Portrait - Strava
Das soziale Netzwerk für Radsportler
Für immer mehr Menschen, die körperliche Bewegung und digitalen Lebensstil kombinieren, gehört Strava zu sportlichen Einheiten dazu. Sie laden ihre persönlichen Statistiken ins Netz hoch und studieren, was andere Menschen für Strecken zurückgelegt haben. Manche lassen sich inspirieren, was neue Routen anbelangt, andere fordern sich gegenseitig zu Bestleistungen heraus oder genießen nur die Bilder, die von Athleten ins Netz gestellt wurden. Damit ist Strava ein soziales Netzwerk, dessen Anknüpfungspunkt für alle Mitglieder die sportliche Betätigung ist. Es ist ein spezialisiertes Angebot, das im Lauf der vergangenen Jahre für viel Furore gesorgt hat. »Wir sind Facebook oder Instagram für Radfahrer«, sagt Paul Niemeyer, Strava-Repräsentant für den deutschsprachigen Raum.
2009 gründeten Michael Horvath und Mark Gainey das Unternehmen in San Francisco. Beide hatten sich zwei Jahrzehnte früher an der Harvard-Universität kennengelernt, wo sie gemeinsam ruderten. In den Neunzigern gründeten sie ihr erstes gemeinsames Unternehmen, das zunächst so etwas wie ein virtueller Sport-Austausch werden sollte, dann aber zu einem Kundenkommunikationsdienstleister wurde. Danach gingen sie unterschiedliche Karrierewege. Als sie das Unternehmen dann vor sieben Jahren gründeten, stand dahinter die Idee, Sportler ortsunabhängig über soziale Netzwerke in den Austausch, in den friedlichen Wettbewerb zu bringen – alles basierend auf GPS-Daten und den Möglichkeiten, die moderne, mobile Technik ihnen bot.
Ein Jahr nach der Gründung sammelte das Team erstmals Kapital ein, es folgten drei weitere Runden – zuletzt schoss im Oktober 2014 der renommierte Venture-Capital-Geber Sequoia – der Förderer von Google, Apple und Instagram – 18,5 Millionen US-Dollar in das Unternehmen.
Ein klares Zeichen: Strava sollte man besser ernst nehmen.
Soziales Sport-Netzwerk
In der Seele ist Strava ein IT-Unternehmen. Aktuell beschäftigt es etwa 120 Mitarbeiter, ein Großteil davon sind Software-Ingenieure. Daher bietet Strava vor allem auch eines: ein digitales Produkt. Man definiert sich über das soziale Netzwerk, bei dem nur Menschen mitmachen können, wenn sie selbst körperlich aktiv sind – und das sich über verschiedene Plattformen nutzen lässt. Wer Strava etwa mit einem Smartphone von Apple oder mit einem Android-Gerät nutzt, kann auf Knopfdruck eigene Leistungsdaten aufnehmen und nach Abschluss unmittelbar ins Netz stellen. Die Daten lassen sich aber auch automatisiert aus anderen Messgeräten, also etwa Garmin-Fahrradcomputern, SRM-Systemen oder Computern von Sigma zu Strava hochladen. Immer mehr Anbieter von Hardware gehen dazu über, dass die Nutzer direkt aus dem Gerät und ohne Umstände ihre Informationen in das Netzwerk spielen können.
Die eigene Leistung und die von anderen Athleten lässt sich danach detailliert analysieren. Ein spielerisches Element bringen die Strecken-Segmente: Das sind – von Kunden definierte – Abschnitte auf einem Abschnitt, etwa einem Anstieg oder einer kurzen Sprintstrecke, wo die Athleten die Bestzeit jagen können.
So kann man als Strava-Nutzer zu jedem Zeitpunkt in den virtuellen Wettkampf mit anderen Menschen treten oder auch seine eigene Fitness mit den Daten früherer Fahrten vergleichen. Zudem gibt es virtuelle Herausforderungen – etwa eine bestimmte Anzahl Kilometer oder Höhenmeter pro Monat, die jeder Athlet antreten kann. Auslesen kann man die Daten auch auf dem Internetbrowser am Computerbildschirm.
Wer die App oder die Website von Strava nutzt, kann in einem »Social Feed«, so etwas wie die Timeline bei Facebook, schauen, was sich im sozialen Netzwerk getan hat. So kann man prüfen, wie viele Kilometer der Nachbar schon beim Trainingslager in Mallorca absolviert hat. Man kann auch Fotos anschauen oder Kommentare hinterlassen, um persönlich mit einem anderen Mitglied zu kommunizieren.
Bei den Topprofis genießt Strava einen guten Ruf, was für das Unternehmen glücklich ist – denn ohne Werbebudget kann man die sportbegeisterte Zielgruppe erreichen. So postet etwa der deutsche Topsprinter André Greipel seine Trainings- und Renndaten auf Strava. Beim Giro d’Italia im Mai war das Rennen um die Bestleistungen an den Strava-Segmenten im Fahrerfeld ein beliebtes Medienthema – Gratis-PR für das Tech-Unternehmen.
