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Markt - Sporternährung

Appetizer für die Kasse

Sporternährung gibt es heute in großer Auswahl, für jeden Einsatz, jeden Typ Radfahrer, jeden Anspruch. Können die Energiespender im Fahrradladen auch leckere Umsatzhäppchen sein? Zumindest lohnt der genauere Blick auf ein appetitliches Geschäft.

Wer schon einmal mit knurrendem Magen an der Supermarktkasse gewartet hat und dem dort ausgestellten Schokoriegelsortiment nicht widerstehen konnte, der weiß ganz praxisnah, was ein Spontankauf ist. In der Theorie ist er im Gabler Wirtschaftslexikon definiert als »Kaufentscheidung, die weniger auf kognitiver Steuerung als auf unmittelbaren Reizstimuli am Point of Sale beruht«. Legt man einen Querschnitt an Umfragen vergangener Jahre zugrunde, bezeichnet sich rund die Hälfte der Menschen hierzulande als »anfällig für Impulskäufe«. Besonders Süßwaren und Snacks verleiten dazu, spontan zuzugreifen, einer auf dem Portal Statista veröffentlichten Studie aus dem Jahr 2020 zufolge tun dies 48,69 Prozent der Befragten häufig und 27,81 Prozent zumindest ab und zu. Warum diese Erkenntnis für den Fahrradhandel interessant ist?
Weil »in vielerlei Hinsicht die Sportnahrung das Süßigkeitenregal des Sportgeschäfts ist. Viele Kundinnen und Kunden, die sich im Laden umsehen, werden beim Anblick der Sportnahrung daran erinnert, dass sie für die nächste Tour oder das nächste Training noch etwas benötigen. Sei es ein Energieriegel, ein Gel oder auch eine Tablette, um ein isotonisches Getränk für unterwegs zu mixen«, weiß Josephine Siegert vom Radhaus Ingolstadt aus der täglichen Verkaufserfahrung, und Markus Zielke, Sales Manager DACH des Energieriegelherstellers Clif Bar bestätigt, dass ein gezielter Besuch des Fahrradeinzelhandels für den Kauf von Sportnahrung eher selten sei:

»Häufig handelt es sich um echte Spontankäufe, der Großteil der Kunden lässt sich vor Ort inspirieren.«

Eine bindende Ergänzung

Das bedeutet einerseits, dass Sportnahrung als Ergänzungsartikel für zusätzlichen Umsatz sorgen kann, andererseits kann sie »die Kundenfrequenz im Laden erhöhen, denn die Produkte werden ja aufgebraucht und dann wieder nachgekauft«, sagt Sandra Damith von Xenofit. Aus einem zufriedenen Impulskäufer kann also durchaus ein wiederkehrender Kunde werden. Das ist eine bemerkenswerte Chance mit einer Produktkategorie, die zwar vergleichsweise geringe Margen aufweist, aber großes Wachstums­potenzial hat. Zion Market Research prognostiziert bis 2022 ein weltweites Marktvolumen für Sportlernahrung von 45 Milliarden Euro, was 60 Prozent mehr wäre als im Jahr 2016. Laut Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (IWD) betrug in Deutschland der Umsatz mit Sportnahrung im Jahr 2017 rund 156 Millionen Euro. Mehr als 40 Prozent der Deutschen, die regelmäßig Sport treiben, kauften mehrmals pro Monat sportspezifische Nahrung.
Wobei es verschiedene Arten von Nahrungsmittelprodukten für Sportler gibt: »Das Angebot an Sportnahrungsprodukten ist individueller geworden, auf unterschiedliche Situationen und Zielgruppen ausgerichtet«, sagt Günter Wagner vom Deutschen Institut für Sporternährung e. V. und führt aus: »So wie es für jede Situation das richtige Bike gibt, gibt es für unterschiedliche Situationen und Zielsetzungen unterschiedliche Sportnahrungsprodukte. Zudem öffnet sich die Schere zwischen Leistung und Gesundheitsanspruch sowie zwischen funktional und natürlich. Im Leistungsbereich gibt es spezielle Produkte für vor, während, nach der Tour sowie unterschiedliche Produkte je nach Länge und Intensität der Tour, zum Beispiel Ultra-Endurance. Auf der anderen Seite spiegelt sich das teilweise verbesserte Ernährungs- und Gesundheitsbewusstsein in der Allgemeinbevölkerung auch in der Nachfrage nach Sportnahrungsprodukten wider. So ist auch hier ein Trend zu Low-Carb zu beobachten, bis hin zu Keto-Produkten im Profi-Radsport, die bei einigen Radställen zum Standard gehören.«
Alle Produktkategorien haben ihre Berechtigung und Zielgruppe. Derzeit kaufen viele ambitionierte Hobbyradsportler aber wohl noch hauptsächlich die Klassiker: »Bei uns laufen Riegel, Gels und Pulver am besten«, berichtet zum Beispiel Werner Hoven, Director Purchasing Equipment & Triathlon bei Rose Bikes.

