der im sogenannten A-Team organisierten Fahrrad- und Zubehörhersteller zu einer elftägigen Radtour gemeinsam in den Sattel schwingen. Dass auf der Taipei Show einige Firmenlenker deutlich schlanker als noch im letzten Jahr zu sehen waren, soll vor allem auch mit dem Training für diese Tour zusammenhängen. Wer schon länger in Taiwan Geschäfte macht, reibt sich da schon mal verwundert die Augen.

Es klingelt wieder in der Kasse

Das neue Image Taiwans macht sich auch im Erfolg der Fahrradbranche bemerkbar. Zwar ist das stückzahlenmäßige Volumen mit rund 4,75 Mio. Fahrräder deutlich geringer als noch vor zehn Jahren, doch gemessen am Wert lief es selten besser: Insgesamt wurden mit dem Fahrradexport 1,054 Mrd. USD erwirtschaftet. Erst dreimal in ihrer Geschichte, nämlich 1991, 1993 und 1995, gelang es der taiwanischen Fahrradindustrie bisher die Milliarden-Grenze zu knacken. So hoch wie noch nie ist dabei der durchschnittliche FOB-Wert der Fahrräder, nämlich 221,91 EUR.

Angetrieben wird der Erfolg auch, aber nicht alleine, vom immer noch starken Rennradmarkt in den USA: Dort erzielten die Taiwaner mit 596.000 (+5,5 %) Fahrrädern einen Exportwert von 231 Mio. USD. Der Durchschnittswert: 388,16 USD – auch das ein Rekord.

Gemessen in Stückzahlen sind die Briten mit 932.000 Einheiten (+ 19%) weiterhin der wichtigste Abnehmer taiwanischer Fahrräder, gefolgt von den USA und Deutschland mit 491,716 Einheiten (+16 %).

Die detaillierten Export-Zahlen der taiwanischen Fahrradindustrie finden Sie hier:

http://www.velobiz.de/uploads/taiwan_export_1991_2007.pdf

31. März 2008 von Markus Fritsch

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