Porträt - E-Bike Company
Alles auf Akku
Im Hamburger Stadtteil Barmbek, in unmittelbarer Nähe des Stadtparks, liegt das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs. Wo früher Züge rangierten, ist mittlerweile ein Areal entstanden, in dem rote Klinkerbauten Wohnungen, Büros und Geschäftsflächen beherbergen. Eine der Letzteren, im Erdgeschoss, mit hohen Schaufenstern rundum, ist das Domizil der eBike Company. Kaum durch die Tür in die hellen Räumlichkeiten getreten, befindet man sich mittendrin in einem Meer von E-Bikes, »Song 2« von Blur schrubbt aus den Boxen. So laut, dass ein spannender Kontrast zu den schnörkellosen Elektrorädern entsteht. Aber leise genug, um nicht zu stören: weder die Atmos-phäre, die in den nächsten Monaten mit einer Loungeecke für die Kundschaft noch angenehmer gemacht werden soll, noch die Möglichkeit, sich zu unterhalten, ohne schreien zu müssen.
Ob Edel-E-Bike zum fünfstelligen Preis (oben) oder die Pioniere im Kompaktrad-Segment, jede Marke ist aus einem guten Grund vertreten.
Denn unterhalten, das ist wichtig, in der Filiale in Barmbek, ebenso wie im schon länger existierenden Ladengeschäft im Hamburger St.-Georg-Viertel. Kein Kunde, keine Kundin wird lange zwischen den dicht geparkten E-Bike-Reihen stehen gelassen. Sofort huscht ein junger Mann mit Schlapphut und freundlichem Lächeln hinter dem mit dunklem Holz vertäfelten Tresen hervor, begrüßt den Gast und fragt genau nach: Wofür das E-Bike genutzt werden soll, wie lange die Strecken sein werden und alles, was man sonst wissen muss, um die Auswahl an Modellen einzugrenzen.
Die umfasst in der eBike Company zwei Handvoll Hersteller, und von denen steht mehr oder weniger das gesamte Sortiment im Laden. »So haben Kundinnen und Kunden die Auswahl zwischen tourentauglichen Rädern, Cityflitzern, Lasten-E-Bikes oder vollgefederten Modellen, wenn es ins Gelände gehen soll«, erklärt Sven Krüger diesen Ansatz. Er hat die eBike Company 2006 mit zwei Kompagnons gegründet, damals als Franchise-Konzept. Schnell existierten acht Ableger – aber kein Interesse seitens potenzieller Kundinnen und Kunden. Es war zu früh fürs E-Bike. Tatsächlich lagen die Verkaufszahlen für diese Fahrradgattung damals noch bei rund 100.000 Stück. Pro Jahr. Heute sind es gut 17-mal so viele.
Antriebshilfe? Nur am Bike
Doch statt aufzugeben, trennte sich Sven Krüger von seinen Mitgründern, löste die Franchises auf und begann noch mal von vorn. »Das ist mein Weitermach-Gen«, sagt er. Organisch zu wachsen, und zwar nur organisch, ist seitdem ein ebenso unverrückbarer Baustein des Unternehmenskonzepts wie die detaillierte Konfiguration des Wunschbikes am Bildschirm und die Testfahrt im nahe gelegenen Stadtpark.
Helle Räumlichkeiten, helles Köpfchen: Sven Krüger hat noch einige Ideen für seinen Barmbeker Laden.
Beim zweiten Anlauf warb der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann für sein Unternehmen und fürs elektrifizierte Radfahren, indem er Kreuzfahrtschiffe mit E-Bikes ausstattete: »Reisende sind entspannt und haben keine Angst, sich zu blamieren, weil sie sich in einem Umfeld bewegen, in dem sie keiner kennt.« Das Konzept ging auf, mittlerweile beschäftigt die eBike Company 17 Mitarbeitende.
»Einzelhandel wird auch schnell zur Selbstausbeutung.«
Sven Krüger
Dass Sven Krüger den Glauben daran nicht verloren hat, dass ein Fahrradladen funktionieren kann, in dem es nur E-Bikes zu kaufen gibt, liegt zum Teil sicherlich darin begründet, dass er bereits seit 1998 (mit Unterbrechungen) im Fahrradbereich tätig ist und den Markt lesen kann. Zum Teil vermutlich aber auch daran, dass er jemand ist, der lieber einfach mal macht und gegebenenfalls nachjustiert, als so lange alles bis ins Detail zu planen, bis Zeit oder Lust aufgebraucht sind. Genau wie damals, als er einen Freund beim Aufbau einer Fahrradmarke unterstützte. Ohne jegliche Erfahrung, sondern schlicht aus der Überlegung heraus, was man statt Mofa-Tuning noch so mit Zweirädern machen könnte. Und aufgrund der Erkenntnis, dass man in Asien entsprechende Stückzahlen günstig produzieren lassen konnte.