Angebot: kassennah und kundenorientiert

Damit der Kunde aber überhaupt spontan oder gezielt zugreift und bestenfalls wiederkommt, genügt es nicht, ein paar Riegel oder Geltütchen irgendwo zwischen Helmen, Hosen und Luftpumpen zu verstecken und zu hoffen, dass sie dort entdeckt werden. »Durch eine gute Präsentation der Produkte und vor allem durch entsprechende Informationen zum Produkt und eine gute Beratung kann sich der Fahrradfachhandel von anderen Verkaufsstellen absetzen«, ist Silvia Schöner von Namedsport-Vertreiber Paul Lange überzeugt.

Laut Markus Zielke von Clif Bar sei »kassennah bis hin zur Platzierung an der Theke, idealerweise mit einem entsprechenden Display« optimal für die Präsentation von Sportnahrung. Einen Aufsteller liefern viele Anbieter von Sportnahrung gleich mit, ebenso gibt es mitunter Händler-Informationen in Form von Print-Material, Seminaren und Schulungen durch den Außendienst.
Um Sportnahrung erfolgreich zu verkaufen, muss das Produkt außerdem zum jeweiligen Kunden passen. Deshalb sollten Händler laut Günter Wagner die Grundlagen der Physiologie kennen, das heißt, was beziehungsweise welche Nährstoffe werden bei welcher Belastung genutzt, was wird überhaupt verbrannt und bei welchen Trainingsmethoden und Einsatzbereichen benötigt.
Dies bestätigt Josephine Siegert:

»Für den Radsportler ist es wichtig, den Verkäufer auch mal fragen zu können, wie man die Sportnahrung kombinieren kann beziehungsweise soll.«

Das Radhaus Ingolstadt, für das sie tätig ist, berät anscheinend gut: In den vergangenen fünf Jahren habe sich dieses Segment positiv entwickelt, berichtet Siegert, was sie unter anderem darauf zurückführt, dass auch immer mehr ambitionierte Freizeitfahrer Sportnahrung für sich entdecken. Da sie sich meist noch nicht so intensiv mit Inhaltsstoffen und Wirkmechanismen der Sportnahrung beschäftigt haben und den Fokus zunächst auf Geschmack und Konsistenz legen, sind sie für eine fachkundige Beratung meist besonders dankbar.


Für jedes Leistungslevel und jeden Anspruch gibt es heute die passende Sporternährung. Geschmack und Konsistenz sind nur zwei von vielen weiteren Kriterien bei der Auswahl.

Gesundheitstrend sorgt

für Schwung

Das Interesse dieser Zielgruppe liegt vermutlich mit darin begründet, dass sich die Menschen grundsätzlich mehr mit Gesundheit und damit auch mit ihrer Ernährung auseinandersetzen. Laut Ernährungsreport 2019 ist neun von zehn Deutschen gesundes Essen wichtig. Dieser Trend kommt auch Anbietern wie Foodspring zugute, die sich auf Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmittel für Gesundheitsbewusste spezialisiert haben und neben
Riegeln und Shakes auch Proteinprodukte wie Proteinpizza, -pasta oder -brot anbieten, wenn auch noch nicht aktiv im Fahrradhandel. »Wir haben uns in den vergangenen Jahren zu einer der am stärksten wachsenden Fitness-Food-Brands in Europa entwickelt«, sagt Kerstin Lieser, PR-Managerin Europe. Auch die Sportnahrungsbranche mit Fokus auf Ausdauersport verändert sich beziehungsweise ihre Produkte, um sich dem wachsenden Gesundheitsbewusstsein anzupassen: »Der Trend geht ganz klar in Richtung Nachhaltigkeit und Bio«, berichtet Roger Milenk, CEO der Squeezy Sports Nutrition GmbH, die selbst ab Mitte dieses Jahres alle Produkte nach und nach auf nachhaltige Umverpackungen umstellen wollen. Auch vegetarische und vegane Produkte werden Sandra Damith von Xenofit zufolge vermehrt nachgefragt, künstliche Aromen und künstliche Farbstoffe dagegen sehen die Kunden kritisch.
Es ist also für Fahrradeinzelhändler, die sich Sportnahrung ins Sortiment holen möchten, auch wichtig, genau hinzuschauen, wer ihre Klientel ist, und dies entsprechend im Angebot widerzuspiegeln. Es gibt sportliche Freizeitfahrerinnen und -fahrer, denen der Riegel einfach schmecken und von der Konsistenz her angenehm (und transportabel) sein muss, und es gibt Ambitionierte, denen es auf Inhaltsstoffe und schnelle Energieverfügbarkeit an-kommt. Beide Gruppen kann man zu den Radsportlern zählen, sie haben aber komplett unterschiedliche Ansprüche. Beide zu bedienen ist für kleine Einzelhändler schwierig, denn es genügt in den meisten Fällen nicht, lediglich eine oder zwei Geschmacsksorten oder nur eine Variante Sportnahrung im Laden zu haben, wenn damit das Ladenprofil geschärft und eine gewisse Kundenbindung geschaffen werden soll.


