6 Minuten Lesedauer
MIt fast sieben Milliarden Euro Umsatz eroberte der Fahrradhandel im ersten Corona-Jahr ein bisher unbekanntes Umsatzniveau.
i

Zahlen - Umsatzsteuerstatistik 2020

Boomjahr mit dickem Umsatzplus im Handel

Dass 2020 ein besonderes Jahr für den Fahrradhandel war, ist jedem klar. Die nun erschienenen Zahlen der Umsatzsteuerstatistik zeigen auf, wie spektakulär gut die erste Corona-Saison gelaufen ist. Manche andere Entwicklung im Handel lässt ebenfalls aufhorchen.

Prozentual haben die Händler in Sachsen am stärksten zugelegt. Ihre Umsätze haben sich mehr als verdoppelt. In absoluten Zahlen hat der Fahrradhandel in NRW am deutlichsten gewonnen.MIt fast sieben Milliarden Euro Umsatz eroberte der Fahrradhandel im ersten Corona-Jahr ein bisher unbekanntes Umsatzniveau.

Insgesamt erzielte der stationäre Fachhandel mit Fahrrädern in Deutschland einen Umsatz von fast sieben Milliarden Euro. Ein Plus von 42,12 Prozent, das ihn über alle in der Statistik aufgeführten Branchen auf den ersten Platz und zu einer Erwähnung in der Vorstellung der Zahlen durch das Statistische Bundesamt führt. In Deutschland insgesamt gingen die Umsätze 2020 im Vergleich zu 2019 um 3,9 Prozent zurück. Am anderen Ende des Spektrums stehen etwa die Mode- und Schuhhändler, die Umsatzrückgänge von 19,4 beziehungsweise 19,7 Prozent zu verkraften hatten. Vor zehn Jahren lag der Umsatz des stationären Fahrradfachhandels noch bei nun bescheiden wirkenden 2,41 Milliarden Euro, gepriesen sei das E-Bike.
Neben den absoluten Beträgen, die allein schon eindrucksvoll sind, offenbart ein tieferer Blick in die Zahlen für die Branche aber noch viele andere interessante Entwicklungen.
Auf den ersten Blick überraschend ist die Zahl der vorhandenen Fahrradhändler. Sie ist auch in diesem Jahr zurückgegangen um 72 Handelsbetriebe auf nun 5125 stationäre Fahrradspezialisten. Wieder waren die besonders stark rückläufigen Zahlen bei den kleineren Betrieben zu sehen. Die Summe der Händler mit Umsätzen bis 50.000 Euro sank um mehr als ein Viertel auf nur noch 498 Betriebe. Zum Vergleich: 2009 gab es noch 996 Händler dieser Größenklasse, ihre Zahl hat sich innerhalb eines Jahrzehnts glatt halbiert. Auch die nächsten Umsatzklassen verloren mit knapp 14 Prozent (bis 100.000 Euro Umsatz) und über 10 Prozent (bis 250.000 Euro Umsatz) erheblich an Besetzung.


Prozentual haben die Händler in Sachsen am stärksten zugelegt. Ihre Umsätze haben sich mehr als verdoppelt. In absoluten Zahlen hat der Fahrradhandel in NRW am deutlichsten gewonnen.

Doch diesmal ist klar, dass dies eher nicht so schlechte Nachrichten sind. Die meisten dieser Fahrradläden sind in größere Umsatzregionen vorgestoßen. Die Größenklassen ab 500.000 Euro konnten wie gewohnt an Mitgliederstärke zulegen. Besonders stark ist der Zuwachs bei Betrieben mit Umsätzen zwischen fünf bis zehn Millionen Euro. Ihre Zahl hat sich fast verdoppelt von 60 auf 115. Im Jahr 2015 lag ihre Zahl noch bei 21.
Nicht minder eindrucksvoll lesen sich die Zahlen der Beletage des hiesigen Fahrradhandels. Inzwischen gibt es sieben Unternehmen, die Umsätze zwischen 100 bis 250 Millionen Euro erwirtschaften. Diese vereinen 1,18 Milliarden Euro des gesamten Umsatzes auf sich. Ihr Umsatz hat sich damit binnen Jahresfrist fast verdoppelt. Glatte 17 Prozent des stationären Fachhandelsumsatzes gehen auf das Konto dieser Groß-Händler, ein Jahr zuvor waren es noch etwas über 13 Prozent. Der Konzentrationsprozess geht also auch in Boomphasen unvermindert weiter.
Nach wie vor stellen die Händler mit Umsätzen bis 500.000 Euro Umsatz die Mehrheit in der Handelslandschaft. Allerdings hat sich ihre Bedeutung über die Jahre stark verschoben: 2009 stellten sie noch 81 Prozent der Händlerschaft, im Jahr 2020 waren es nur noch 58 Prozent. Noch deutlicher wird es bei den Umsätzen: 2009 trugen sie noch 31,5 Prozent zum Gesamtumsatz bei, im Corona-Rekord-und-Krisenjahr 2020 waren es nur noch 7,9 Prozent.

