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Mit dem Verkauf von Fahrrädern und Zubehör bestreiten Schweizer Fahrradhändler laut GFK-Studie im Schnitt 60 % ihres Umsatzes.
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Welche Zukunft hat der Fachhandel?

Studie zum Schweizer Velofachhandel wirft Fragen auf

Der Schweizer Velofachhandel ist vom Aussterben bedroht, heißt es immer wieder. E-Commerce, Grossisten und Einkaufstourismus sind das Todesurteil für die Velofachgeschäfte. Was ist daran wahr? Das Schweizer Fachmagazin Cyclinfo macht in der aktuellen Ausgabe den Versuch einer Bestandsaufnahme.

Mit dem Verkauf von Fahrrädern und Zubehör bestreiten Schweizer Fahrradhändler laut GFK-Studie im Schnitt 60 % ihres Umsatzes.Die Mehrheit der Schweizer Fahrradhändler hat laut GFK-Studie drei bis fünf Velomarken im Sortiment.Nur einer von zehn Fahrradhändlern in der Schweiz hat keinen Internet-Auftritt.

Der Veloladen des Vertrauens schließt endgültig. Ein entsetzlicher Gedanke. Ein Leben lang hat man sich dort Velos und alles rund herum besorgt. Vor drei Jahren veröffentlichte die Basler Zeitung einen Artikel, der glauben machen konnte, der Velofachhandel in der Schweiz sterbe demnächst aus. Die Branche stehe am Abgrund, 2012 sei das schlechteste Geschäftsjahr seit 70 Jahren gewesen, zitierte die BaZ zwei Basler Fachhändler. Schuld seien der zunehmende Einkaufstourismus, die allgemein schwierige Wirtschaftslage sowie die allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber dem einheimischen Gewerbe. Zusätzlich grüben dem Fachhandel verstärkt Warenhäuser und Internethändler das Wasser ab. Aufgrund all dieser Entwicklungen litten die Velofachhändler
zunehmend unter erhöhtem Margendruck. Der Artikel ist – notabene – zwei Jahre vor der Aufhebung des Mindestkurses durch die Nationalbank erschienen.

Doch wie schaut es heute aus? Wie in Zukunft? Kaufen wir unsere Velos in absehbarer Zeit beim Grossisten oder gar nur noch vom Sofa aus im Onlineshop? Wo bestehen Risiken und Herausforderungen, wo Chancen? Der Verband der Schweizer Fahrradlieferanten Velosuisse wollte es genau wissen und gab dem Marktforschungsinstitut GfK den Auftrag, verlässliche Kennzahlen zum traditionellen Velofachhandel
zu erheben.

Untersucht wurden Fachhändler, die mehr als 100.000 Franken Umsatz mit dem Verkauf von neuen Velos, Zubehör und/oder Service, Reparaturen wie auch der Vermietung von Fahrrädern generieren und damit mehrwertsteuerpflichtig sind. Gemäss dieser Eingrenzung gibt es in der Schweiz laut GfK 1095 Velofachhändler. Umsatzschwächere Betriebe wurden nicht untersucht. Die Studienmacher schlossen auch explizit Warenhäuser und Großverteiler wie Migros, Discounter wie Aldi, Baumärkte wie Jumbo oder Landi, Sportfachhändler wie Athleticum oder Ochsner Sport, Internetverkäufer wie Amazon oder Galaxus sowie Distributoren und Tauschhändler wie Ricardo oder Ebay aus.

Mittels eines nach Sprachregion gewichteten Stichprobeverfahrens wurden 126 Fachhändler während rund 20 Minuten am Telefon befragt. Dabei wurden 83 aus der Deutschschweiz und 43 aus der Romandie berücksichtigt.

Das beschäftigt die Fachhändler

Das größte Wachstumspotenzial sieht die überwiegende Mehrheit der befragten Fachhändler im Elektrovelo-Segment. Dabei attestieren sie dem E-Mountainbike die besten Zukunftsaussichten, vor den gewöhnlichen
Elektrovelos mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 25 km/h und den schnellen Modellen, die bis 45 km/h Unterstützung liefern. Kopfschmerzen bereiten den Händlern laut der Erhebung in absteigender Reihenfolge Online-Einkäufe, sinkende Margen, Auslandseinkäufe, Großmärkte, Wechselkursschwankungen und personelle Nachwuchsprobleme.

