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Fünf Themen für gute Chefs
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Betriebsführung

Fünf Themen für gute Chefs

Die größten Problemfelder im eigenen Unternehmen zu identifizieren, kann mitunter schwerfallen. Eigene Stärken und Schwächen korrekt einzuschätzen ist nicht gerade trivial. Business-Coach Gunnar Schmidt erklärt, was gerade im Fahrradhandel häufig eine Herausforderung ist.

Gunnar Schmidt ist ein Business- und Team-Coach, der sich seit 2019 komplett auf den Fahrradfachhandel konzentriert.Ein klar strukturiertes Verkaufsgespräch bewirkt mitunter Wunder, insbesondere wenn man es mit dem vergleicht, was Gunnar Schmidt als »Freestyle« bezeichnet.Fünf Themen für gute Chefs

Um welche Themen sollte ich mich kümmern, wenn es wieder etwas ruhiger wird und ich mich als Chef endlich mehr aus dem Tagesgeschäft zurückziehen kann? Was sollte ich auf dem Schirm haben, wenn es um die Weiterentwicklung und Zukunftssicherung meines Unternehmens geht? Was wird im Jahr 2024 erforderlich sein?«

Hier sind ein paar ausgewählte Stellschrauben, die man als Verantwortlicher im Auge behalten sollte. Es gibt selbstverständlich noch weitere wichtige Aspekte. Diese Themenfelder sind daher bitte als Denkanstoß oder Mini-Checkliste für die Aufgaben des Managements zu verstehen.

Thema 1:

Rabatt- und Preispolitik

Zweifellos ist dies eines der brennendsten, umstrittensten und emotionalsten Themen, besonders in dieser Saison im Jahr 2023. Lassen wir die letzten zweieinhalb Jahre noch einmal Revue passieren. In dieser Zeit waren Fahrradhändler fast rund um die Uhr damit beschäftigt, zu entscheiden, wer das nächste Fahrrad bekommt.

Der letzte Winter hingegen brachte eine Menge Lieferungen, und vermutlich haben die meisten Handelsbetriebe ihr Lager noch nie so voll gesehen. Da liegt der Gedanke nahe, an der Preisschraube zu drehen – das machen schließlich alle so. Um nicht reflexartig in eine Preissenkungsmanie zu verfallen, sollte man sich einen Moment daran erinnern, was das eigentliche Ziel ist.

Wenn man will, dass sich das Lager wieder lichtet, die Fluchtwege wieder frei werden und der Kontostand sich entspannt, dann sollte der Preis nicht das einzige Argument sein. Ich sehe ihn eher als das letzte Mittel im Vertriebsmethoden-Werkzeugkasten. Bringt die Preisgestaltung wirklich die erhofften Verkaufszahlen? Ich denke nicht und fordere sogar heraus: Man zeige mir den Beweis, dass seit der Preissenkung mehr Fahrräder verkauft wurden!

Die Beobachtungen zeichnen ein anderes Bild: Es geht gar nicht so sehr um den Preis. Ein anderer Engpass erschwert den Absatz. Es geht vielmehr darum, Interessenten in der richtigen Menge und Qualität in das Geschäft zu ziehen. Der Preis wird doch erst am Ende des Verkaufsgesprächs zum kritischen Faktor. Als Akquisitionsinstrument taugt er daher ganz und gar nicht.

Zwei wichtige Aspekte und damit verbundene Verantwortlichkeiten sind hier klar voneinander zu trennen. Es ist die Pflicht der Inhaber, einen ausreichenden Besucherstrom zu erzeugen. Ist das Geschäft groß genug, übernimmt dies die Marketingabteilung. Die zweite Aufgabe entsteht, sobald ein Kunde oder eine Kundin die Türschwelle überschritten hat. Denn jetzt geht es darum, diese Besucher in umsatzbringende Käufer und Käuferinnen umzuwandeln, zu konvertieren.

Das ist die eigentliche Funktion des Verkaufs. Der Abverkauf von Bestandsrädern kann nur erfolgreich gelingen, wenn beide Aufgaben nebst Verantwortlichkeit klar definiert und aufeinander abgestimmt sind. Es gilt also, genau zu prüfen, ob man sich von der Rabattdiskussion mitreißen lässt und ob es wirklich das richtige Werkzeug ist, das einen den gewünschten Zielen näherbringt.

Thema 2:

Klarheit und Struktur im Verkaufsgespräch

Ein guter Verkäufer hat auf alles eine Antwort – ein sehr guter Verkäufer stellt die richtigen Fragen. Diese Erkenntnis hat mich in meinen 20 Jahren im Vertrieb stets begleitet und mir immer wieder deutlich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, einen klaren Plan zu haben, um als Verkäufer mit seinem Gegenüber in einen gehaltvollen Austausch zu kommen.

Durch funktionale und erprobte Fragen und Fragetechniken erhält man die Informationen, die man braucht, um das Verkaufs- oder Beratungsgespräch erfolgreich abzuschließen. Das Ziel kann dabei variabel sein. Schließlich geht es nicht immer darum, sofort zum Kaufabschluss zu kommen. Denn manchmal ist das schlicht und einfach gar nicht zu schaffen.

