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Markt - Outdoor-Branche

Eine aktive Gemeinschaft

Die Entwicklung der Fahrradbranche seit der Covid-19-Pandemie ist kein Einzelfall, wie ein Blick in die Outdoor-Branche belegt. In den Feinheiten zeigen sich dann doch einige Unterschiede.

Die Pandemie hat für die Fahrradbranche turbulente Zeiten ausgelöst. Das Lockdown-Leben auf Abstand nahmen viele Menschen als Anlass, in Fahrräder, Ausrüstung und Zubehör zu investieren. Die einzige pandemiekompatible Aktivität war das Radfahren allerdings nicht. Viele Produktbereiche der Outdoor-Industrie erhielten durch die veränderten Kaufgewohnheiten vor allem 2020 und 2021 konjunkturellen Aufwind.
»Wir hatten eine extreme Boom-Phase zu Corona-Zeiten«, erinnert sich Christian Birk. Er ist Senior Product Manager Outdoor bei Intersport. »Wir sind komplett durch die Decke geschossen bei den Outdoor-Schuhen, der Wanderbekleidung und auch beim Thema Camping.« Seit der Pandemie habe die Branche eine ähnliche Entwicklung wie die Fahrradbranche genommen. Nach dem Nachfrage- folgte ein Angebotshoch, durch das viele Händler schließlich mit hohen Beständen kämpften, weil die Nachfrage unterdessen wieder etwas abflaute. »Der Markt hat sich normalisiert und die Umsätze entwickeln sich weiterhin auf einem hohen Niveau«, resümiert Birk.

Die Outdoor by Ispo in München gilt als Leitmesse der Branche. 2025 fällt sie aus, weil es an Anmeldungen mangelt.

Bei Vaude bestätigt Chief Sales Officer Jan Lorch die aktuelle Geschäftsentwicklung. »Im Outdoor-Segment hatten wir eine positive Vororder für dieses Frühjahr«, so Lorch. Die aktuelle Nachorder sei noch etwas verhalten, aber auch nicht schlecht. Der Hersteller macht 40 Prozent seiner Umsätze im Fahrradsegment und 60 Prozent mit Outdoor-Produkten. Damit ist er prädestiniert, einen direkten Vergleich zu ziehen. Lorch: »Während der Corona-Zeit gab es natürlich einen Anstieg. Aber der war produktgruppenübergreifend deutlich gemäßigter als es im Bike-Bereich der Fall war.«
Mit Outdoor-Produkten hat bei Vaude alles angefangen. Später kam das Fahrradsegment hinzu, welches über Jahrzehnte kontinuierlich wuchs.
Im Outdoor-Bereich habe es immer wieder Wellen in der Geschäftsentwicklung gegeben. Im Nachgang der Pandemie ist das Bild umgekehrt. Während der Fahrradbereich teilweise um zweistellige Prozentpunkte zurückging, nahmen die Outdoor-Produkte sogar 2023 noch leicht zu. 2024 ging das Wachstum um lediglich ein Prozent zurück.

Fehlende Zahlen

Bei vielen anderen Akteuren der Outdoor-Branche dürfte der Ausschlag nach unten drastischer ausfallen. Deuter-Geschäftsführer Robert Schieferle skizziert ab 2022 eine stagnierende Nachfrage und ab 2023 eine Konsolidierung der Verkäufe. »Derzeit verzeichnen wir eine leicht rückläufige Nachfrage. Sie ist vergleichbar mit der Fahrradbranche, aber teils stabiler dank unserer Kernprodukte.«

