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»Tausche Fahrrad gegen Sendeplatz«
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Report - Sponsoring

»Tausche Fahrrad gegen Sendeplatz«

Sponsoring ist auch in der Bike-Branche keine neue, aber eine immer mehr praktizierte und sehr vielfältige Methode des Marketings. Was unternehmen Bike-Hersteller in dieser Hinsicht – und warum?

Sponsoring-Aufwendungen machen heute, vor allem bei Firmengrößen ab dem Mittelständler, einen nicht unerheblichen Prozentsatz des Marketing-Budgets von Unternehmen aus. Jedem fallen sicher zunächst weltweit agierende Konzerne wie Coca Cola oder gängige Bier- und Süßigkeiten-Marken ein, die seit Jahrzehnten Sponsoring betreiben. Beim Fußball, der mit Abstand populärsten Sportart in Deutschland, ist die Präsenz von Sponsoren vielleicht am stärksten und längsten verankert: Für den Marken­namen auf dem Trikot oder gar dem Heimstadion werden enorme Summen investiert. Laut Statista stiegen die Ausgaben für Sport-Sponsoring in Deutschland von 2009 bis 2016 von 2,6 auf 3,5 Milliarden Euro an – eine Steigerung von 34 Prozent in sieben Jahren. Das Kultur-Sponsoring dagegen befand sich 2016 am Eingangswert von 0,3 Milliarden Euro. Für Sponsoring insgesamt sollen 2015 etwa 5,2 Milliarden Euro ausgegeben worden sein.
Beispiele für diese klassische Art von Sponsoring gibt es schon lange auch in der Bike-Branche, doch hier ist mit der wirtschaftlichen Dynamik der letzten Jahren eine deutliche Entwicklung nach oben zu beobachten – auch wenn konkrete Zahlen von den entsprechend aktiven Unternehmen nicht genannt werden. Ein gutes Beispiel für starke Sponsoring-Aktivitäten ist Abus. Auch das Familienunternehmen betreibt seit vielen Jahren Sponsoring, früher vor allem bezogen auf kleinere Radsport-Teams, damals zum Beispiel für Team Sparkasse. Doch »wir haben gemerkt, dass unsere Produkte, sprich: die Helme im hochprofessionellen internationalen Bereich nicht dieselbe Akzeptanz wie in Deutschland haben«, schilderte Martin Böckelmann, Activation Manager Sponsoring bei Abus. Die Orien­tierung führte über die Jahre also zu bekannteren, wichtigeren Profi-Teams. Mit Bora hatte man schon ein GS2 Team als Partner, seit Januar 2017 fährt Abus nun bei den ganz großen mit: mit Movistar, dem Team von Nairo Quintana und Alejandro Valverde, der gerade die Katalonien-Rundfahrt gewonnen hat. »In der Vergangenheit hat man Material zugeschickt und einen Scheck ausgestellt«, erklärt Torsten Mendel, Marketing-Manager Mobile Security beim Unternehmen. »Heute geht es um die Antwort auf die Frage: ›Wie können beide Seiten möglichst gut von der Partnerschaft profitieren?‹« Herz der Sponsor-Partnerschaft ist in diesem Fall sicher auch das Produkt: Das Team wird mit den Helmen von Abus ausgestattet, die natürlich deutlich gelabelt sind. »Natürlich wird auch ein Geldbetrag gezahlt«, erklärt Böckelmann. Doch dafür gibt es neben der Medienpräsenz des Labels auch einen weiteren Return: »Ein ganz wichtiger Faktor ist das Feedback der Teams. Die Leute haben ja den Helm sechs Stunden auf, die können einiges dazu sagen«, so auch Mendel. »Mittlerweile ist das ein entscheidender Faktor bei der Helmentwicklung.« Das »Feedback« meint nicht einfach nur gelegentliche Gespräche: In detailliert konzipierten Fragebögen werden viele Punkte abgeklopft, die helfen sollen, den Komfort, Sitz oder die Sicherheit des Helms zu verbessern.

Wie viel ist Sponsoring wert?

