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Report - Pflege- und Reinigungsmittel

Gepflegt durch den Winter

Die Fahrradpflege rückt mit zunehmender Komplexität und steigendem Preis des E-Bikes heute recht schnell in den Fokus der Kundschaft. Richtig angepackt, können Fachhandel wie Kunden und Kundinnen davon profitieren.

Das Angebot für Pflegeprodukte hat sich in den letzten Jahren enorm erweitert. Es gibt ganz neue Anbieter und weitere, die vom Automobil- in den Fahrradbereich gekommen sind. Das ist kein Zufall, denn Mittel für Wartung und Pflege können für den Fachhandel einen einträglichen Zusatzverkauf darstellen. Ein weiterer Grund für die neue Vielfalt in der Pflege ist wie bei vielen anderen Veränderungen im Radbereich: das E-Bike. Damit der »Pflegesektor« zum echten Gewinn für alle Beteiligten wird, kommt es für den Fachhandel darauf an, dass er ihn als wichtigen Bestandteil des After Sales »rund ums Rad« für Kunde und Kundin entsprechend in den Fokus stellt.
Einig sind sich die befragten Hersteller von Pflegeprodukten in der Einschätzung, dass ein höherpreisiges Produkt wie ein E-Bike auch von der Kundschaft als etwas betrachtet wird, um das man sich regelmäßig kümmern muss.
Doch was müssen speziell E-Bike-Fahrerinnen und Fahrer bei der Pflege ihres Rads besonders beachten?, fragten wir bei Pflegemittel-Herstellern. Gibt es da wirklich einen Unterschied zum unterstützungsfreien Fahrrad? »Bei der Reinigung von Elektrofahrrädern sollten spezielle, für Elektronik geeignete Reinigungsmittel verwendet werden, um Feuchtigkeitsprobleme zu minimieren«, erklärt Moritz Vock, der beim Vertreiber Grofa für die Pflegemarke Finish Line zuständig ist. »Sensoren und Anzeigen müssen außerdem frei von Verschmutzung sein, um eine korrekte Funktion zu gewährleisten.« Und die Kettenpflege am E-Bike? Hier verweist mancher Hersteller auf die höheren Kräfte, die im E-Bike auf den Antrieb wirken. Manche, wie Finish Line oder Dr. Wack begegnen dieser Anforderung mit einem speziellen E-Bike-Kettenöl.
Tatsächlich gibt es heute vielfältige Produkte speziell für E-Bikes. Thorben Kriener von Sports Nut, dem Vertreiber von Muc Off, verweist auf ein mittlerweile breites E-Bike-Pflegesortiment sowohl in Schmierung als auch in Reinigung und Versiegelung von Oberflächen.

Und wie oft putzen Ihre Kunden Ihr E-Bike?

Grundsätzlich sollte man den Kunden und Kundinnen klar machen, dass die eigenen Fahrgewohnheiten und die Art des Einsatzes die Pflegehäufigkeit beeinflussen. Wo mehr Dreck, da mehr putzen. Natürlich ist das persönliche Empfinden, aber auch die Art und Häufigkeit der Nutzung des Rads von Belang, sagt Martin Buchta von Messingschlager, die mit Motul ein breit angelegtes Pflegeprogramm vertreiben, das sowohl für E-Bikes als auch für Fahrräder geeignet ist. Auch was die Art der Verschmutzung angeht, sollten Händler durchaus Unterschiede erklären: »Vogelkot etwa ist sehr aggressiv und sollte schnell beseitigt werden.« Buchta verweist auf eine Besonderheit bei der Kettenpflege. »Nicht mit scharfen Reinigern säubern, um eine komplette Entfettung zu vermeiden.« Lars Hellsten von Pedro‘s Europa ist der Meinung, dass es nicht nötig ist, seperate E-Bike-Pflegemittel anzubieten. Aber natürlich gibt es für ihn auch Unterschiede in der der Häufigkeit von Pflege, »beim Pendlerfahrrad reicht es vielleicht, wenige Male im Jahr zu pflegen, während das Rennrad im Renneinsatz nach jeder Fahrt« gepflegt werden sollte.

Reinigen und Warten: Diese zwei Faktoren können in den nächsten Jahren stark zum After Sale beitragen.

Bei Hanseline geht man sogar noch weiter. Jan Gesset rät zum kurzen Reinigen der Kette nach jeder Ausfahrt mit Kettenreiniger. Danach muss neues Schmiermittel aufgetragen werden. Die Sekunden für diese Extramühe holt der Rennradler dann bei der nächsten Ausfahrt wieder rein.

