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Markt - Kinderfahrräder

Alles für die lieben Kleinen

Kinderräder sind kein einfaches Thema. Völlig unterschiedlich sind häufig die Wünsche der Kids, die Ansprüche der Eltern, die Preisvorstellung und die Kaufmodalität. Für Hersteller und Handel ist das Thema dennoch eine Erfolgsgeschichte.

Werden engagierte Radfahrerinnen und Radfahrer Eltern, haben die Kids meist gute Karten, wenn sie endlich ins fahrrad­taugliche Alter kommen: Wer selbst ein gutes Bike fährt und hoch entwickelte, zuverlässige und leichte Technik schätzt, gönnt das mit zunehmender Selbstverständlichkeit auch den eigenen Kids. Allgemein sind die Qualitätsanforderungen an ein Fahrrad in den letzten Jahren auf breiter Front gestiegen. Kinderräder haben sich parallel mitentwickelt, Eltern und Verwandtschaft geben bereitwillig mehr und gerne Geld für ein Kinderrad aus, wenn es dafür leichter, ergonomischer, langlebiger, kurz: kindgerechter ist.
Die Preise für Kinderräder sind aktuell gestiegen, weil Käuferinnen und Käufer bessere Qualität und Performance verlangen, stellt Birte Hayes vom britischen Hersteller Frog Bikes fest. »Es gibt bei vielen Eltern ein zunehmendes Bewusstsein für hochwertige Kinderräder mit besserer Performance und hoher Sicherheit. Bei Frog Bikes testen wir unsere Rahmen, Gabeln und Komponenten selbst im Haus, oft sogar auf die Sicherheitsstandards für Erwachsenenräder.« Derart erhöhter Aufwand führt zu qualitativ besseren Teilen, verursacht aber auch mehr Entwicklungskosten.
Auch allgemein die Fahrradbranche betreffende Trends wirken sich beim Kinderrad aus. Die während der Pandemiezeit gestiegenen Beschaffungskosten der Hersteller sind zwar wieder gesunken, die durch sie mitverursachten, erhöhten Kaufpreise bilden diesen Aspekt dagegen oft nur verzögert oder gar nicht ab. Zudem haben sich Firmen wie Frog Bikes und Woom intensiv mit neuen, näher an den Märkten gelegenen Produktions- und Fertigungsstätten auseinandergesetzt und zumindest teilweise Arbeitsschritte in größere Nähe zum Firmensitz und Hauptabsatzmarkt zurückverlagert.
Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit sind heute ebenfalls wichtige Stichworte bei den Verbrauchern. Allerdings schlagen verbesserter Umweltschutz im Produktionsprozess und neue, nachhaltiger angelegte Produkte wieder auf die Preise durch.

Ob Rampensau oder erste Versuche auf dem Fahrrad, auch beim Kinderrad hat sich der Markt für die verschiedensten Zwecke deutlich ausdifferenziert.

Offenbar schaden höhere Preise dem Absatz nur wenig, das sehen alle acht befragten Herstellermarken von 8Shot, Coolmobility, Conway, Frog Bikes, Naloo, Puky, Supurb bis Woom so. Zudem waren es oft nur maßvolle Preisanhebungen: »Wir sind stolz, dass wir trotz aller Teuerungsfaktoren die Preise unserer Bikes nur leicht anheben mussten,« erklärt Peer Beyenburg von Summiteer, dem Vertrieb der Schweizer Marke Naloo. Dazu kommt, dass auf der anderen Seite immer eine hohe Werthaltigkeit der Bikes steht, selbst nach ein, zwei Jahren des Gebrauchs.