Wie viel bringt es den Unternehmen, Sponsoring-Verträge mit Vereinen oder Sportlern abzuschließen? Es gibt unterschiedliche Verfahren, das zu berechnen. Bei der Medienanalyse wird genau festgehalten, wie häufig ein Markenname zum Beispiel bei der Fernsehübertragung oder auf anderen Kanälen auftaucht. Was dabei ausgerechnet wird, ist der sogenannte Medien-Equivalenzwert. »Wir können bei unseren Investitionen von einem Faktor 1:4 ausgehen«, erklärt Mendel. Der Effekt eines solchen Sportsponsorings ist also – rein rechnerisch – viermal so viel wert wie der Input.
Und natürlich gibt es noch jede Menge Synergie-Effekte, wird Sponsoring breit aufgestellt. »Denn das findet nicht nur im Fernsehen statt – schließlich arbeiten wir auch über die Website, möglicherweise über den POS, über Aufkleber und so weiter«, so Böckelmann.

In der zweiten Reihe fahren Sie tubeless

Auch der Reifenhersteller Schwalbe stattet 2017 ein Spitzenteam aus: das Team Astana. Allerdings nicht mit der neuen Tubeless-Technologie: »Die Zweite- und Dritte-Kategorie-Mannschaften sind eher den Innovationen zugeneigt«, sagt Public-Relations-Managerin Doris Klytta. Etwa das irische Pro Continental Team Aqua Blue Sport oder die Mannschaft Cycling Academy aus Israel. »Wir versuchen grundsätzlich langfristige Bindungen einzugehen, doch das ist nicht immer möglich.« Wechselt etwa der Partner den Laufrad-Sponsor, kann es sein, dass auch der Reifensponsor gewechselt wird.
Aber auch Einzelpersonen werden gesponsert: seit vielen Jahren zum Beispiel die Vorzeige-Mountainbikerin Sabine Spitz. »Egal, um welches Sponsoring es sich handelt, wir haben immer enorm viel Austausch über die Technik – erst so macht Sponsoring für uns Sinn.« So kann es zum Beispiel sein, dass ein Fahrer bestimmte Wünsche bezüglich des Reifenprofils hat, weil ein Rennen über spezielle, technisch anspruchsvolle oder ungewöhnliche Routen führt.
Auch Verbände werden gesponsert, zum Beispiel der altehrwürdige Sächsische Radfahrer-Bund. Nicht zu vergessen der Behindertensport: Schwalbe ist Ausstatter des Handicap-Nationalteams.
»Auch im sozialen Bereich wollen wir aktiv bleiben«, so Klytta, »zum Beispiel bei der Regenbogenfahrt der deutschen Kinderkrebsstiftung. Außerdem unterstützen wir den World Bicycle Relief.« Und auch der Handballverein VFL Gummersbach profitiert vom Sponsoring. »Hier ist es einfach auch ein regionales Engagement«, so Klytta – wir wollen helfen, den VFL in der Liga zu halten.« So heißt das Stadion in Gummersbach Schwalbe Arena.
Die Ziele für das regionale Sponsoring? Der Bekanntheitsgrad ist schließlich gesichert. Einen – vielleicht überraschenden – Ansatz neben der Förderung der Region erklärt Klytta so: Schwalbe wächst immer weiter, aber es sei nicht einfach, potenzielle neue Mitarbeiter von den Vorzügen des Bergischen Lands beziehungsweise des westlichen Sauerlands zu überzeugen. »So ist das unter anderem auch ein Mittel für das Personal Recruitment.«
»Sponsoring sollte immer so passen, dass man eine enge Beziehung aufbauen kann. Erst bei längeren Verbindungen wird Vertrauen aufgebaut; die Schnittstellen – in unserem Fall zum Beispiel die Mechaniker – sind hier besonders wichtig. Wenn ein Vertrauensverhältnis vorhanden ist, dringt beispielsweise nichts nach draußen, was dort nicht hinsollte. Logo-Sichtbarkeit ist wichtig, aber die Materialentwicklung steht schon im Vordergrund«, so Klytta weiter, die selbst Profirennfahrerin war. »Ohne Sponsor-Partner im Sport erfährt man gar nicht von bestimmten praktischen Problemen – und deren Lösungen; und die Produktmanager haben so ihren Finger immer am Puls der Zeit.«

Das Beste oder nichts?