Milde walten lassen bei Kunststoffen und Carbon

Die Pflege von Materialien wie Kunststoffen und Carbon erfordert spezielle Vorgehensweisen und nicht zu aggressive Reinigungsmittel, die zusammen mit einer weichen Bürste oder einem Schwamm verwendet werden, so Moritz Vock von Grofa. Grundsätzlich sollte man besonders bei empfindlichen Materialien auf Hochdruckreiniger verzichten. Bei Finish Line empfiehlt man außerdem eine Schutzpolitur nach dem Putzen, um Carbon-Rahmen vor UV-Strahlung zu schützen.
Wichtig ist, empfindliche Materialien mit einem Mittel zu reinigen, das den Schmutz, aber nicht alles Fett entfernt. »Damit wird die Oberflächenspannung verringert, die Materialien trocknen aber bei solchen Reinigern wie unserem Green Fizz nicht aus«, so Lars Helllsten von Pedro‘s. Für die Kette allerdings schwört er auf reine Entfetter.
Ein spezieller Reiniger für die Kunststoffe am Rad? Diese Frage beantwortet Björn von Dressler von Tunap Sports so: »Die meisten Reiniger sind auch für Kunststoffe geeignet, gerade wenn die Rahmen lackiert sind. Wichtig ist, darauf zu achten, dass keine Buntmetalle angegriffen werden.«
Grundsätzlich zählt Tunap Sports, vertrieben von MCG Parts, zu den Marken, die auf eine breite Anwendbarkeit ihrer Produkte setzen, weniger auf ein breites Angebot mit speziellen Lösungen für die Pflege jeder Komponente. Man findet das Pendant zu dieser Strategie auch bei anderen Unternehmen im Pflegemittelbereich, etwa bei Finish Line, wo es sogar spezielle Reiniger für Klickpedale gibt, wie Moritz Vock bestätigt. Allzweckreiniger empfiehlt auch Svenja Kohnke von Bike
Components, wo die Pflegelinie
Toniq vertrieben wird.

Fokus auf Nachhaltigkeit

Fragt man Kohnke, Operations Manager Own Brand, nach dem Fokus, den die Pflegeserie Toniq im Blick hat, fällt als Erstes der Begriff »Nachhaltigkeit«. »Von der Wertschöpfungskette angefangen über die Transportwege bis zu Nutzung und Zweck.
Wir produzieren in Europa, aus 100 Prozent nachwachsenden Rohstoffen, und füllen unsere Produkte in rPET-Verpackungen«, erklärt sie, also recyceltes PET. Das Putzen selbst ist ein Akt der Nachhaltigkeit. Grundsätzlich gilt: Ein gut gepflegtes Fahrrad oder E-Bike ist an sich deutlich nachhaltiger als ein ungepflegtes, denn tendenziell hält
es länger. Ähnlich sieht man es bei Pedro‘s. Dort will man Produkte vermarkten, die effizient wirken und möglichst gesundheits- und umweltschonend sind. Hanseline bemüht sich, die Breite des Sortiments noch weiter auszubauen und bietet seit Kurzem mit Dichtmilch für Tubeless-Reifen auch Mittel jenseits der reinen Pflege und Wartung an.

Umweltschutz als Kaufargument

Bei gänzlich neuen Marken wie Split Second, ist, wenig verwunderlich, Nachhaltigkeit ebenfalls Teil des Basiskonzepts. »Es ist ein klares Verkaufsargument«, erklärt Jens Dürr. »Unsere Bioprodukte sind nicht nur biologisch abbaubar, die Inhaltsstoffe sind auch pflanzenbasiert«, so der Sales Manager des Unternehmens.
Eine gerne genannte Einschränkung dabei lautet, dass nachhaltige Pflegeprodukte heute teilweise noch nicht auf dem Performance-Niveau von Standardprodukten seien. Die Inhaltsstoffe seien mitunter aufgrund von geringerer Aggressivität weniger effizient im Kampf gegen den Schmutz. Die allgemeine Einschätzung lautet, dass selbst wenn dies noch der Fall ist, es nicht allzu lange so bleiben wird. Ein Beispiel für einen lange schon praktizierten, wirkungsvollen und dabei nachhaltigen Inhaltsstoff sind Zitrusextrakte im Entfetter.
Tatsächlich fragen Kunden und Kundinnen in allen Bereichen nach umweltschonenden Produkten, und immer mehr bezieht sich das auch auf die Herstellung der Produkte.
Finish Line etwa kann auf eine Produktion verweisen, die mit Solarenergie betrieben wird, Hansaleine auf die Herstellung am Standort Deutschland.
Auch in Sachen Verpackung hat sich viel getan. Immer mehr Hersteller verzichten auf Umverpackungen. »Ein Nachfüllen zum halben Preis der Endverbraucher-Flasche lässt den Kunden wiederkommen und begünstigt außerdem ein grünes Image«, weiß man bei Grofa. Dort ergänzt ein komplettes Biosortiment an Schmier- und Reinigungsmitteln den Nachhaltigkeitssektor der Produktpalette.