Breite Angebotsvielfalt bei Kinderrädern

Marken wie Puky, S‘cool oder Frog Bikes starten bereits mit dem Laufrad, bevor erste, echte Fahrräder kleine Anfänger zu Radlern und Radlerinnen machen. Das Kernsegment der meisten Marken wie Kania, Kubikes, Naloo oder Woom bilden jedoch einfache, funktionale und vor allem handliche Kinder-Velos mit leichten Rahmen, oft mit Kettenschaltung, V-Brakes und Starrgabel, aber ohne gewichtiges Zubehör wie Licht, Gepäckträger, Schutzbleche oder Parkstütze. So entwickeln kleine Pilotinnen und Piloten einen Sinn für Radbeherrschung und gute Fahrtechnik schon von Anfang an und mit viel Fahrspaß. Die Auswahl spielerisch-leichter Fahrmaschinen reicht bis zum MTB mit Luft-Federgabel für ambitionierte kleine Bikerinnen und Biker, die mit Mami und Papi über Trails heizen. Ein kleiner, aber spezialisierter Hersteller wie Naloo kommt so mit nur drei fein ausdifferenzierten Bike-Modellen gut auf dem anspruchsvollen Markt zurecht. Auch Vollsortimenter Conway Bikes, eine Hartje-Marke, legt viel Wert auf ausgereifte Kinderräder: »Da die Altersgruppe, die mit dem MTB aufgewachsen ist, nun älter wird und selber Kinder hat, kommt hier ein gehobener Anspruch in den Markt kindgerechter Bikes«, sagt Christian Gaal von Conway. Demnach sind vermehrt »professionelle« MTBs für sportlichen Einsatz wie Fullys oder XC-Bikes für die Kleinen gefragt. Die britischen Marken Isla und Frog bieten ein regelkonformes Crossbike und ein Bahnrad, die Marke S‘cool ein breit ausdifferenziertes Programm mit Pumptrack-, BMX-, und Mountainbikes für ambitionierte Nachwuchs-Racer an. Auch ein Gravelbike für Teens ist im Angebot. An­dreas Szygiel von Coolmobility hält fest: »Aus unserer Sicht sind ›Special Interest Bikes‹ im Aufschwung. Unsere Dirtbikes werden geliebt, und auch am Gravelbike besteht großes Interesse.«

Herausforderung Konstruktion

Technisch ist es nicht ohne, wirklich kindgerechte Räder zu konstruieren: Da zählen neben robusten, aber leichten Rahmen und Gabeln vor allem Kriterien wie tiefere Tretlager, niedrige Überstandsmaße für leichteren Einstieg und stabileren Stand, schmalerer Q-Faktor der Kurbel, kürzere Kurbeln, kleinere Pedale, gut greifbare Brems- und dünnere Lenkergriffe, ergonomisch angewinkelte Lenkerenden oder ein geneigtes Sitzrohr, das bei zunehmendem Stützenauszug das Oberrohrmaß länger macht.

»Das Kinderrad ist ein Ganzjahresartikel.«

Peer Beyenburg, Naloo

Dazu kommen vermeintliche Nebensächlichkeiten wie geglättete Kanten und Oberflächen, entschärfte Lenkerenden oder ungiftige Kunststoffe an Griffen und Sattel. All diese Dinge sind genau das Gegenteil von unwichtig. Doch fast das allerwichtigste Kriterium bei Kinderrädern ist ein starkes, überzeugendes Design. Wenn ein Rad auf Anhieb Kind und Eltern gefällt, ist es schon so gut wie gekauft. Die Entscheidung für ein Modell ist also auch hochemotional.
Im Verkauf nutzen viele Kinderradhersteller ein Multichannel-Modell und kombinieren die jeweiligen Möglichkeiten von stationärem Fachhandel und direktem Online-Vertrieb. Der Fachhandel kann individuell und persönlich beraten, ortsnah spezifische, regionale Unterschiede berücksichtigen und im Idealfall langfristige Beziehungen zu radaffinen Familien aufbauen und pflegen. Für Familien mit wenig Sachkenntnis ist das vielfach unverzichtbar. Kleine Läden profitieren dabei von einer fokussierten Spezialisierung, können aber meist nur mit wenig breitem Angebot punkten. Daher werden auch größere Fachmärkte gut angenommen. Je breiter das Sortiment, desto besser kommt das bei weniger informierten Käufern und Käuferinnen an. Die setzen gerade bei Kinderrädern stark auf persönliche Ansprache und intensive Beratung. »Das gilt besonders bei der Größenfindung«, merkt Sebastian Tegtmeier für die Bike-Components-Marke Supurb an.
Zumindest subjektiv sprechen Online-Kanäle dagegen preissensitive Kunden besser an. »Oft zählt auch die leichtere und bequemere Zugänglichkeit des riesigen Online-Angebots«, glaubt Birte Hayes von Frog Bikes. Natürlich ist die größere Auswahl attraktiv für diejenigen, deren Wunschprodukt oder -marke schon feststeht und die weitgehend wissen, was sie für ihr Kind wollen. »Auf etwa 50/50«, schätzt Paul Fattinger von Woom das Verhältnis von Online- zu Fachhandelskäufen. Wie sich das Käuferverhalten zukünftig entwickeln wird, lasse sich nur schwer abschätzen. Laut Karsten Geisler, Marketing-Mann von Puky und 8Shot, »kommt es jedoch dabei auch immer auf Verfügbarkeit und Präsenz der Produkte im Markt und den Aufwand an, einen stationären Händler zu erreichen.«

Keine andere Zielgruppe wechselt ihre Räder so schnell wie der Nachwuchs. Den Markt mit Refurbished Bikes finden dennoch längst nicht alle Hersteller interessant.

