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Online-Marketing - Podcasts

Der Podcast als Marketing-Tool

Während die großen Politik- und Unterhaltungsthemen üppig mit Podcasts besetzt sind, existiert in Einzelbranchen und Marktnischen noch erhebliches Potenzial. Wer seinen Podcast gut plant, baut damit ein spannendes Marketing-Konzept auf, das sich auf viele andere Maßnahmen positiv auswirkt.

Geben Sie bei Spotify doch mal spaßeshalber die Suchbegriffe »Fahrrad Podcast« ein. An erster Stelle des Rankings erscheint der »Fahrrad Podcast« von einer Nutzerin namens Carina. Dabei handelt es sich gar nicht um einen Podcast, sondern nur um einen schlecht gemachten Trailer aus dem Jahr 2019. Offensichtlich hat Carina das Interesse verloren. Aber
sie hatte auf jeden Fall das richtige Gespür für den perfekten Titel.
Platz zwei in der Suche (kein Ranking) von Spotify belegt bei diesen Suchbegriffen Jörk Miksa mit seinem Podcast Planet Fahrrad. Er richtet sich vorwiegend an Radfahrerinnen und Radfahrer, weniger an Fachpublikum. 2019 gab es auch eine Episode zur Nachbetrachtung der Eurobike. Seit August 2020 gibt es aber keine neue Folge.
Miksa redet direkt drauf los und man kann vermuten, wie einfach eine solche Produktion ist. Die technische Ausrüstung, die im Wesentlichen aus einem guten Mikrofon für drinnen und einem für unterwegs besteht, kostet kaum mehr als 200 Euro. Und los geht’s.
An dritter Stelle in der Spotify-Suche steht der Fahrradpodcast von Andreas Fritsch. Der ist schon deutlich professioneller produziert. Er hat einen eigenen Blog und startet mit einem professionell gesprochenen Intro.

Der Markt

Einer Studie von Goldbach zufolge wissen 80 Prozent aller Deutschen, die über 14 Jahre alt sind, was ein Podcast ist. 34 Prozent haben es ausprobiert und 14 Prozent, also zehn Millionen Deutsche hören regelmäßig Podcasts.
Der Markt ist bei den jungen Hörerinnen und Hörern bis 29 Jahre deutlich besser entwickelt. Sie hören in etwa doppelt so viel Podcasts wie die Zielgruppe zwischen 40 und 49. Insgesamt ist das Thema Podcast eher in weiblicher Hand: 57 Prozent des Publikums sind Hörerinnen.
In der Zielgruppe bis 29 Jahre ist Spotify die Plattform Nummer eins mit einem Marktanteil von knapp 60 Prozent. Im Gesamtmarkt sind das noch etwa 40 Prozent. Apple besetzt mit Apple Podcasts ungefähr 10 Prozent des Marktes.
Genauso viele Menschen hören Podcasts beim Radfahren. Etwa ein Viertel der Hörerinnen und Hörer konsumiert im Auto, aber die überwältigende Mehrheit hört Podcasts entspannt zu Hause (55,2 Prozent). Das bedeutet also, dass der Podcast keineswegs nur das snackbare Zwischendurchmedium ist, sondern dass er anderen Medien signifikant Zeit und Aufmerksamkeit wegnimmt. Das ist ein großes Qualitätsmerkmal für dieses einfach zu produzierende Medium.

Die Strategie

Angesichts dieser Reichweite und der Intimität des Konsums auditiver Inhalte, verknüpft mit den langen »Einschaltzeiten«, ist der Podcast das prädestinierte Medium, um komplexere Inhalte zu transportieren. Das kann die Technik im E-Bike ebenso sein, wie die politische Diskussion der Mobilitätswende. Natürlich findet sich auch Raum für jede Menge Content im Bereich Radtouren und Radreisen. So könnte man als Urlaubsdestination durchaus auf die Idee kommen, den Radtouristen Sehenswürdigkeiten der Umgebung akustisch zu erklären. Der Audio-Guide ist wahrlich keine neue Erfindung und als »Hands-free«-Medium passt der Podcast perfekt aufs Rad.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass Podcasts wunderbar auch in der Nische existieren können. Zudem sind sie keineswegs an Tagesaktualität gebunden. Userinnen und User hören Podcasts dann, wenn sie wollen. Also kann auch ein zwei Jahre alter Beitrag über Winterpflege heute wieder relevant sein.


44.000 Abonnenten haben die Hannoveraner von Enjoyyourbike auf Youtube gesammelt. Podcasts werden so aufgezeichnet, dass sie auch als Video funktionieren.
Eine normale Podcast-Produktion dauert in etwa vier bis fünf Mal so lange, wie die Episode selbst nachher sein soll. Geht man von einer halbstündigen Sendung aus, dann entsteht kaum mehr als ein halber Tag Produktionszeit. Außerdem lässt sich der Content aus dem Podcast für alle anderen Kanäle von PR bis Social Media zweitverwerten. Dieser Zeitaufwand könnte sich lohnen, wenn es gelingt, auf diesem Wege die eigenen Ziele zu erreichen.
Das vorgeschickt, stellen sich die klassischen Fragen für jede Marketing-Strategie:

  • Welches Ziel soll der Podcast verfolgen (Neukunden, CRM, Branding)?
  • Wer ist dafür die richtige Zielgruppe?
  • Welches Problem oder besondere Interessen hat diese Zielgruppe?
  • Wie lässt sich das mit einem Audioformat bearbeiten?