Mehr putzen, länger fahren

Aber wie bringt der Fachhandel seine Kunden und Kundinnen dazu, mehr zu putzen? Viele Wege stehen offen. Zunächst spricht man bei Dr Wack vom »Aufklärungsauftrag«, den insbesondere die Werkstatt hat. »Bei Inspektion und Reparatur muss auf die Pflege hingewiesen werden«, so Rafael Longhi. Mit dem Hinweis auf erhöhten Verschleiß sollten Kunden und Kundinnen motiviert werden, so auch Thorben Kriener vom Muc-Off-Vertrieb.

Grün, bio, nachhaltig: Auch in der Pflege wird der sorgsame Umgang mit Umwelt und Zukunft immer wichtiger – und ein Verkaufsargument.

Auf die Möglichkeit, vor Ort im Fachhandel Pflegemittel auszuprobieren, verweist man bei Messingschlager.
Klar ist: Der Fachhandel soll gezielt das Gespräch mit dem Radfahrenden auf die Pflege lenken, sagt man auch bei Hanseline. Dabei ließen sich auch Kniffe anbringen, die grundsätzlich eine höhere Lebenserwartung der Komponenten sichern, wie etwa den Schlauch mit Talkum zu bestäuben. Gerade bei Radfahrenden, die Basisarbeiten selbst durchführen können, trifft man damit auf offene Ohren.

Kundenbindung per Pflege-Aufklärung

Für ganz unbedarfte Radfahrende können Veranstaltungen wie Schulungen oder die Vorführung der praktischen Anwendung von Pflegeprodukten vor Ort beim Fachhandel erfolgreich sein. Auch SMS-Erinnerungen an die Stammkundschaft, das Rad zu reinigen, etwa nach einer Schlechtwetterperiode, oder einem festen Rhythmus, sind laut den Herstellern ein geeignetes Händler-Tool, um Fahrradfahrende zu mehr Pflege zu motivieren. Wo die Hemmschwelle sinkt, sich mit dem eigenen Fahrrad zu beschäftigen, steigt am Ende auch die Nutzung des Rads. Klare Worte sind gefragt: »Wir informieren unsere Kunden einfach darüber, dass ein sauberes und gepflegtes Fahrrad schneller und sicherer fährt«, so Hellsten von Pedro‘s. Ein Tipp von Finish Line: »Bei jeder Inspektion dem Kunden eine kleine Flasche Kettenöl mitgeben«. Aber spielt sich der Händler oder die Händlerin bei einer vorbildlich pflegenden Kundschaft nicht selbst an die Wand?
Sicher: Wer sein Rad gut pflegt, landet meist seltener in der Werkstätte. Trotzdem ist es sinnvoll für den Fachhandel, offen zu argumentieren. Denn »durch ehrliche und authentische Beratung fühlen sich Kunden besser aufgehoben. Sie erkennen, dass sie durch die Investition in Pflegemittel einen starken Gegenwert bekommen.« So hat, laut Svenja Kohnke, der Fachhandel mit dem Pflegemittel und der Kommunikation dazu auch ein wirkungsvolles Instrument zur Kundenbindung.
Und natürlich ist auch der soziale Zugang zu seinen Kunden und Kundinnen mit gemeinsamen Aktivitäten äußerst hilfreich. Apropos: Auch der Pflegemittelkauf kann nachhaltig organisiert werden und bei der Kundenbindung wirksam sein, wenn zum Beispiel das Kettenöl-Fläschchen im Fachgeschäft wieder zum günstigen Preis aufgefüllt statt weggeworfen wird. //

25. Oktober 2023 von Georg Bleicher

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