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Service - Dienstrad-Leasing

Leasing-Markt läuft heiß

Das Dienstfahrrad-Leasing ist für alle Beteiligten in den vergangenen Jahren immer attraktiver geworden. Die vorhandene Dynamik führt inzwischen zu unerwarteten Engpässen. Die Nachfrage ist so groß, dass einige Anbieter aktuell am Anschlag arbeiten.

Trotz des engagierten Einsatzes unseres gesamten Teams reichen unsere Kapazitäten im Juni 2020 nicht aus, um alle Kundenanfragen zu bearbeiten. Aus diesem Grund können wir Ihnen derzeit leider keine Vertragsunterlagen zusenden. (...) Wenn Sie trotz der Wartezeit weiter JobRad-Kunde werden möchten, bitten wir um eine kurze Antwort auf diese Nachricht. Wir kommen dann ab Oktober 2020 auf Sie zu.« So sieht auszugsweise ein Schreiben aus, das Interessenten von Dienstfahrrad-Vermittler JobRad derzeit auf ihre erste Kontaktanfrage erhalten. Wer nicht so lange warten möchte, möge sich an die Wettbewerber wenden, heißt es darin.
Der Grund: »Dass die Nachfrage nach unserer Dienstleistung nach der Wiedereröffnung der Fahrradläden im April in einem solchen Maß zunehmen würde, war nicht absehbar. Eine Folge ist, dass wir zum Teil anfragende Arbeitgeber auf einen späteren Zeitpunkt verweisen müssen«, erklärt Tassilo Holz, Pressesprecher bei JobRad, das Vorgehen und ergänzt: »Dieser Schritt fällt uns nicht leicht. Unser Ziel ist es, so viele Menschen wie möglich aufs JobRad zu bringen.« Tatsächlich scheinen immer mehr Unternehmen und die Menschen, die für sie arbeiten, ganz erpicht auf die Möglichkeit des Dienstrad-Leasings zu sein.
Das heißt, der Arbeitgeber least für gewöhnlich ein Fahrrad oder E-Bike für den Arbeitnehmer und beteiligt sich meist an den Kosten. Der Arbeitgeber kann die Raten für Leasing und Versicherung als Betriebsausgaben absetzen, der Arbeitnehmer 30 Cent pro gependeltem Entfernungskilometer als Entfernungspauschale geltend machen, wenn er den Weg zwischen Büro und Wohnort in der Steuererklärung angibt. Nach Ablauf des Leasingvertrages kann er das Bike oft günstig übernehmen. Ein attraktives Modell für beide Seiten.

Die Krise als Beschleuniger

Das riesige Interesse am Dienstfahrrad-Leasing ist ein Phänomen, das durch die Coronakrise verstärkt wurde, sich jedoch bereits zuvor mit zunehmender Vehemenz manifestierte: »Die Branche hat sich seit 2012 jährlich mehr als verdoppelt«, berichtet Wasilis von Rauch. Dem Geschäftsführer des Bundesverbands Zukunft Fahrrad e. V. (BVZF) zufolge rollten 2019 bereits rund 200.000 Dienstfahrräder durch Deutschlands Straßen, dieses Jahr werden es wohl an die 350.000 bis 400.000 sein. »Das war vor fünf bis sechs Jahren noch nicht vorstellbar«, so von Rauch.
Das Thema musste erst bei den Unternehmen ankommen – und das ist es mittlerweile voll und ganz, wie Ronald Bankowsky, Geschäftsführer von »Mein-Dienstrad.de« bestätigt: »Was unterstützend dazukommt, ist, dass in der Gesellschaft die Akzeptanz des Fahrrades in den letzten zwei Jahren signifikant gestiegen ist«, sagt er. »Die Städte, Gemeinden und Kommunen bemühen sich um neue Radwege, seit April sind vielerorts auch Pop-up-Radwege ins Leben gerufen worden. Die Städte werden etwas entschleunigt, und die Lebensqualität steigert sich.«

