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Arbeitsbedingungen in Fahrradfabriken stehen in der Kritik
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Kritischer Zeitungsbericht:

Fahrradproduktion in Kambodscha am Pranger

Ein Bericht in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Zeit" setzt sich kritisch mit den Arbeitsbedingungen in den Fahrradfabriken von Kambodscha auseinander. Das Ergebnis ist wenig schmeichelhaft für den Standort und wirft ein Schlaglicht auf die Fahrradbranche. Insbesondere drei namhafte Hersteller, die dort produzieren lassen, werden in den Fokus gerückt. Eine der Marken wehrt sich bereits entschieden.

Die ZEG, Cube und Kinderradhersteller Woom müssen sich durch die Reportage in der Zeit kritische Fragen gefallen lassen. Dort werden schwere Vorwürfe bezüglich der Arbeitsbedingungen in den Fabriken geäußert. In der Reportage kommen Gewerkschafter und Arbeiter zu Wort, die unzureichende Entlohnung, lange Arbeitszeiten und oft unerfüllbare Produktionsvorgaben beklagen. „Fahrräder indes gelten als umweltfreundlich und nachhaltig. Kaum jemand macht sich Gedanken darüber, wo und wie sie hergestellt werden. Dabei haben viele Räder eine dunkle Seite“, lautet ein Zwischenfazit, bevor der Artikel in die Details geht. Von fehlenden Möglichkeiten, die gesetzlich vorgeschriebenen Urlaubstage zu nutzen, über stets auf sechs Monate befristete Arbeitsverträge bis zum Druck durch Produktionsvorgaben mit der Folge, dass die Arbeiter keine Zeit finden, auf die Toilette zu gehen, ist die Rede.
Der österreichische Kinderradhersteller Woom zeigt sich überrascht, entsetzt und auch verblüfft über die dargestellten Missstände. In einer Stellungnahme erklärte einer der Woom-Gründer, Christian Bezdeka, dass die Darstellung in der Reportage sich keineswegs mit den eigenen Beobachtungen decke. „Unser Partner in Kambodscha ist einer der größten Fahrradhersteller weltweit, der für viele namhafte Hersteller arbeitet und eine der modernsten Fabriken in der Fahrradbranche betreibt. Als wir uns für diesen Partner entschieden haben, waren für uns nicht nur das extrem hohe Know-How bei der Fahrradherstellung wichtig, das sich nun mal in Südostasien konzentriert, sondern eben auch faire Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit.“

Insbesondere der eigene Qualitätsmanager, der sich selbst intern schockiert zeigte, hat eine ganz andere Wahrnehmung zur Situation vor Ort. „Unsere Qualitätsmanager besuchen unsere Produktionsstätte in Kambodscha fast jeden Monat. Vor Ort überprüfen sie nicht nur die Qualität der Produkte, sondern gewinnen jedes Mal auch einen persönlichen Eindruck über die dort herrschenden Arbeitsbedingungen. Keiner der Angestellten in diesem Werk macht auf sie einen erschöpften oder gestressten Eindruck. Ihre Recherche deckt sich daher nicht mit unseren Erfahrungen und Eindrücken, die wir uns im Laufe der Jahre von dort machen konnten.“ Auch von unerfüllbaren Produktionsvorgaben habe man keinerlei Kenntnis. Stattdessen sähe es ganz im Gegenteil so aus, dass es „immer wieder zu Leerläufen in den Produktionsschritten kommt und kein Mitarbeiter einen gestressten oder erschöpften Eindruck macht“, erklärt Bezdeka.

Trotz dieser sehr unterschiedlichen Wahrnehmung will das Unternehmen den Bericht nicht auf sich beruhen lassen. „Selbstverständlich nehmen wir die Ergebnisse der Recherchen von Herrn Zacharakis sehr ernst und werden uns diesbezüglich umgehend mit unserem Partner vor Ort in Verbindung setzen, und ihn gezielt zu den geschilderten Umständen befragen. Auch werden wir diesen Artikel zum Anlass nehmen, um uns zu überlegen, wie wir die Arbeitsbedingungen vor Ort noch gezielter überprüfen und von unserer Seite aus gegebenenfalls verbessern können, falls diese Vorwürfe auch unsere Produktionsstätte betreffen sollten. Denn faire Arbeitsbedingungen sind uns ein großes Anliegen, sowohl in Kambodscha als auch in Österreich.“

Sonderstatus auf dem Prüfstand

Kambodscha ist über die Jahre zum größten Fahrradlieferanten nach Deutschland und in die EU aufgestiegen. 560.000 Einheiten gingen nach Deutschland, die gesamte EU wurde 2018 mit 1,5 Millionen Rädern beliefert. Nicht zuletzt die Zollvorteile des Standorts haben taiwanesische Unternehmen dazu bewogen, dort Produktionskapazitäten aufzubauen. Im Rahmen der EBA-Initiative (Everything but Arms) der EU können die unterentwickeltsten Länder der Welt, zu denen auch Kambodscha zählt, seit 2001 zollfrei alle Waren außer Waffen in beliebiger Menge nach Europa importieren.

Allerdings steht dieser Sonderstatus nun auf dem Prüfstand. Im Februar will die EU entscheiden, ob man einen Präzedenzfall schaffen wird und Kambodscha als erstem Land die Handelsvorteile wieder entzieht. Grund für diese Maßnahme sind im Wesentlichen „schwerwiegende Verletzungen gegen die Prinzipien der internationalen Arbeitsorganisation ILO“, wie aus einem EU-Dokument zitiert wird. Die Verstöße wurden nicht zuletzt in den Fahrradfabriken festgestellt, die von einer EU-Delegation besucht wurden, und die der Artikel in der Zeit aufgreift.
Sollte die EU gegen weitere Zollvorteile stimmen, würde das sehr wahrscheinlich eine weitere Rochade der asiatischen Produktionskapazitäten in der nächsten Zeit nach sich ziehen.

9. Dezember 2019 von Daniel Hrkac

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