Um sich ein erstes Bild vom Potenzial eines Podcasts zu machen, sollte man zunächst einfach mit Bestandskunden, Partnern und Mitarbeitern sprechen. Konsumieren diese Menschen Podcasts? Wenn ja, welche? Gleichzeitig ist es wichtig, sich in die Szene einzufühlen, und das macht man dadurch, dass man selbst beginnt, Podcasts zu hören.
Begleitend dazu kann man den Markt breiter recherchieren. Der Blick richtet sich zum Beispiel auf Fachmedien, die entsprechende Rankings oder Vorschläge veröffentlicht haben. Auch detailliertere Suchen auf Großplattformen wie Spotify, Podcast.de, Audionow oder Apple führen zu jeder Menge Beispielen.


Je komplexer das Angebot, umso wichtiger werden die Suchmaschinen der Plattformen und die Art, wie Such­ergebnisse angezeigt werden.

Hat man eine grobe Idee bezüglich der Richtung, die man mit der Produktion einschlagen möchte, bietet sich ein klassischer Ideen-Workshop an. Üblicherweise ist ein solcher Workshop in drei Teile unterteilt: die divergente Phase, die konvergente Phase und die Verdichtungsphase (frei nach Innovationstrainer Florian Rustler).
Gerade, wenn man das Gefühl hat, dass ein Markt bereits übersättigt ist, kommt der ersten, der divergenten Phase besonders hohe Bedeutung zu. Hier sollen in kurzer Zeit möglichst viele Ideen generiert werden. Florian Rustler startet mit »fünf Ideen in einer Minute«, um dann kurz danach die Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmer mit einer Verdoppelung der Geschwindigkeit zu überraschen.

Ein klar erkennbares Bild und eine präzise und nicht zu poetische Beschreibung der Folge, wie hier beim Schweizer Podcast Velotalk, bilden die Basis für ein größeres Publikum.

Dann heißt es »zehn Ideen in einer Minute«. Das gelingt freilich nur, wenn man die Schere im Kopf ausschaltet und einfach spontan Ideen produziert. Erst nach dieser mitunter kuriosen Ideensammlung beginnt man damit, sie auf Machbarkeit und Sinnhaftigkeit zu prüfen. Dabei kann herauskommen, dass man gar keinen wöchentlich erscheinenden Podcast macht, sondern eine Art Audiothek, in der permanent Evergreen-Content zu wichtigen Themen vorgehalten wird. Oder man entscheidet sich anstelle des Zwei-Personen-Talks für ein Format mit verteilten Rollen.
In einem Workshop der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg entstand so die Idee für einen Podcast zum Thema Nachhaltigkeit: Die Tochter bringt immer kritische Themen mit nach Hause, die zögerliche Mutter wittert immer den Verlust an Lebensqualität, dem renitenten Bruder ist alles zu anstrengend und der grantelnde Vater ist der Auffassung, dass das nicht wirklich etwas bringt. Es entspinnen sich spannende Diskussionen.

Der Vertrieb

Auch wenn die Produktion des Podcasts technisch nicht den allerhöchsten Aufwand nach sich zieht: Die Audioqualität ist ein Hygienefaktor. Die muss stimmen.
Aber das reicht nicht. Viele Unternehmen übersehen, dass Hörerinnen und Hörer nicht von alleine in den Podcast kommen. Gerade in der initialen Phase, also zum Launch eines neuen Podcasts, muss man alle Register des Marketings ziehen. Dazu zählen kostenlose Maßnahmen (Seeding) ebenso wie geschaltete Anzeigen.
Der zeitliche Aufwand für den anfänglichen Aufbau einer solchen Seeding-Struktur ist erheblich. Er umfasst Maßnahmen wie:

  • Redaktionelle Begleitung in eigenen und Drittmedien
  • Kooperationen mit anderen Medien und Podcasts
  • Verteilung auf den eigenen Social-Media-Kanälen von Youtube bis TikTok
  • Integration in traditionelle Kommunikationsmittel, von der Visitenkarte bis zur Absenderkennung in jeder E-Mail
  • Die Eintragung in entsprechende Themen-Websites und -plattformen
  • Die Veröffentlichung auf allen großen Podcast-Plattformen
  • Die Kooperation mit Influencern in klassischen und sozialen Medien
  • Digitale Werbung auf Google, Facebook, Instagram und Youtube
  • Den Aufbau einer Themen-Reputation in Foren und Netzwerken. Im B2B-Segment ist das vor allem LinkedIn, aber auch spezialisierte Rad-Foren. LinkedIn spricht vom Konzept der Thought-Leadership.
  • Teilnahme an Webinaren und Konferenzen

Viele dieser Maßnahmen müssen einmal eingerichtet werden und können dann ohne Aktualisierung erhalten bleiben, wenn die nächste Folge erscheint. Das gilt natürlich auch für den aussagekräftigen Titel des Podcasts, dessen lustmachenden Teaser und das auffällige Bildmotiv. In der Google-Suche nach Podcasts sind die Texte kaum zu sehen, da geht es vor allem um das Aufmacherbild.
Tatsächlich erkennt man in diesem Maßnahmenkatalog aber auch das wieder, was im Grunde heute für jeglichen Content gilt, völlig unabhängig davon, ob man von einem Podcast spricht, einem Youtube-Video oder einem Interview in einem klassischen Magazin. Wer sich die Mühe macht, diesen Ansatz für das neue Medium Podcast einmal konsequent durchzuarbeiten, profitiert auf allen Ebenen davon.

30. August 2021 von Frank Puscher
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