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Verkauf - Strukturierte Verkaufsgespräche

Verkaufsgespräche brauchen einen roten Faden

Verkaufsgespräche von Mensch zu Mensch sind der größte Vorteil des stationären Handels gegenüber dem Online-Handel, da Verkäuferinnen und Verkäufer ihre Kundschaft hier mit allen Sinnen ansprechen können. Schaffen sie es, diese für sich zu gewinnen, kann sich daraus eine Beziehung entwickeln, die über lange Zeit trägt. Es lohnt sich also in jeder Hinsicht, diesen Kontakt optimal vorzubereiten.

Ein Verkaufsgespräch unterscheidet sich von einem gewöhnlichen Gespräch, da es einem bestimmten Muster unterliegt. Auf die Begrüßung folgt die Motiv- und Bedarfsanalyse, dann die Produktpräsentation, der Verkaufsabschluss und die Verabschiedung. »Was ich vor Ort erlebe, ist eine Menge Herzblut und eine Menge Freestyle – beides gelebt von ehrlichen, guten und fairen Leuten«, erzählt Gunnar Schmidt aus seiner Praxis als Coach und Trainer für den stationären Fahrradfachhandel. »Sehr oft treffe ich auf Verkäuferinnen und Verkäufer, die nicht so leicht ›nein‹ sagen können, die für ihre Kunden alles tun würden. Das ist manchmal zu viel. Mein Auftrag ist es dann, eine gewisse Effektivität hineinzubringen. Denn es ist möglich, ein richtig guter Verkäufer, ein starker Berater zu sein und seinen eigenen Werten treu zu bleiben.«
Dass Verkaufen erlernt werden kann, ist nichts Neues. »Auszubildende lernen es während ihrer Ausbildung, Quereinsteiger sollten aber auch dringend darin geschult werden. Für sie ist es ja eventuell besonders schwierig, auf Kunden zuzugehen«, betont Gerd Bittl-Fröhlich, Inhaber der Online-Schulungsplattform sportsella.com. Auch Gunnar Schmidt plädiert für das Erlernen eines »roten Fadens im Verkaufsgespräch«: »Verkäufer sollten auf die einzelnen Phasen des Verkaufsgesprächs vorbereitet sein und wissen, wo sie gerade stehen. Ein ›Fahrplan‹ gibt den Mitarbeitern erfahrungsgemäß viel Sicherheit und Vertrauen. Außerdem wissen sie damit auch, wie weit sie heute mit dem Kunden kommen können und wann ein Gespräch zur Zufriedenheit aller vorbei ist. So würde ich bei einem Gespräch, das schon über eineinhalb Stunden dauert, ein großes Fragezeichen setzen wollen, ob das noch richtig gut oder sogar besser werden kann.«

Der erste Eindruck zählt

Bezüglich Verkaufsgespräche geht Schmidt von einem Phasenmodell aus. Dabei spricht er der Begrüßung einen besonders hohen Stellenwert zu. »Sie bietet der Verkaufscrew den ›Vorsprung durch Begegnung‹. Die Begrüßung ist eine der wichtigsten Phasen gerade im Vergleich zum Online-Handel. Die erste Begegnung von Mensch zu Mensch ist die Basis für das weitere Gespräch. Hier entscheidet sich in Millisekunden, ob wir uns mögen oder nicht.«
Ein freundlicher, zugewandter Blick, verbunden mit einem kurzen Nicken oder Handheben, signalisiert, dass man die Kundin oder den Kunden wahrgenommen hat, auch wenn man selbst noch in einem anderen Gespräch ist.

»Die Kunden sind immerinformierter und mündiger.Darauf muss sich das Personal im Verkauf einstellen.«

Gerd Bittl-Fröhlich, sportsella.com

Passen später Mimik, Gestik und Worte zusammen, wirkt man authentisch und glaubwürdig. Erstes Vertrauen stellt sich ein. Verschränkte Arme signalisieren das Gegenteil, denn sie werden von den meisten Menschen als ablehnende Signale interpretiert.
Ein kurzer Small Talk hilft, die Kundin oder den Kunden besser einschätzen zu können, denn nicht jede Zielgruppe möchte gleich angesprochen werden. Ältere sind eine andere Ansprache als Junge gewohnt, eine Rennradfahrerin eine andere als ein Radler, der mit dem Cargobike die Kinder in die Kita bringen und auf dem Rückweg den Wochenendeinkauf erledigen möchte. Um den richtigen Ton zu treffen, hilft es, sich gedanklich immer wieder in unterschiedliche Zielgruppen hineinzudenken. Auch im Austausch mit dem Team lässt sich ausloten, welche Ansprache in welcher Situation erfolgreich ist. Gleichzeitig sollte jedes Verkaufspersonal aber auch offen für Überraschungen bleiben, denn allzu oft scheren Kunden aus der ihnen »zugewiesenen« vermeintlichen Zielgruppe aus.

