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Ulbrichtkugel
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Besuch beim Technik-Konzern

Philips: Sicherheit und Qualität statt Captain-Future-Lösungen

Wenn Technologie-Konzerne in die Fahrrad-Welt einsteigen, ist eine der Herausforderungen, deren gewaltige Potenzial an den neuen Sektor anzupassen - wie derzeit bei Philips. Velobiz.de konnte sich vor Ort davon überzeugen, was Hightech im Elektronik-Bereich heute heißt.

UlbrichtkugelMatthias Hagedorndiverse Autoscheinwerferdiverse Rückleuchten und Scheinwerfer

Ein Unternehmen, das an einer nach ihm benannten Straße residiert, hat meist einiges an historischer Bedeutung vorzuweisen. An der Philipsstraße 8 in Aachen ist das nicht anders: Schon das Bungalow-große Pförtnerhaus und die schiere Größe des Areals zeigen, hier wird nicht gekleckert - auch wenn der Bike-Sektor bislang eine vergleichsweise kleine Nebenrolle spielt. Der weltweit agierende Philips-Konzern mit 120.000 Mitarbeitern in 100 Ländern verbuchte 2010 einen Umsatz von gut 22 Milliarden Euro. Die Produktrange reicht von medizinischen Geräten über Lichtquellen in allen möglichen Ausführungen bis hin zu Rasier- und Zahnpflegeartikeln. Und nun also auch: Fahrrad-Beleuchtung.
Doch so ganz neu ist das im Portfolio nicht: Schon 1935 begann Philips mit der Herstellung von Fahrradleuchten. In den letzten Jahren waren es dann Halogen-Glühlampen und LEDs, die das Unternehmen für Hersteller von Front- und Rückleuchten produzierte. Der Einstieg in den Bereich moderner Frontstrahler kam 2010 mit der Safe Ride LED: Das Vorderlicht liefert mit satten 80 Lux Lichtausbeute acht mal soviel wie vom Gesetzgeber verlangt (Sparmodus 20 Lux).

Aktive Sicherheit als Motivation

„Unser Zugang zur Herstellung eigener Bike-Beleuchtung ist dem Sicherheitsanspruch des Radfahrers geschuldet“, so Matthias Hagedorn vom Marketing bei Philips. „Wir haben festgestellt, dass sich mit der verstärkten Radnutzung eine wachsende Zahl der Radfahrer auf den Straßen unsicher fühlt und großer Bedarf an besseren Licht herrscht.“ Und den wolle man nicht der Konkurrenz überlassen. Was läge da näher, als die Erfahrungen aus der Herstellung von Autobeleuchtung wie dem Tagfahrlicht mit LEDs auch in den Bikesektor einzubringen? „Wir starten neue Produkte weniger von der technischen Seite her, sondern vom Verbraucher aus. Wir wollen den Straßenverkehr sicherer machen, egal für welche Gruppe.“ Dieser hehre Vorsatz hat Philips als Hersteller von Xenon-Beleuchtung für Fahrzeuge der Oberklasse immerhin zum Weltmarktführer gemacht. Am Bike sieht es noch etwas anders aus. Auch wenn die Technik hier absolut State of the Art ist. Kein Wunder, denn die Leuchtdioden sind dieselben wie im Auto-Sektor. Das Labor, in dem geforscht und getestet wird, auch. Was die praktische Umsetzung ganz speziell für den Biker betrifft, so sagt man bei Philips selbst, gilt es noch ein paar Hausaufgaben zu machen. Aber man sieht sich auf einem guten Weg.