Hochwertig und handverlesen
Dabei ist günstig eigentlich gar nicht die Devise des Hamburgers, der »zwischendurch auch mal tote Fische in den Sowjet-Staaten gekauft« hat. Die Elektroräder, die in der Barmbeker Filiale vor weißen Wänden auf hellem Boden in Industrieschick-Innenarchitektur stehen, »fangen preislich da an, wo andere aufhören«, sagt Sven Krüger und klopft einem goldfarbenen Stromer für mehr als 12.000 Euro auf den Sattel. Ein Grund für die hohen Preise ist, dass die Hersteller der Marken, die es in der eBike Company zu kaufen gibt, allesamt größtenteils in Deutschland produzieren. Bereits die Herstellungskosten und damit die Händlerpreise sind also entsprechend höher. Aber auch: »Qualität, Innovation und auch, wer das Handling gut im Griff hat, sind die ausschlaggebenden Kriterien für uns«, erklärt Krüger den Gedanken hinter der hohen Preisklasse.
Wer sucht, wird fündig. Von den Marken in der E-Bike Company ist fast das gesamte Sortiment vor Ort.
Keine Marke steht zufällig dort. Riese & Müller sind im Sortiment, weil »sie eine der Ersten waren, die analoge Räder komplett aus dem Programm genommen haben, und vor allem qualitativ und innovativ ganz weit oben stehen«. Velo de Ville, die selbst beschichten und lackieren können, sind ein flexibler Partner für Firmenkooperationen wie beispielsweise die mit der Hamburger Polizei. Möwe ist dabei, »weil sie innovativ sind und die Rahmen in Deutschland bauen«, und Ca Go, weil die Koblenzer mit ihren Cargobikes »einen wirklich guten Job machen und es verdienen, bekannter zu werden«. Außerdem schadet es nicht, diese E-Bike-Gattung in einem Viertel anzubieten, in dem viele junge, gut situierte Familien leben. Daran, dass das E-Bike eine Alternative zum Auto ist und immer stärker werden wird, hat Sven Krüger spätestens da aufgehört zu zweifeln, als mit der Lithium-Ionen-Technologie eine effiziente Energiequelle geschaffen war. »Wir glauben an einen weiteren Anstieg des Trends für E-Bikes im Allgemeinen und die Untergruppe der muskelhybriden Pedal Assist oder Pedelec E-Bikes im Besonderen: Weil sie ein positives, kommunikatives, freundliches Menschenbild unterstützen und den Mobilitätsraum lebensfreundlicher gestalten werden«, heißt es dazu auf der Firmen-Webseite.
Zufrieden? Schon, aber ...
Zwischen 60 und 70 Prozent des Umsatzes mit Neurädern macht derzeit das Jobrad-Leasing aus, einen steigenden Anteil am Gesamtgeschäft hat der Werkstattservice, wo auch mal ein Rad ohne Motor gewartet wird, wegen der guten Nachbarschaft. Und wer an die Kasse geht, um zu bezahlen, bekommt eine Gummibärchen-ColaFlasche aus einer gut gefüllten Kunststofftrommel. Kleine Freundlichkeiten gegen mittelgroße Krisen.
Beratung und Service sind tragende Pfeiler des Konzepts der E-Bike Company.
Vor allem während der Corona-Zeit boomte das Geschäft: »Wir haben mehr oder weniger zweieinhalb Jahre lang sieben Tage die Woche durchgearbeitet«, berichtet Krüger mit einer Mischung aus Stolz und nachträglicher Erschöpfung. Zuletzt, angesichts von explodierenden Gaspreisen, Ukraine-Krieg und Inflation, lief es deutlich schleppender, »im letzten Quartal 2022 und im ersten 2023 ist die Nachfrage förmlich eingebrochen«, so der Ladenbesitzer, der überdies damit kämpft, fachkundiges Personal zu finden, »wie halt alle im Moment«.
Ob er grundsätzlich zufrieden ist, da, wo er jetzt ist? »Nein«, sagt Sven Krüger wie aus der Pistole geschossen und nur halb im Ernst. An seinem Job macht ihm Spaß, sich immer wieder auf neue Charaktere einzustellen, das jeweils passende Produkt gemeinsam herauszufiltern, und dass kein Tag ist wie der andere. »Aber Einzelhandel wird auch schnell zur Selbstausbeutung«, glaubt er und möchte nicht den rechtzeitigen Absprung verpassen. Der hat allerdings noch ein wenig Zeit. Erst mal möchte Sven Krüger weiter ausbilden und einen kompetenten Nachfolger finden, »das geht ja auch nicht mit einem Fingerschnippen. Aber es gibt schon konkrete Ansätze«. Ganz zurückziehen aus der Branche wird er sich allerdings dann nicht, deutet er an. Passion geht eben nicht in Rente, durchaus aber neue Wege. Vielleicht, sagt er augenzwinkernd, lässt er sich, wenn er nicht mehr Vollzeit-Einzelhändler ist, doch noch in einen Verband wählen. Um der »Blume E-Bike weiter beim Aufblühen« zu helfen. Und das wäre wiederum irgendwie visionär. Wie damals. 2006. //
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