Kette rechts
Strava setzt – wie es für soziale Netzwerke typisch ist – auf massives und schnelles Wachstum. Im Mai betrug die Wachstumsrate laut eigenen Angaben des Netzwerks 150.000 Mitglieder pro Woche weltweit, es gebe ein Vielfaches von 10 Millionen Nutzern. Genaue Zahlen nennt das Unternehmen nicht, da es dazu nicht verpflichtet sei und auch den Kon-
kurrenten nicht unnötigerweise Informationen liefern wolle. Widersacher im Markt sind etwa Anbieter wie RunKeeper oder MyFitnessPal. Es gebe allerdings einen gravierenden Unterschied: Strava bleibt bis heute unabhängig von Sportartikelherstellern oder anderen Marken, sagt Paul Niemeyer, 36, der sieben Jahre in der weltweiten Markenkommunikation für Adidas-Running tätig war, ehe er bei Strava die Verantwortung für die Geschäftsentwicklung in Deutschland, Österreich und der Schweiz übernahm. So gehört heute Runkeeper zu Asics, MyFitnessPal wurde von Under Armour gekauft.
Niemeyer selbst erlebte, wie dynamisch Strava ist. Als seine aus London stammende Freundin dorthin zurückwollte, ging Niemeyer mit, hatte aber keinen Job. Er fuhr dann in England mit einem Freund Rad, der berichtete vom idealen Arbeitgeber für Radsportler – Niemeyer schaute auf die Website, sah das Stellenangebot für die DACH-Position – und saß bereits sechs Wochen später im Londoner Büro des Unternehmens.
Niemeyer ist fest überzeugt, dass Strava sich von anderen digitalen Sport-Trackern unterscheidet, nämlich gerade durch den sozialen Aspekt. Man spreche bei Strava immer von Mitgliedern, auch das sei bereits ein Unterschied zu anderen Apps, die über »User« reden. »Die Qualität unserer Mitgliedschaften ist deutlich höher als bei den Wettbewerbern. Wir haben ein unglaublich hohes ›Engagement‹ auf unserer Seite«, erklärt der 36-Jährige. Wie viele Mitglieder der Dienst in Deutschland hat, lässt sich nicht erfahren – es sei »noch keine Million«, sagt Niemeyer.
Nebengeschäfte mit Potenzial
Auch wenn es einen Start-up-Geist gibt, so verdient Strava schon Geld. Die Monetarisierung funktioniert über das klassische Premium-Modell einfach: Mitglieder bezahlen 6 US-Dollar im Monat – oder mit Rabatt 60 US-Dollar im Jahr – und schalten sich damit einen Premium-Status frei. Wer diesen Status hat, kann seine Daten detaillierter analysieren oder auch Live-Feedback während seiner Trainingseinheiten erhalten. Wie hoch der Anteil derjenigen ist, die Geld ausgeben, wird ebenfalls nicht kommentiert.
Eine zusätzliche Einnahmequelle von Strava ist der Handel. Strava bietet einen Shop, in dem die Mitglieder sportspezifische Angebote finden. Zwischenzeitig hatte Strava damit experimentiert, regelmäßig Trikots von monatlichen Herausforderungen zu vermarkten: Wer also etwa in einem Monat die »Challenge« zu einer gewissen Menge Kilometer bestanden hatte, erhielt das Recht, ein solches Belohnungs-Trikot zu kaufen. Allerdings war das wohl eher kein erfolgreicher Versuch des Unternehmens. Paul Niemeyer sagt, das Verkaufen von Strava-Produkten sei ein »Versuchsfeld« gewesen. »Wir wollen aber nie ein Hardware-Anbieter oder ein Klamotten-Händler sein«, sagt er. Stattdessen biete man Produkte im eigenen Online-Shop nur an, wenn man davon ausgehe, dass sie »Mehrwert« für die Kunden haben – sein Beispiel ist eine Lenkerhaltung für das Smartphone. Zum Recherchezeitpunkt gab es im Shop Helme, Bike-Computer, Sensoren und Pulsuhren. Statt der monatlich neuen Textilien gibt es nun eine von Cuore hergestellte Strava-Kleidungsserie. Die Produkte haben durchaus ihren Preis: Eine Bib-Short kostet 144 Euro, ein Trikot 116 Euro. Ganz bedeutungslos kann der Handel für Strava nicht sein. Darauf deutet die Tatsache hin, dass man seit diesem Jahr auch ein europäisches Warenhaus betreibt, um den Versand schneller und günstiger zu gestalten.
Für die Geschäftsentwicklung von Strava spannend ist aktuell »Strava Metro«. Niemeyer bezeichnet dies als Projekt aus »Altruismus«. Strava bietet Verkehrsplanern die erhobenen Daten – in anonymisierter Form – an. Bis Mai kooperierte das Unternehmen bereits mit 76 Organisationen und kommunalen Institutionen, um Abermillionen erhobene GPS-Daten in verkehrsplanerisch sinnvoller Weise auszuwerten. Darunter sind bislang vor allem Institutionen aus dem englischsprachigen Raum. Die Strava-Manager sind der Überzeugung, dass ihre Daten Stadtplanern dabei helfen können, auf Basis valider Daten bessere Entscheidungen zu treffen.
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