Als ausgesprochene Saison-Ware gehen nur die kleinsten Bikes über den Tresen. Lauf- und Fahrlernräder für Kids bis etwa fünf oder sechs Jahre werden gern zu Ostern oder Weihnachten verschenkt. »Wir merken, dass saisonale Effekte immer schwächer werden und sich unser Umsatz immer gleichmäßiger auf das ganze Jahr verteilt«, sagt Woom-CEO Paul Fattinger.
Die meisten älteren Kinder bekommen unterm Jahr zum Geburtstag oder schlicht dann ein Rad, wenn sie aus dem alten herausgewachsen sind und ein neues eben brauchen. Dazu kommt, dass Kids unterschiedlich schnell wachsen. »Wir raten unbedingt dazu, das passende Rad fürs Kind zu kaufen, also kein Rad zum Reinwachsen«, erklärt Andreas Szygiel von Coolmobility nachdrücklich. Auch für Peer Beyenburg vom Naloo-Vertrieb steht fest: »Das Kinderrad ist ein Ganzjahresartikel.«
Werte wie Langlebigkeit und Nachhaltigkeit spielen zunehmend auch beim Kinderrad eine Rolle. Um geschlossene Produktkreisläufe bemühen sich daher aktiv Hersteller wie Woom und Isla. Auch die ebenfalls britische Marke Frog arbeitet daran, gebrauchte Kinderräder zurückzunehmen, um sie aufzubereiten und wieder in den Verkauf zu bringen. Andere Hersteller wie Supurb oder Puky und 8Shot beobachten diesen Trend zumindest. Für viele Hersteller ist eine Rücknahme gebrauchter Räder, deren Aufbereitung und anschließender Wiederverkauf aber ein schwieriger Weg, denn als Inverkehrbringer sind sie für einwandfreie Funktion sowie Gewährleistung auch bei Gebrauchten verantwortlich. Doch mit Blick auf mehr Nachhaltigkeit und immer hochwertigere Bikes bietet diese Idee auch für Abo-, Verleih- oder Leasingvertrieb eine Perspektive.
»Der Geschäftsbereich mit Refur­bished Bikes ist für uns ein äußerst interessantes Spielfeld, auf dem wir seit Anfang an unterwegs sind«, sagt Paul Fattinger. »Zum Beispiel bieten wir im Zuge unserer Upcycling-Mitgliedschaft den Umstieg auf die jeweils nächste Radgröße an. Doch wir arbeiten unter anderem auch mit der Online-Plattform ›Refurbed‹ zusammen daran, unsere Räder möglichst lange in Nutzung zu halten.«
Andererseits floriert aufgrund hoher Werthaltigkeit der oft nur wenige Jahre genutzten Kidsbikes der private Gebrauchtmarkt. Ein Wiederverkaufswert von mindestens 60 Prozent des Neuwerts bei gepflegter Ware gilt laut Birte Hayes von Frog als plausibel. Bei gesuchten Modellen oder knappem Angebot kann jedoch durchaus auch der Neupreis erreicht oder sogar überschritten werden.
Für die Hersteller mit Refurbish-Ambitionen treiben der hohe Aufwand für die Aufbereitung gebrauchter Kinderräder, die notwendige Gewährleistung sowie doppelte Versandwege die Kosten in die Höhe. »Daher ist der im Moment empfehlenswerte Weg der, die Fahrzeuge privat über entsprechende Plattformen oder im Bekanntenkreis zu verkaufen«, rät Karsten Geisler von Puky. Auch der private Secondhand-Markt verschafft dem engagierten Fachhandel schließlich die Gelegenheit, mit Reparatur und Aufbereitung gebrauchter Räder die Werkstatt auszulasten und Kompetenz im Bereich Kinderrad zu beweisen. Kinder wachsen schnell. Da ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man sich bei entsprechend positivem Einkaufserlebnis bald wiedersieht. Nach dem Kauf ist vor dem Kauf. //

7. August 2023 von Jochen Donner

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