Das Motiv hinter dem Einkauf

Nach der Begrüßung wird das Motiv beziehungsweise der Bedarf der Kundschaft ausgelotet, so das klassische Modell des Verkaufsgesprächs. »Den Begriff ›Informationsphase‹ halte ich für geeigneter als die bekannte Bedarfsanalyse«, interveniert Gunnar Schmidt und begründet dies damit, dass »es in dieser Phase für uns als Verkäufer um das Einholen von Informationen geht. Als Verkäufer vermeide ich jetzt die Sagetechniken und setze die Fragetechniken ein.«
Bei den Fragetechniken sind die offenen oder W-Fragen die richtige Wahl, um detaillierte Informationen zu erhalten. Ein Beispiel: Auf die geschlossene Frage »Brauchen Sie das Fahrrad für den Einkauf?«, antwortet ein nicht sonderlich gesprächiger Kunde mit »Ja« oder »Nein«. Auf die Frage »Was möchten Sie denn mit Ihrem neuen Fahrrad unternehmen?« lautet die Antwort vielleicht so: »Am Wochenende möchte ich damit den Einkauf machen. Und bei schönem Wetter kann ich mir vorstellen, damit in die Arbeit zu fahren.«
Neben der richtigen Fragetechnik ist das Zuhören überaus wichtig. Nur so kann die Welt der Kundschaft vollständig erfasst werden. In der Theorie spricht man hier von der emotionalen Intelligenz, die nötig ist, um vom rein produktbezogenen zum kundenorientierten Verkauf zu kommen. Selbst kleinste Details sollten für das weitere Gespräch, zum Beispiel für den Zusatzverkauf, nicht verloren gehen. »Die Lebenswelt der Kunden sollte sich also nicht dem Produkt anpassen, sondern das Produkt der Lebenswelt«, fasst Gerd Bittl-Fröhlich zusammen. Und trotzdem sollten in dieser Phase auch Fakten geklärt werden: Fragen zum Fahrradtyp und zu gewünschten Besonderheiten wie die Farbe engen die Produktpalette ein, ebenso wie das zur Verfügung stehende Budget.
Verkaufsexperte Gunnar Schmidt rät in dieser Phase zudem zur Selbstreflexion: »Sich selbst beobachten, Kollegen beobachten und nach einem Verkaufsgespräch einmal kurz die Gesprächsanteile notieren, das hilft. Spricht der Verkäufer zu 80 Prozent und der Kunde zu 20 Prozent, dann ist klar, wie die Informationen fließen. Teilweise findet in dieser Phase eine technische Überberatung statt, die der Kunde für seine Entscheidung nicht braucht. Letzte technische Details sind vielleicht bei der Fahrradübergabe besser aufgehoben.«

Verkaufen mit allen Sinnen funktioniert nur im stationären Handel.

Die Lösung: Das Produkt

Die Produktvorstellung sollte einen passgenauen Lösungsvorschlag für die Wünsche der Kundschaft darstellen. Um damit ins Schwarze treffen zu können, sollten die Mitarbeitenden die eigenen Produkte und neuesten Technologien genau kennen. Produktschulungen der Hersteller helfen hier weiter, aber auch der Austausch im Kollegium. Zu viele Produkte anzubieten, verwirrt die meisten Menschen. Eine kleine Auswahl, die sich in der genannten Preisspanne bewegt, ist zielführender und erleichtert den Überblick.
Die Argumentation für ein Produkt sollte logisch aufgebaut sein, also eine begründete Behauptung enthalten und den Fokus auf den Kundennutzen legen. Wichtig ist dabei auch, alle Sinne der Kundinnen und Kunden anzusprechen. Bei Fahrrädern sollte eine Testfahrt obligatorisch sein. Auch dafür sollte dieses optimal auf die Kundschaft eingestellt sein.

Der Verkaufsabschluss

Mit der Testfahrt ist man schon sehr nahe am Verkaufsabschluss dran. Dennoch scheuen viele diese Phase, die laut Gunnar Schmidt wohl »die kniffeligste Phase ist, wenn es darum geht, verbindliche Entscheidungen beim Kunden abzurufen. Das ist dann auch der Moment, wo der Kunde mal kurz die Luft anhält oder den Partner/die Partnerin anschaut. Die Phase des Verkaufsabschlusses ist mit einer Menge von Befürchtungen behaftet und da erinnere ich mich, wie butterweich ich selbst als junger Verkäufer oft wurde. Viele vermeiden es, ein ›Ja‹ des Kunden abzuholen. Wobei man auch darauf vorbereitet sein muss, dass die Entscheidung ein ›Nein‹ sein kann. Doch das ist nicht schlimm, man bewegt sich ja im Verkauf auf Augenhöhe.«

»Ein guter Verkäufer hat auf alles eine Antwort, ein sehr guter Verkäufer stellt die richtigen Fragen.«

Gunnar Schmidt, Berater, Coach und Trainer im Fahrradfachhandel,
zur Informationsphase im Verkaufsgespräch