Automotiv im Weltklasseformat

Beim kurzen Rundgang durch die Xenonlampen-Produktion für Kraftfahrzeuge – Philips ist zusammen mit Osram Weltmarktführer in diesem Bereich – kommt man aus dem Staunen kaum heraus. Der extreme Grad der Automatisierung und die zur Schau gestellte Perfektion verblüffen. Die komplett hinter Glas stattfindende Herstellung der Hightech-Lampen erweckt den Eindruck, dort wird alles von einer mächtigen übermenschlichen Hand koordiniert. Der Qualitätsstandard ist extrem: 0,00 Prozent fehlerhafte Produkte in der Auslieferung – eine Zahl, die allerdings bei Automotive fast schon selbstverständlich ist. Niemand will in dieser imageträchtigen Branche für Ausfälle oder gar Rückrufaktionen verantwortlich gemacht werden. Dokumentiert werden darf das Staunen leider nicht: Fotos sind nicht erlaubt.
Philips ist, auch was Kommunikation von Daten anbelangt, äußerst zurückhaltend. Es werden keine Produktionszahlen herausgegeben, weder im Automotive- noch im Bike-Bereich.

Schwarzmalerei für Fortgeschrittene

Das Labor für Scheinwerfer-Lichttests aller Art ist eine regelrechte Dunkelkammer. Alles Flächige ist schwarz gestrichen oder verhangen. Auf Gerüsten stecken Scheinwerfer jeglicher Art. Sie werfen den Lichtkegel gegen die Wand gegenüber, an der Linien wie etwa der Lichthorizont angebracht sind.
Für Fakten bezüglich Lichtstärke und ähnliche Messungen braucht es natürlich mehr. Dazu wird der Strahl vom oberen Laborraum aus durch eine Öffnung in der Wand und den dahinter liegenden Kanal auf die Reise geschickt. Er tritt auf einen 25 Meter von der Quelle entfernten Lichtsensor, wo alle relevanten Daten aufgenommen werden anhand deren zum Beispiel ein Diagramm des Lichtfelds erstellt wird. Das gilt auch für Bike-Beleuchtung. In besagtem oberen Labor befindet sich außerdem weiteres Hightech, etwa eine so genannte Ulbrichtkugel, in der sämtliches abgestrahlte Licht einer Quelle gemessen wird. Oder ein Goniometer, mit der zum Beispiel auch die Streuverteilung gemessen wird – alles nach den Normen der StVZO und der ECE, einer europäischen Normung für Kfz.

Bike-Bereich wird ausgebaut

„Wir wissen natürlich, dass die Anforderungen in den verschiedenen Segmenten der Fahrradnutzung unterschiedlich sind. Der Einstieg war im Bereich Alltagsrad mit verschiedenen batterie- und dynamobetriebenen Leuchten von 40 bis 80 Lux Leuchtkraft. In Zukunft will Philips für jede Art von Radfahrer das passende Licht bieten“, so Hagedorn. Speziell geht es um Lichtprodukte für Rennradler und Mountainbiker. Allerdings werden dazu derzeit noch keine konkreten Entwicklungen genannt.
Und er stellt klar: Die starke Kooperation mit dem Fachhandel ist für Philips absolut im Fokus. Da gibt es noch einiges zu tun für die „new Kids on the Block“, wie der Marketing-Manager die Philips-Bike-Abteilung selbst nennt. Der erste große Schritt in diese Richtung ist mit den Philips Testcentern getan: Diese Fachhändler stellen bis 31. März ihren Kunden eine Philips-Frontleuchte mit 80 Lux eine Nacht lang kostenlos zur Verfügung. Die teilnehmenden Händler, die dazu eine kostenlose Lampe und Info-Unterlagen für den Kunden erhalten, sind per Internet recherchierbar.
„Grundsätzlich wollen wir noch näher an den Kunden und seine Bedürfnisse ran“, so Hagedorn.
Und was bringt die technische Zukunft? „LED-Leuchten wie die derzeit verbauten Luxeon Rebel sind das Maß aller Dinge“, sagt Hagedorn stolz und verweist darauf, dass es in mittlerer Zukunft eher noch ein Anwachsen der Lichtleistung geben könnte. Laser-Fantasien und ähnliche Visionen sind dagegen reine Spekulation: „Für uns zählt Sicherheit mit höchstem Qualitätsanspruch statt Captain-Future-Lösungen!“

3. Februar 2012 von Georg Bleicher

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