Ein klar strukturiertes Verkaufsgespräch bewirkt mitunter Wunder, insbesondere wenn man es mit dem vergleicht, was Gunnar Schmidt als »Freestyle« bezeichnet.

Dieser Ansatz hat mir geholfen, im Verkaufsgespräch immer die Orientierung zu behalten. Ich wusste genau, was der nächste Schritt für mich und meinen Kunden war. Zudem war ich auf alle möglichen Antworten und Reaktionen meiner Kundinnen und Kunden vorbereitet.

Dabei stellte ich fest, dass diese weniger vielfältig waren, als ich zunächst vermutet hatte. Das gab mir immer das sichere Gefühl, das beste Gesprächsrezept in meinen Händen zu halten. Mein roter Faden hat mich in meiner Verkaufskompetenz auf das nächste Level gebracht. Daher halte ich einen passgenauen Gesprächsfahrplan für erfolgreichen Verkauf für unverzichtbar.

Dieser Winter bietet vielleicht eine gute Gelegenheit, die besten Verkaufsstrategien im Team zusammenzutragen. Mit anderen Worten: Findet heraus, was wirklich funktioniert. Raus aus dem (noch funktionierenden) Freestyle hin zu einer immer wieder funktionierenden Methode. Diese erfolgreichen Methoden sollten dann natürlich allen derzeitigen Kollegen, Filialen und vor allem neuen Verkaufsmitarbeitern zur Verfügung gestellt werden. So wird eine solide Basis für planbaren Vertriebserfolg aufgebaut und gelingt eine optimale Vorbereitung auf die Herausforderungen der Zukunft.

Thema 3:

Der Wert von Kundendaten im Fahrradfachhandel

Wissen ist Macht – das gilt auch für den Fahrradhandel. Gutes Marketing und gute Werbung müssen heutzutage maßgeschneidert sein. Das bedeutet, dass man genau die richtigen Menschen mit den richtigen Informationen versorgt, um sie zu einem Besuch im eigenen Geschäft zu bewegen. Wer dieser Aussage zustimmt, braucht dafür Kontaktdaten. Mindestens Name, Vorname, Adresse, Telefonnummer und eine zuverlässige E-Mail-Adresse gehören zu diesem Datensatz.

Mit diesen Informationen kann man die Kundinnen und Kunden auf drei verschiedenen Wegen ansprechen. Man kann ihnen Briefe oder Postkarten schicken, SMS und wahrscheinlich auch WhatsApp-Nachrichten und sie sogar anrufen. Aber E-Mail ist besonders effektiv. Sie kostet fast nichts und eignet sich hervorragend, um Einladungen zu verschicken.

»Gutes Marketing und gute Werbung müssen heutzutage maßgeschneidert sein.«

Gunnar Schmidt

Aber Vorsicht: Wenn die Daten nicht richtig gepflegt sind, wird es schwierig, die Informationen zielgerichtet zu versenden. Dann wird man wahrscheinlich auf Facebook aktiv werden wollen und über Zeitungsanzeigen nachdenken. All das gehört grundsätzlich zu einem guten Marketing-Mix. Aber die effektivste Methode ist immer noch die direkte, persönliche Ansprache – denn die eigenen Kunden kennen einen bereits. Damit besteht bereits eine solide Basis.

Wenn wir einen Blick in die Zukunft werfen, könnte man sogar Körperdaten speichern, die durch Vermessungssysteme erfasst wurden. Dann bestünde sogar die Möglichkeit, sie mit den richtigen Radempfehlungen in der richtigen Größe anzusprechen. Sind die Kundendaten von heute der Erfolgsgarant für morgen? Auf jeden Fall. Dazu gehört auch ein Blick auf automatisierte Systeme, die den Kontakt zum Kunden halten, ihn mit Newslettern versorgen und die starke Beziehung pflegen – und das alles ohne zusätzlichen Personalaufwand.

Denn wirklich gutes Personal zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Der Online-Handel beherrscht es mittlerweile perfekt, Kundendaten zu nutzen, zu bündeln und zu identifizieren. Es ist an der Zeit, dass auch der lokale Fahrradhandel seinen Wissensvorsprung nutzt und sich damit in eine erfolgreiche Zukunft absichert.

Thema 4:

Personalentwicklung als Schlüssel zum Erfolg

Einige Zahlen: Mehr als 70 Prozent aller Mitarbeiter mit »hohem Kündigungsrisiko« nennen fehlende Entwicklungsperspektiven als Grund für ihren Kündigungswunsch (Quelle: Willis Tower Watson).
100 Prozent der Beschäftigten halten berufliche und persönliche Weiterentwicklung in ihrem aktuellen Job für wichtig.

Auf die Frage »Kennst du deine Entwicklungspotenziale und hast du einen Entwicklungs- bzw. Weiterbildungsplan?« antworten 79 Prozent mit »Nein« oder »Hätte ich gerne« (Quelle: Gunnar Schmidt – Umfrageergebnis Verkäufer-Check 2023).