»Wir stellen uns auch die Frage, wo Outdoor anfängt und wo es aufhört.«

Christian Schneidermeier, European Outdoor Group

Christian Schneidermeier, Direktor der European Outdoor Group (EOG) spricht von einer Delle, die es über sämtliche Produktgruppen hinweg nach zweistelligen Wachstumszahlen während des Corona-Hochs gegeben habe. »Jetzt stellen wir fest, dass es in einigen Produktbereichen weiterhin schwierig ist, aber dass es auch erste Anzeichen der Erholung gibt und es wieder aufwärtsgeht.«
Genaue Zahlen kann die EOG nicht liefern. »Aktuell gibt es relativ wenige verlässliche Daten«, erklärt Schneidermeier, der nach einer CEO-Position bei Ortovox vor wenigen Monaten den neuen Posten bei der EOG angetreten hat. Er und sein Team wollen die Datenlage dringend verbessern. 2022 hat die EOG den letzten sogenannten State of Trade veröffentlicht, der allerdings nur Verkäufe in den Handel hinein (Sell-in) berücksichtigt. »Eigentlich interessiert uns ja der tatsächliche Sell-out von den Händlern und Marken an die Konsumenten. Da sind wir gerade dabei, das aufzusetzen«, so Schneidermeier. Nach England und Frankreich ist DACH die dritte Region, deren Daten im Projekt OMIS (Outdoor Market Intelligence Service) vollständiger erfasst werden sollen.
Ein Indiz, dass viele Unternehmen der Outdoor-Branche aktuell auf Sparkurs sind, lässt sich trotz der fehlenden Daten finden. Die diesjährige Outdoor by Ispo musste Schneidermeier als eine seiner ersten Entscheidungen im Amt wegen eines zu geringen Anmeldestands absagen. »Für mich als Verfechter und Unterstützer von Messen war das sehr schwierig«, ordnet er ein. Viele Akteure, etwa Vaude-CSO Lorch, bedauern den Schritt. Andere sehen die Absage der Messe als Zeichen eines strukturellen Wandels, darunter Deuter-Geschäftsführer Schieferle: »Klassische B2B-Formate nehmen ab, während die Relevanz alternativer Plattformen steigt.«

Mehr als ein Schritt vor die Tür

Mit der Outdoor fällt in diesem Jahr eine Veranstaltung aus, die in anderen Jahren als eine Art Klassentreffen für die Akteure der Branche fungiert hat und Leitmessenanspruch hat. Auch die EOG selbst bietet als Verband eine wichtige Klammer für den Wirtschaftszweig. Schneidermeier sieht einen starken Zusammenhalt, auch wenn die Branchenakteure sich in den vergangenen Jahren spürbar professionalisiert haben und die Branche nicht mehr ausschließlich von Enthusiasten und Enthusiastinnen getragen werde, die sich in die Wirtschaft verloren haben.
Wo die Grenzen dieser Branche liegen, darüber ließe sich aber streiten. »Wir stellen uns auch die Frage, wo Outdoor anfängt und wo es aufhört«, so Schneidermeier. Von der Wortbedeutung her dürfte Outdoor alle Tätigkeiten umfassen, für die ein Schritt vor die Tür nötig ist. »Die Kern-Outdoor-Gemeinschaft macht etwas mehr, als nur draußen spazieren zu gehen. Das hat dann schon mehr mit aktiver und gemeinschaftlicher Betätigung in schönen Landschaften zu tun.«

Zu Pandemiezeiten profitierte der Online-Handel stark von der hohen Nachfrage nach Outdoor-Produkten. Für manche Artikel bleibt der stationäre Fachhandel aber prädestiniert.

Wie sich die einzelnen Aktivitäten und Produktgruppen in den letzten Jahren entwickelt haben und sich aktuell entwickeln, ist durchaus heterogen. Bei Deuter haben in der Pandemie Camping und Wandern profitiert. Beim Verkauf von Reiseausrüstung gab es besonders im stationären Handel rückläufige Zahlen. Derzeit liege Trailrunning im Trend, genau wie das Wandern und Mikroabenteuer verschiedener Art.
Bei Vaude ließen sich Hartwaren, also etwa Zelte, Matten und Schlafsäcke, als Gewinner der Pandemie-Nachfrage identifizieren. Bekleidung wuchs weniger stark, könne jedoch heute Sättigungseffekte bei den Hartwaren ausgleichen. Wandern sei derzeit »weiterhin total im Trend, auch bei jüngeren Leuten und Familien«, bestätigt Jan Lorch. Viel Bewegung lässt sich im Ski-Bereich mit Blick auf die letzten Jahre sehen. Ski- und Schneeschuh-Touren boomten zu Zeiten geschlossener Lifte. »Seit die Lifte wieder laufen, läuft das Segment Alpin-Skifahren sehr gut, aber das Touren-Segment viel schlechter.«