Chancen, aber auch Herausforderungen

Ganz und gar nicht entschleunigt hat sich dagegen die Dynamik, mit der der Bereich des Dienstrad-Leasings wächst. Allein »Mein-Dienstrad.de« hat aktuell rund 15.000 Räder auf den deutschen Straßen und plant, bis 2023 jährlich 30- bis 40.000 Bikes abzusetzen, Jobrad bietet derzeit den Beschäftigten von über 20.000 Arbeitgebern die Möglichkeit, ein Velo zu leasen und die Bikeleasing-Service GmbH hat bereits deutlich über 100.000 Kunden aufs Dienstfahrrad gesetzt. »Wir konnten unsere Absatzzahlen jedes Jahr verdoppeln und werden unsere Erwartungen in diesem Jahr sogar übertreffen«, freut sich Bikeleasing-Service-Geschäftsführer Bastian Krause.
Eine erfreuliche Entwicklung, welche die Dienstfahrrad-Leasing-Anbieter aber auch vor Herausforderungen stellt: »Die Branche hat wohl auch in den nächsten Jahren ein Wachstum von 50 bis 80 Prozent pro Jahr, das heißt, die Unternehmen müssen die Kapazitäten rasant ausbauen und dafür die Mitarbeiterzahl massiv steigern. Das ist eine immense Herausforderung«, erläutert BVZF-Geschäftsführer Wasilis von Rauch.
Dieser Herausforderung treten die Anbieter auf unterschiedliche gegenüber. Während JobRad von der starken Zunahme an Anfragen nach der Wiedereröffnung der Radläden im April überrollt wurde und auf Transparenz bei der Kommunikation der voraussichtlichen Wartezeiten setzte, realisiert das noch junge Leasing-Unternehmen Deutsche Dienstrad die rasch ansteigenden Nachfragezahlen digital, aber persönlich. »Die volldigitale Abwicklung und die Mensch-zu-Mensch-Kommunikation sind unser Schlüssel für eine zügige Umsetzung, selbst bei einer so hohen Nachfrage wie aktuell«, so Geschäftsführerin Christina Diem-Puello. Das erst Anfang Juli aus der Pexco GmbH heraus gegründete Unternehmen kombiniert somit die Vorteile der Digitalisierung mit Experten, die jederzeit persönlich zu erreichen sind.
Die Bikeleasing-Service GmbH profitiert von »der direkten Anbindung an die Leasing-Gesellschaften und den stark automatisierten Prozessen, um sehr große Stückzahlen ohne Zeitverzug zu bearbeiten«, so GF Bastian Krause. Mein-Dienstrad.de hat laut Ronald Bankowsky frühzeitig in weiteres Personal investiert und auch in der Lockdown-Phase weiter aufgestockt. »Diese Taktik kommt uns aktuell zugute, sodass wir auch weiterhin in kurzer Zeit Neukunden aufschalten können. Bei uns gibt es eher einen Engpass bei den Fachhandelspartnern, die teils 10 bis 14 Tage benötigen, um die Räder fahrfertig zu montieren.«

Neue Kundengruppen – fast von allein

Das Radfahren ist derzeit nicht nur innerhalb des Leasing-Modells äußerst beliebt, dort aber mit besonders hohen Wachstumsraten. Diese erklären sich zum einen dadurch, dass der Gesetzgeber mit der Besteuerung von 0,25 Prozent das Dienstfahrrad-Leasing äußerst attraktiv gemacht hat. Zum anderen dadurch, dass die Unternehmen merken, welche Vorteile es hat, wenn die Mitarbeiter mit dem Rad kommen. So sind sie zum Beispiel fitter und ausgeglichener. Wasilis von Rauch hat erfahren, dass manche Bewerber sogar bereits im Vorstellungsgespräch nach dieser Möglichkeit fragen. Er stellt fest: »Die Fahrradbranche kann sich über diese Entwicklung freuen, das eröffnet ganz neue Sphären.« Auch und speziell für den Fahrradfachhandel.
Denn das Modell des Dienstrad-Leasings generiert neue Kundengruppen, ohne dass der Händler aktiv werben muss, und »es kommen Kunden in den Laden, die bereit sind, viel Geld auszugeben«, so von Rauch. Bedeutend mehr Geld, als sie normalerweise in ein (E-)Bike investieren würden. JobRad-Sprecher Tassilo Holz zufolge liegt der durchschnittliche Radpreis bei JobRad bei rund 3.000 Euro. Verglichen mit dem vom Zweirad-Industrie-Verband ZIV 2019 ermittelten Durchschnittskaufpreis für Fahrräder von 982 Euro ist dies derzeit klar das obere Ende der Skala. Dazu kommt die Chance auf wiederkehrende Umsätze, wenn sich die Dienstfahrrad-Nutzer für Service-, Inspektions- und Reparaturpakete entscheiden, die bei Leasing-Anbietern oftmals zum Paket gehören.

Rückstau ist meist kein Problem

So entstehen ein engerer Kundenkontakt und eine Bindung an den jeweiligen Laden, der den Kunden vielleicht auch dann wiederkommen lässt, wenn er etwas braucht, das nicht mit dem Dienstrad zusammenhängt. Der Händler muss für die Akquise nicht viel tun, den fürs Dienstrad-Leasing notwendigen Rahmenvertrag handelt der Leasing-Anbieter mit den interessierten Firmen aus, ihm obliegen nur seine Kernkompetenzen: beraten, verkaufen, warten. Manchmal hat der Leasing-Partner die Beratung sogar selbst schon erledigt.
Auch aus einem Rückstau – sei es beim Leasing-Partner oder im Laden selbst – ergebe sich laut BVZF-Geschäftsführer Wasilis von Rauch in den allermeisten Fällen kein Problem für die Fachhändler. »Der Fachhandel ist ja im Moment gut ausgelastet. Die Wartezeiten existieren zudem nur bei der Aufnahme von neuen Unternehmen, das bekommt der Fachhandel eigentlich kaum mit, denn die Bestandskunden laufen ja weiter wie gehabt. Ich glaube nicht, dass jemand bei 70 Prozent Umsatzwachstum mit dem Leasing sagen wird ›Mist, ich hätte mit 73 Prozent gerechnet.‹« Und wenn, dann ist das eine Einbuße, mit der die meisten wohl gut leben können.

6. August 2020 von Carola Felchner
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