Das Ausmaß dieser mangelnden Perspektiven hat mich überrascht und dürfte auch viele andere überraschen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Entwicklungspotenziale kennen und ihre Kompetenzen ausbauen dürfen, sind sie dem Unternehmen treuer und bleiben länger im Job. Denn so schön und cool es ist, im Fahrradhandel zu arbeiten, so anstrengend kann so manche Saison sein.

Wir streben danach, die beste Version von uns selbst zu werden. Sowohl beruflich als auch privat. Als Chef profitiert man davon, wenn die Fachleute und Spezialisten gerne bei einem bleiben. Ganz nebenbei werden sie durch Weiterbildung noch besser und effizienter. Damit lassen sich zwei Ziele auf einmal erreichen. Dafür ist es wichtig, dass man als Vorgesetzter weißt, wer welchen Weiterbildungsbedarf hat. Wie lässt sich Leistung im Betrieb überhaupt messen?

Zusammengefasst: Weiterbildung hilft, die Mitarbeiter zufriedenzustellen, die Experten noch besser in ihrem Fachgebiet einzusetzen und die guten Leute im Unternehmen zu halten. Denn sie sind ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg.

Thema 5:

Kennzahlen im Fahrradgeschäft:

Kennen Sie ihre Zahlen? Jeder, der unternehmerische Entscheidungen treffen muss und für das Ergebnis verantwortlich ist, muss für eine angemessene Geschäftsführung seine Zahlen kennen. Um Veränderungen frühzeitig zu erkennen und die richtigen Maßnahmen zu ergreifen oder einzuleiten. Hier eine kleine Auswahl an Kennzahlen für Verkauf und Werkstatt zur Orientierung im Tagesgeschäft.

Verkauf

  • Anzahl der unverkauften Räder im Lager.
  • Durchschnittliche Verkaufszahl pro Woche (gesamt und pro Verkäufer)
  • Verhältnis verkaufte Lagerräder
    zu bestellten Rädern
  • Umwandlungsrate Besucher
    (Termine) zu Verkäufen
  • Anzahl verkaufter Zubehörteile
    pro verkauftem Fahrrad
  • Gewährte Rabatte und Zugaben (gesamt, durchschnittlich, pro
    Verkäufer)

Werkstatt

  • Terminvorlauf für Kundenanfragen. Differenziert nach Wartung / Reparatur / Panne
  • Umsatz pro Auftrag. Differenziert nach Arbeitswert und Teilen
  • Abweichung Rechnungsbetrag zu vereinbartem Kostenlimit
  • Geleistete AW zu tatsächlich abgerechneten AW (im Durchschnitt,
    pro Mechatroniker)

Diese Kennzahlen sollte man mindestens einmal pro Woche auf dem Schirm haben. Wer dann den Ursachen für diese Zahlen auf den Grund geht, wird wichtige Erkenntnisse darüber sammeln, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um das Unternehmen weiter voranzubringen und abzusichern. Es lohnt sich, diese Zahlen genau aufzubereiten und vielleicht eine tolle Grafik zu erstellen.

Wahrscheinlich gibt es einen Händlerfreund, mit dem man dann in den wertvollen Vergleich gehen kann. Diese Zahlen zu interpretieren kann sogar richtig Freude machen. Denn wer diese Zahlen entweder nach oben oder nach unten bringen kann, sieht den Einfluss und die Ergebnisse der eigenen Entscheidungen. Dann wird das Geschäft unabhängiger von äußeren Einflüssen. Dann agiert man, anstatt zu reagieren. Dann entwickelt und verbessert man. So wird man der eigenen Verantwortung als Inhaber und Geschäftsführer gerecht.

Diese fünf Stellschrauben sollten dazu einladen, einmal vor den eigenen Bikeshop zu treten und ihn Punkt für Punkt unvoreingenommen und offen zu betrachten. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um das eine oder andere Winterprojekt wirklich zu planen und in Angriff zu nehmen. Denn die Zeiten haben sich geändert.

Vielleicht ist der Winter 2023/2024 genau die Nebensaison, in der es sich lohnt, mal rechts ranzufahren. Vielleicht ist es Zeit, den verfluchten Schlauch auszutauschen, anstatt weiter zu pumpen. Doch diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen. Ich wünsche eine erhellende und erkenntnisreiche Winter-Entwicklungs-Saison!

Zur Person:

Gunnar Schmidt ist ein Business- und Team-Coach, der sich seit 2019 komplett auf den Fahrradfachhandel konzentriert. In seinen Seminaren und Schulungen vermittelt er das Rüstzeug, um in der aktuellen
Handelslandschaft in Verkauf und Werkstatt bestehen zu können.

Mit seiner 20-jährigen Vertriebserfahrung kommt er selbst aus der Praxis. Seit Kurzem ist er auch Partner des VSF und wird als VSF- Fachberater geführt.

2. Oktober 2023 von Gunnar Schmidt
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