Aus dem Sponsoring in der obersten Radsport-Liga zurückgezogen hat sich Derby Cycle mit Tochter Focus. »Natürlich sind wir noch aktiv im Sponsoring tätig«, bekräftigt Martin Schamböck, Brand Manager für die Marke. »Aber in puncto AG2R haben wir unser Engagement eingestellt.« Bei seinen Sponsor-Aktivitäten geht es Focus vor allem um Markenbekanntheit und Imageförderung. »Da wir uns auf sehr hochwertige Rennräder konzentriert haben, müssen wir uns in der Pro-Tour-Kategorie etablieren; wenn wir im ZDF eine Etappe gewinnen, dann erreichen wir nicht nur mehr Markenbekanntheit, sondern auch weltweite Glaubwürdigkeit«, so Schamböck. »Den Effekt stellten wir durchaus fest, als AG2R 2014 die Mannschaftswertung gewann.« Natürlich zählt auch hier: Der Sponsor muss zum Team passen und umgekehrt. Der Hauptsponsor AG2R passte aber auf Dauer nicht zum Radhersteller. »Und der Haupt­sponsor hat natürlich größeren Einfluss auf das Team als wir als Mate­rialsponsor«, so Schamböck. »Wenn sich die Interessen nicht decken, macht es für uns wenig Sinn. Wenn wir die Ausrichtung eines Teams nicht mehr verstehen, müssen wir überlegen, ob die Kosten für uns nicht zu hoch sind dafür, was letztendlich herauskommt. Dann engagieren wir uns lieber mit einem kleineren Team, auf das wir mehr Einfluss haben, mit dem die Zusammenarbeit beiderseitig Erfolg bringt.«
Focus ist heute beim Thema MTB und Cyclecross stark vertreten. Zusammen mit dem sehr erfolgreichen hauseigenen Focus Cross Country-Team und dem Trial Team werden Räder weiterentwickelt. Der deutsche Enduro-Meister Fabian Scholz, ist zugleich Entwickler bei Focus. Sicher auch für den Hersteller eine gute Kombi. »Wichtig ist für uns immer die Geschichte. Eine Geschichte des Fahrers muss authentisch auch die von Focus sein. So funktioniert die Emo­tionalisierung eines Produktes. Am Beispiel eines Image-Films mit Focus Cyclecross-Teamfahrer Joe Connell sieht man, wie breit Sponsoring angelegt werden kann – wenn es eine überzeugende Performance gibt. Connell besticht in einem Video auf seinem Mares durch einen leichtfüßigen Tanz über wellige, sandige Trails. Das Video kann im Internet angeschaut, aber auch beim Händler neben dem Produkt abgespielt werden.