Mehr Umsatz durch frühe Ladenöffnung?

Interessant ist auch ein Blick auf die Umsatzverteilung auf der Ebene der Bundesländer. Immerhin könnte man vermuten, dass die verschiedenen Regelungen zu den Ladenöffnungen einen Einfluss auf das Geschäftsergebnis gehabt haben könnten. Die Berliner Händler durften schon sehr früh ihre Verkaufsflächen wieder öffnen, während die meisten erst im Mai 2020 Kunden und Kundinnen unter mehr oder weniger scharfen Bedingungen empfangen konnten. Wirkliche Unterschiede abzulesen fällt aber nicht so leicht.
Tatsächlich haben die Berliner eher schwach abgeschnitten im Vergleich der Bundesländer. Mit ihren 175 Millionen Umsatz haben sie zwar wie alle anderen Länder auch ordentlich zugelegt, ihre Steigerung beträgt aber trotzdem nur unterdurchschnittliche 26,8 Prozent. Damit finden sie sich am unteren Ende des Spektrums zusammen mit Bremen (+22 Prozent), Hamburg (+26 Prozent) und Sachsen-Anhalt (+26 Prozent). Sachsen-Anhalt erstaunt insofern, als es der Osten der Republik war, der besonders gut zulegen konnte. Die Umsatzspitze bundesweit stellt Sachsen mit einem erstaunlichen Plus von fast 227 Prozent innerhalb eines Jahres auf 418 Millionen Euro Umsatz. Platz zwei geht an die Thüringer Fahrradhändler mit einem Plus von 49 Prozent auf 104 Millionen Euro Umsatz. Letztlich lässt sich die Eingangsthese in gewissem Umfang belegen. Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern haben früh die Ladengeschäfte von Radhändlern wieder geöffnet. Die Händler beider Länder konnten davon profitieren, bei den Händlern in Berlin lässt sich an den Zahlen kein großer Vorteil ablesen. Hamburg und Hessen sind die zwei Bundesländer, in denen die Zahl der Fahrradhändler sogar gestiegen ist, überall sonst stagnierte diese oder ging leicht zurück.
Die im Schnitt umsatzstärksten Händler sind in Rheinland-Pfalz beheimatet. Der durchschnittliche Fahrradhändler erwirtschaftete dort im Jahr 2020 rund 3,2 Millionen Euro. Der Hamburger Durchschnitt liegt bei 2,6 Millionen Euro, dann folgen wieder die Sachsen mit 1,8 Millionen Euro. Die niedrigsten Durchschnittserlöse werden mit 592.000 Euro in Sachsen-Anhalt erzielt. Zu viel Bedeutung sollte man diesen Werten nicht beimessen. Aussagekräftiger wäre es, wenn man Medianwerte angeben könnte, doch diese gibt die Umsatzsteuerstatistik nicht her. Man darf davon ausgehen, dass die wenigen sehr großen Unternehmen die Durchschnittswerte der Bundesländer verzerren.
Insgesamt bestätigen die jüngsten Zahlen der Statistiker, dass die übergeordneten Trends im Fahrradhandel Bestand haben. Der Markt wächst und entwickelt sich insgesamt rasant weiter. Die großen Handelsunternehmen profitieren davon am meisten. Die Schar der Händler nimmt trotz Boomphase immer weiter ab – zumindest war das 2020 noch der Fall.

7. April 2022 von Daniel Hrkac
Velobiz Plus
Die Kommentare sind nur
für unsere Abonnenten sichtbar.
Jahres-Abo
115 € pro Jahr
  • 12 Monate Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
  • 10 Ausgaben des exklusiven velobiz.de Magazins
Jetzt freischalten
30-Tage-Zugang
Einmalig 19 €
  • 30 Tage Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
Jetzt freischalten
Sie sind bereits Abonnent?
Zum Login