Multifunktion als Trend

Bei Intersport sieht Katharina Janke, Leiterin Unternehmenskommunikation und Public Relations, Wandern und Trekking mit einer hohen Bedeutung für die Branche. Pilgerwege und Hüttentouren sind gefragt, wie auch die wachsenden Mitgliedszahlen des Deutschen Alpenvereins belegen. Dabei verschmelzen zunehmend die Bereiche der Bergschuhe und Laufschuhe zu Multifunktionsschuhen, wobei sich mitunter neue Hersteller Marktanteile sichern. Für Janke steckt dahinter ein Trend: »Nicht nur im Outdoor-Bereich, sondern auch in anderen Sportkategorien gibt es die Entwicklung, dass das Thema Multifunktion immer mehr kommt und es Überschneidungen zwischen den Kategorien gibt.«
»Aktuell legen wir den Fokus bei unseren qualitativ hochwertigen Produkten auf besonders leichte und nachhaltige Materialien«, beschreibt Schieferle die aktuelle Produktentwicklung bei Deuter. Nachhaltigkeit scheint in der Outdoor-Branche allgemein einen hohen Stellenwert zu haben. Mitunter seien einige Unternehmen durch die übergreifende Arbeit in der Fair Wear Foundation verbunden, sagt Jan Lorch von Vaude. Reparierbare Designs, recycelte und sparsam eingesetzte Materialien ohne Schadstoffe stünden hier als Ziele im Vordergrund, meint Lorch, der die Outdoor-Hersteller in einer Vorreiterrolle sieht: »Ich glaube, das sind Themen, die die Outdoor-Branche meiner Wahrnehmung nach stärker vorantreibt als die Bike-Branche.«

»Das Erleben, die Haptik und die Auswahl vor Ort, das ist etwas Besonderes.«

Katharina Janke, Intersport

Nicht nur die Industrie, sondern auch die Kundschaft und die Händler treiben die Ökologisierung der Branche voran. Lorch: »Es haben sich Bündnisse von Outdoor-Händlern gebildet, die sagen: ›Wir kaufen perspektivisch nur noch bei Marken ein, die diese Themen beachten und umsetzen.‹.«

Stärker im Verbund

Die Handelslandschaft im Outdoor-Segment hat wie viele andere Branchen einen großen Aufschwung des Online-Geschäftes erlebt. Bei Vaude machen alle Online-Kanäle mittlerweile rund die Hälfte der Verkäufe aus. Der stationäre Fachhandel ist jedoch weiterhin wichtig. Während der Pandemie hätten viele kleine und mittlere Händler versucht, ein Multichannel-Geschäft zu etablieren, und würden sich mittlerweile wieder auf das Kerngeschäft vor Ort konzentrieren, beschreibt Lorch.
Kleinere Händler, die sich keinem Verbund angeschlossen haben, scheinen zunehmend seltener zu werden. »Die Industrie- und Markenpartner arbeiten sehr gern mit uns als Verbund zusammen«, sagt Katharina Janke, was im Umkehrschluss das Leben der »Kleinen« schwieriger macht. Intersport hat sich mit über 1400 Standorten als Marktführer im Sportartikelhandel etabliert. Outdoor ist mit einem Anteil von 24 Prozent das stärkste Segment. »Der große Charme unseres Verbundes ist, dass die Händler in der Region verwurzelt sind. Sie haben engen Kundenkontakt, sie sind dort zu Hause und unter anderem vernetzt mit den Vereinen«, erklärt Janke. Die meisten angeschlossenen Händler sind Generalisten. Aber: »Es gibt nach wie vor den klassischen Outdoor-Spezialisten. Die bieten teilweise nur Hartware mit hoher Sortimentstiefe an«, sagt Christian Birk. Künftig will die Genossenschaft noch sogenannte Superstores einführen, in denen auf 2000 bis 5000 Quadratmetern Fläche unter anderem mit Eigenmarken preissensible Kunden und Kundinnen angesprochen werden sollen.
Alles in allem glaubt man bei Intersport an eine Renaissance der Innenstädte und konnte nach der Pandemie großen Andrang in den Stores beobachten. Auch Schneidermeier bestätigt die weiterhin anhaltende Bedeutung der Ladengeschäfte: »Die Basis bilden nach wie vor die spezialisierten, inhabergeführten Fachhändler, die vor der Herausforderung stehen, genügend qualifiziertes Fachpersonal zu finden.« Der EOG-Direktor nimmt eine positive Grundstimmung mit Blick auf die Zukunft des stationären Handels wahr. Einen Grund dafür vermutet er darin, dass viele Artikel nur bei der richtigen Passform ihre Funktion entfalten können. »Manche Produkte möchte man doch gerne gesehen und probiert haben. Es gibt auch technische Produkte, die einfach erklärt werden müssen«, so Schneidermeier. //

20. Mai 2025 von Sebastian Gengenbach

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