Flughöhe bringt Erfolg: ­Gravity

Rose Bikes ist als Versender mehr als Unternehmen mit klassischer Händlerstruktur auf Marketing-Maßnahmen, sprich, auch auf Sponsoring bedacht. Im Downhill-Bereich hat man mit Christian Junker einen Deutschen Meister unter Vertrag im Team »Rose Factory«, die Engländerin Katy Curd wird als eine der besten Fahrerinnen überhaupt gehandelt. Prominent ist auch der Kanadier Anthony ­Messere, ein Freestyler.
Im Rennrad-Bereich ist man, nach Auflösung des Pro Continental Teams Stölting dazu übergegangen, kleinere Teams zu unterstützen beziehungsweise sich dem Nachwuchs zu widmen – etwa mit dem UCI-Continental-Team Rad-Net.
»Das ist auch der Philosophie von Erwin Rose geschuldet: Jungen Athleten muss man mit Material helfen, sich weiterzuentwickeln«, erklärt Anatol Sostmann, Marketingleiter von Rose Bikes. »Wir stecken keine Millionen in Tour-de-France-Teams, sondern helfen an der Basis, den Nachwuchs zu fördern – wie auch das Team Rose NRW, die Bundesliga-Landesverbandsauwahl der Junioren im Bundesland.« Auch ein Jedermann-Team steht auf der Liste. Bei letzterem fließt kein Geld, Sponsoring bedeutet hier vor allem, günstiger an Material zu kommen, anders als bei den Junioren.
Bei den Mountainbikern sind es allem voran die Reisekosten, die das Budget ausmachen, die Gehälter sind hier eher marginal.
Den Wert des Sponsorings zu messen ist natürlich grundsätzlich sehr schwierig, so Sostmann. Nicht vergessen dürfe man, dass hinter jedem Engagement auch ein Budget steckt – niemals nur Material, auch die eigenen Ressourcen werden eingespannt.
Natürlich ist auch bei Rose die enge Zusammenarbeit und das Feedback der Fahrer zu technischen Veränderungen ein absolutes Muss. Athleten tragen langfristig dazu bei, die Technik immer wieder zu verbessern.
Schließlich ist auch das jeweilige Image des gesponserten Bereiches ­ausschlaggebend: »Gravity hat eine enorme Strahlwirkung! Da kommt es zu vielen Transfer-Effekten.« Die Zuschauer im Gravity-Bereich etwa, von denen viele keine aktiven Radsportler sind, denken beim Kauf ihres nächsten Trekkingrads vielleicht an die Marke Rose.

Wohin weiter?

Sponsoring hat sich in den letzten Jahren verändert: Die Anforderungen an einzelne Sportler sind heute weitreichender. »Die Selbstvermarktung der Sportler ist nicht mehr wegzudenken«, erklärt der Rose-Manager. »Man erwartet Marketing in eigener Sache, und dass der Fahrer seine Social Media aus dem FF beherrscht – und praktiziert. Natürlich müssen die Leute authentisch sein und damit das Produkt verkaufen. Die sportliche Leistung ist immer noch das A und O.«
Doch Sponsoring wandelt sich auch in diesem Sinne – unter anderem durch das Internet, durch die massiv vereinfachten Kommunikationsmöglichkeiten der letzten Jahrzehnte: »In vielen Bereichen gibt es heute Leute, die gut aussehen bzw. ein gutes Auge für Fotografen haben, ohne beispielsweise als Sportler aktiv zu sein.«
Dieses Influencer-Marketing scheint sich auch im Sportbereich, wenn auch langsamer als etwa in der Modewelt, seinen Anteil zu erobern. »Heute kommen die Leute oft auf dich zu«, erklärt Sostmann. »Ich muss gar nicht fahrradfahren können, um Markenbotschafter zu sein – es genügt, überzeugend aufzutreten und ein Händchen für die fotografische Wirkung zu haben.« Das automatische Marketing – Sponsoring der nächsten Generation?

Sponsoring

{b}Das Gabler Wirtschaftslexikon liefert eine Kurzbeschreibung des Begriffs: »Im Sport, bei kulturellen Ereignissen sowie im ökologischen, sozialen und medialen Bereich werden gezielt Personen, Projekte, Institutionen und audiovisuelle Programme unterstützt sowie eigene Veranstaltungen initiiert, um Teilnehmer und Zuschauer mit Kommunikationsabsichten von Unternehmen zu konfrontieren. Durch Sponsorships werden Ereignisse, die im Fokus des öffentlichen Interesses stehen und folglich Resonanz in den Medien finden, in die Kommunikationsarbeit von Unternehmen einbezogen, um kommunikative Wirkungen zu erzielen.«
Heißt: Der Schriftzug, das Logo, ein Slogan oder ein sonstiger wiedererkennbarer und dem Unternehmen zuzuordnender Bedeutungsträger – das kann auch ein akustischer sein – wird gegen Geld- oder Sachwerte eingetauscht. Beliebt sind bei kleineren Unternehmen vor allem regional wirksame Sponsoring-Projekte wie der Unternehmensname auf den Trikots des örtlichen Radsportvereins oder der Ausstattung einer karitativ angelegten Selbsthilfegruppe.{/b}

10. April 2017 von Georg Bleicher
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