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velobiz.de-Herausgeber Markus Fritsch (Mitte) diskutierte mit (von links) Georg Honkomp (ZEG), Heiko Müller (Riese und Müller), Thomas Schwerdtner und Claus Fleischer (Bosch) über die Zukunft der Branche.
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Podiumsdiskussion auf Vivavelo Kongress

In welche Zukunft steuert die Fahrradbranche?

Am Ende des Kongresses Vivavelo, der letzte Woche in Berlin stattfand, stand eine spannende Podiumsdiskussion zur Zukunft der Fahrradbranche auf dem Programm. Die Teilnehmer waren sich einig, dass Industrie und Handel gut aufgestellt sind – wenn sie die Herausforderungen meistern, die insbesondere die fortschreitende Digitalisierung stellt.

Auf dem Podium begrüßte Moderator Markus Fritsch, Herausgeber des velobiz.de Magazins, die Diskussionsteilnehmer: Thomas Schwerdtner, ehemaliger Inhaber des Fürther Fahrradgeschäfts Zentralrads, Claus Fleischer, Geschäftsleiter von Bosch eBike-Systems, Heiko Müller, einer der Gründer und Geschäftsführer von Riese und Müller, sowie Georg Honkomp, Vorstandsvorsitzender der ZEG.

Moderator Fritsch eröffnet die Diskussion mit einem Zitat von Tennessee Williams: „Wer eine Prognose wagt, ist jemand, der in einem lichten Moment eine düstere Ahnung hat.“ Daran wollte sich das Podium nicht so recht halten und blickte durchaus positiv in die Zukunft. Das galt insbesondere für ZEG-Vorstand Honkomp, der konstatiert: „Die Situation des Fahrradfachhandels ist rosiger als vor zehn bis fünfzehn Jahren. Unsere Mitglieder haben viel investiert in die Läden, Werkstätten und Weiterbildung.“ Zumindest die ZEG-Geschäfte sieht er also gut aufgestellt. „Die Zukunft für den Einzelhandel sehe ich sehr positiv. Nicht nur wegen des E-Bikes. Der Stellenwert des Fahrrads in der Bevölkerung ist deutlich gestiegen.“

Nicht ganz so positiv fällt die Analyse des ehemaligen VSF-Händlers Schwerdtner aus, der maßgeblich an der Einführung des Veloconnect-Standards beteiligt war. Insbesondere auf der Kostenseite hat er negative Entwicklungen festgestellt: „In den letzten Jahren ist ein Trend zu beobachten, dass an vielen verschiedenen Stellschrauben gedreht wird, wodurch sich die Margen für den Einzelhandel verringern. Natürlich steigt der Durchschnittspreis für Fahrräder, aber damit steigt auch das Risiko. Betriebs- und Personalkosten erhöhen sich. Die wirtschaftliche Situation im Einzelhandel ist sehr unterschiedlich.“ Bosch-Manager Fleischer prophezeit gerade kleineren Fahrradgeschäften Probleme: „Im Handel sehe ich eine große Konsolidierungswelle hin zu größeren Flächen. Diese Geschäfte haben dann auch die Strukturen, um die kapitalintensive Weiterentwicklung mitzumachen. In strukturschwachen Gebieten beobachten wir häufig ein Nachfolgeproblem, wodurch häufig kleinere Geschäfte wegbrechen.“

Chancen und Herausforderungen durch Digitalisierung und Elektrifizierung

Die Digitalisierung der Handelslandschaft beschäftigt Hersteller und Händler gleichermaßen. „Wir müssen dringend auf den digitalen Wandel reagieren. Online und offline müssen viel mehr zusammenwachsen“, mahnt der ehemalige Händler Schwerdtner. „Die Aufgabe ist, dass sich Handel und Hersteller stärker vernetzen“, fügt Müller hinzu. „Durch die Digitalisierung sind Daten an vielen Stellen verfügbar. Das ist auch eine Chance.“ Die gelte es allerdings zu ergreifen. „Man muss als Händler bereit sein, das Fahrrad zum Kunden zu bringen. Die Funktionen des Handels, Service, Beratung und ein Probefahrt zu bieten, kann das Internet nicht in derselben Form bieten.“ ZEG-Vorstand Honkomp sieht seine Mitglieder auch hier auf einem guten Weg: „Der Internetanteil von 10 Prozent im Fahrradhandel wird nicht mehr allzu sehr wachsen, weil die Multi-Channel-Kompetenz der Fachgeschäfte steigt. Ein Fahrrad kann online verkauft werden, nur die Übergabe erfolgt dann durch den Fachhändler. Dieses Konzept verfolgen wir.“

Neben der Digitalisierung bewirkt auch der Siegeszug der E-Bikes Veränderungen in der Branche. „In Deutschland sind bereits jetzt 12,5 Prozent aller neu verkauften Fahrräder E-Bikes“, berichtet Bosch-Manager Fleischer. „In den Niederlanden sind es rund 25, in Belgien sogar knapp 30 Prozent. Ich bleibe bei meiner Prognose von vor zwei Jahren, dass in Deutschland mittelfristig, also bis 2020, 2022, jedes dritte verkaufte Rad ein E-Bike ist.“ Für den Handel stelle das Pedelec neue Herausforderungen, betont Schwerdtner. Und es lockt neue Marktteilnehmer an: „Der Fahrradmarkt, angetrieben durch das E-Bike, ist offensichtlich so interessant, dass es auch immer wieder Neugründungen im Handel gibt“, so Honkomp.

Flexibilität, Unternehmertum und gegenseitiges Verständnis

Fleischer, der auch den Automobilsektor kennt, fühlt sich auch deshalb in der Fahrradbranche jedenfalls wohl: „Im direkten Vergleich wirkt die Automobilbranche professioneller“, sagt er zwar. „Das Risikopotenzial eines Autos ist wesentlich größer als bei einem Fahrrad.“ Doch letztendlich fällt der Vergleich positiv für die Fahrradbranche aus. „Die Agilität, Flexibilität, Kreativität und das Chaotische sollten erhalten bleiben“, wünscht sich Fleischer. „Es ist unglaublich, wie viel Enthusiasmus und Unternehmertum zu beobachten ist. Immer wieder sprießen neue Marken aus dem Boden.“

Insgesamt sieht sich die Fahrradbranche für die wichtigsten Herausforderungen also gut aufgestellt. Das gelte insbesondere dann, wenn alle an einem Strang ziehen. „Das gegenseitige Verständnis kann größer sein“, sagt Müller zum Verhältnis von Herstellern und Händlern, zwischen denen die Grenzen ohnehin immer durchlässiger werden, wie das Beispiel ZEG oder auch die vielen Neugründungen zeigen. „Wir sitzen alle in einem Boot“, so das Fazit von Müller.

25. April 2016 von Oliver Bönig

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