Gerade Sportler sind mitunter sehr wählerisch und gut informiert, wenn es um Sporternährung geht.

»Es ist wichtig, eine Auswahl zu bieten«, bestätigt Sandra Damith, und Roger Milenk geht sogar noch einen Schritt weiter: »Inzwischen sind viele Konsumenten bei ganz unterschiedlichen Marken zu Hause, sprich: Riegel von einem Hersteller, das Gel von einem zweiten und das Energiegetränk von einem dritten. Die wichtigen Faktoren Geschmack und Verträglichkeit bei einer reichhaltigen Auswahl haben dazu geführt, dass nur noch wenige Kunden die Produkte nur einer Marke konsumieren. Bevor ein Kunde drei Geschäfte anfahren muss, um all seine Produkte kaufen zu können, geht er dann lieber online shoppen. Daher sollte schon ein gut abgestimmtes Produktportfolio vorhanden sein.«

Lieber Laptop statt Laden?

Apropos Onlineshoppen: Das hat in den vergangenen Monaten durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Ladenschließungen und Kontaktbeschränkungen noch weiter zugenommen. Vor allem, so eine Erhebung des »E-Commerce Magazins« bei Bekleidung, Schuhen und Sportausrüstung. Im Bereich der spezifischen Sportnahrung kaufen ebenfalls viele online, tun dies derzeit aber eher zurückhaltend. Werner Hoven von Rose Bikes weiß: »Aufgrund von Corona gibt es eine kleine Delle bei den Verkäufen. Durch fehlende Wettkämpfe wird anders trainiert.« Generell sei aber bei Rose der Umsatz mit Sportnahrung in den letzten Jahren gestiegen. Auch Kerstin Lieser von Foodspring sieht einen Wandel vom Off- zum Onlineshopping, glaubt aber, dass grundsätzlich diejenigen Erfolg haben, die »die Herausforderungen der Konsumenten verstehen und die Kommunikation entsprechend anpassen.«


Die Vielfalt des Produktangebots ist im Radladen nicht immer abbildbar. Das ist oft auch gar nicht nötig.

Keine direkte Konkurrenz für den Fahrradfachhandel stellen in puncto Sportnahrung dagegen Bodybuildingshops, Drogerien und Supermärkte dar, hier sind sich die für diesen Beitrag befragten Hersteller und Händler (fast) alle einig. So erklärt Werner Hoven von Rose, dass Fitness- und Bodybuilderläden eine andere Kundschaft haben und bei Drogerien die Beratung durch Experten der Sportbranche fehle. Josephine Siegert vom Radhaus Ingolstadt spezifiziert, dass »die Geschäfte im Bereich Fitness und Bodybuilding ihren Schwerpunkt auf Muskelaufbau und Eiweißprodukten haben. Bei Supermärkten ist es eher die Laufkundschaft, die einen Riegel als Snackersatz für zwischendurch mitnimmt. Der Kunde im Radgeschäft ist mit sportlichen Freizeitfahrern und ambitionierten Radsportlern noch mal ein anderer.«

Sportnahrung im Sortiment: ja oder nein?
Als Fahrradeinzelhändler spezifische Sportnahrung im Sortiment zu haben, lohne sich umso mehr, je mehr leistungsorientierte Kundinnen und Kunden jemand habe, glaubt Roger Milenk von Squeezy, auch wenn spezialisierte Radläden vielleicht nicht so viel potenzielle Laufkundschaft aus unterschiedlichen Disziplinen haben wie Läden, in denen es auch Lauf-, Schwimm- oder Fitnessabteilungen gibt. Soll heißen: Sportnahrung ist vor allem in kleinen Läden nicht unbedingt ein Umsatzbringer. Zumindest dann nicht, wenn keine große Auswahl an Artikeln angeboten werden kann. Dann wandert die Kundschaft eher ins Internet ab, wo sie mit einem Klick genau die Marke und Geschmacksrichtung bekommt, die sie möchte. Bei ansprechender Präsentation und guter Beratung ist Sportnahrung aber ein sinnvolles Zusatzprodukt, das zur Kundenbindung (Nachkauf) beitragen und das Profil des Ladens als Fachgeschäft für Rad(sport)belange schärfen kann. Und manchmal genügt es einfach, die Kundinnen und Kunden zu einem appetitlichen, kleinen Spontankauf zu verführen.

3. Juni 2021 von Carola Felchner
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