Branche diskutiert Ergebnisse

Gemäß Studie haben die Fachhändler 80 Prozent Marktanteile inne. Aber wie aussagekräftig sind die Resultate dieser Untersuchung? Kann man aufgrund von relativ spontanen Antworten von 126 Befragungen auf die Gesamtheit der Händler oder gar des Markts schließen? Laut Kurt Meister, Senior Market Manager bei GfK, ist das erklärte Ziel der Untersuchung nicht, "den Markt bis auf die Kommastelle genau kennen zu wollen", sondern mittels der Erhebung verlässliche Trends zur Marktgröße zu errechnen. Die Resultate der Telefonumfrage seien mit den von Velosuisse jährlich erhobenen Lieferantenzahlen verglichen worden und hielten somit gut stand. Weiter zeige "die Erfahrung mit Strukturanalysen anderer Branchen, dass mit einer genügenden Anzahl Interviews ein verlässlicher Trend generiert wird", so Meister. Er spricht dabei von einem Vertrauensbereich von 5 bis 7 Prozent.

Klar ist allerdings, dass mit der GfK-Analyse weder der gesamte Schweizer Velomarkt noch die Gesamtheit der Fachhändler abgebildet wird. Die Zahl von knapp 1100 Händlern steht im Kontrast zu den rund 1600 Fachhändlern, die Cyclinfo zugestellt erhalten. Mit böser Zunge kann man resümieren, dass ein Drittel des Fachhandels von der Studie ausgeblendet wurde.

Strukturelle Stärken des Schweizer Velofachhandels sind, so die Macher der Studie, die hohe Ladendichte sowie die Nähe zum Kunden. Gerade deswegen leisten die vielen kleinen Veloläden, die unter die 100.000 Franken Umsatzmarke fallen, einen großen Beitrag zu einem starken Schweizer Fachhandel. Und genau jenen Händlern trägt die GfK-Studie jedoch nicht Rechnung.

Zur ganzheitlichen Abbildung des Schweizer Velomarkts müsste man alle aktiven Player in die Betrachtung aufnehmen. Dazu gehören, neben allen Händlern, auch Grossisten, Sportartikelverkäufer, Onlineshops usw. Zusätzlich müssten die Anteile der Auslandseinkäufe in einer Studie berücksichtigt werden, die sich das Aufzeigen von Trends, Chancen und Gefahren für einen nationalen Markt auf die Fahne geschrieben hat. In der
Realität ist der Markt wesentlich größer, als es die Studienergebnisse weismachen.

Obwohl einige Branchenvertreter sowohl der Methodik der Studie wie auch den Resultaten skeptisch begegnen, wollten sich auf Anfrage von Cyclinfo nur wenige mit Namen dazu äussern.

Was ist zu tun, damit der Veloladen des Vertrauens seine Türen nicht endgültig schließt, weil er zum Beispiel unter "E-Commerce" nur Bahnhof versteht, dem Lieferantendruck nicht standhalten kann oder keine Nachfolgelösung findet? Der Verband könnte stärker für den nationalen Markt lobbyieren. Der Lieferant könnte mehr beraten und schulen. Und der Händler müsste stets mit der Zeit gehen und sich Neuerungen nicht verschließen.

Weitere wichtige Eckdaten:

  • 50% der Händler beschäftigen 1–2 Mitarbeiter, 21% mehr als 5, der Durchschnitt liegt bei 3.3
  • 43% bilden aktuell mindestens 1 Berufslehrling aus
  • Der durchschnittliche Jahresumsatz pro Jahr und Händler beträgt CHF 650’000, 53% setzen weniger als CHF 500.000 um
  • Durchschnittlich verkauft ein Händler pro Jahr 198 Velos
  • 850 Händler führen Elektrovelos
  • 5% der Händler sind Mitglied einer Einkaufsorganisation, ein Drittel ist interessiert
  • Die Studie schätzt das gesamte Marktvolumen auf CHF 720 Mio.
  • 9 von 10 Händlern sehen Potenzial, den Ertrag ihrer Werkstatt in Zukunft zu steigern
19. Februar 2016 von Dominic Redli

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