Gerd Bittl-Fröhlich von sportsella.com nennt einen wichtigen Grund, warum es zu einem »Nein« kommen könnte: »Vielleicht spulte der Verkäufer auch das klassische Modell des Verkaufsgesprächs ab, ohne zu merken, dass der Kunde irgendwann aus dem Gespräch ausgestiegen ist. An so einem Punkt sollte man genau hinsehen, wann das Gespräch einseitig wurde. Manchmal gelingt es dann noch, das Ruder herumzureißen. Gelingt es nicht, weiß man wenigstens, wo die Schwachstelle war. Ich plädiere deshalb sehr dafür, bei Nicht-Abschlüssen nicht frustriert zu sein, sondern die Chance der Reflexion mit Blick auf das nächste Gespräch zu nutzen.« Ein Plädoyer, dem auch Markus Unger, Geschäftsführer von vit:bikes, einem Franchise-System mit inzwischen deutschlandweit 15 angeschlossenen Radläden, zustimmt: »Misslingt ein Abschluss, stellt sich im Rückblick auf das Gespräch meist heraus, dass schon bei der Kontaktaufnahme etwas schiefging. Da bewahrheitet sich leider oft der Spruch ›Keine zweite Chance für den ersten Eindruck‹.«
Neben dem Verkaufsabschluss bietet sich nun auch die Gelegenheit, einen Zusatzverkauf zu tätigen. »Er beinhaltet aber mehr als die Frage ›Und ein Schloss haben Sie noch?‹. Fragt man so, ist das Verkaufsgespräch schnell zu Ende und es bleibt nur noch der Gang zur Kasse. Also auch hier brauche ich ein geschickteres Vorgehen«, mahnt Gunnar Schmidt. Dazu zählen eine Warenpräsentation, bei der in Produktgruppen gedacht wird. Hat die Verkaufscrew diese im Kopf und hörte sie der Kundschaft bei der Bedarfsanalyse genau zu, befindet sie sich in einer guten Ausgangslage.

Verkaufsgespräche mit Termin

Manche Händlerinnen und Händler schlagen hinsichtlich Verkaufsgespräche seit Kurzem einen neuen Weg ein. Sie vergeben Termine. »Das erleichtert den direkten Gesprächseinstieg und die Abschlussquoten sind höher. Wichtig dabei ist aber: Termingespräche passen nicht in jeden Laden, nicht in jedes Sortiment und auch nicht in jede Lage. Da müssen die Inhaber genau hingucken und nach einer Analyse eine eigene Gesprächsstrategie bestimmen«, empfiehlt Gunnar Schmidt.
Markus Unger hat die Analyse bereits hinter sich und setzt seit 2015 beim Fahrradverkauf und bei der ergonomischen Vermessung auf die Vereinbarung von festen Terminen, »da wir immer wieder feststellten, dass unsere Kunden zumeist pulkartig in unser Geschäft kamen. Diese Situationen lösten dann unnötig Stress aus, worunter auch die Qualität der Beratung litt. Alle Beteiligten hatten das Gefühl, nicht ausreichend Zeit zu haben. Also versuchten wir, die Lage zu entzerren. Mit der Vereinbarung von Beratungsterminen erhöhten wir neben der Verbindlichkeit auch die Qualität des Gesprächs. Allerdings mussten wir uns auch daran gewöhnen, dass unser Tagesablauf heute etwas starrer organisiert ist.« Auch Gerd Bittl-Fröhlich plädiert angesichts des Verkaufs eines Fahrrades für diese Variante: »Für Produkte ohne Klärungsbedarf, wie einen Schlauch, eine Luftpumpe etc. braucht es das natürlich nicht.«
Der größte Unterschied zum klassischen Verkaufsgespräch liegt darin, dass »die Phasen Begrüßung, Motiv- und Bedarfsanalyse und damit der Aufbau von Vertrauen bei uns online beziehungsweise per Telefon stattfinden«, erzählt Unger aus der Praxis. »Für die klassische Bedarfs- oder Motivanalyse nutzen wir zwei Kanäle, die außerhalb unseres Geschäfts liegen: Im ersten Schritt kann ein Kunde über ein Online-Formular auf unserer Homepage erste Angaben dazu machen. Im zweiten Schritt ruft ein Verkäufer bei ihm an und erkundigt sich detailliert nach seinen Wünschen. Das ist auch die Phase, in der geklärt wird, ob der Kunde bei uns überhaupt an der richtigen Stelle ist und ob Kunde und Verkäufer ›zusammenpassen‹. Mit den Informationen aus dem Gespräch bereitet der Verkäufer dann den Termin vor Ort vor. Ist der Kunde vor Ort, dienen die Informationen aus der telefonischen Bedarfsanalyse als Gesprächseinstieg.«

Plädoyers für Weiterbildung

Ob mit oder ohne Termin, Verkaufen ist die Grundlage eines jeden Fahrradgeschäfts. Deshalb ist ein optimal geschultes Personal unverzichtbar. »Wir machen jeden Freitag einen Call mit unseren Verkäuferinnen und Verkäufern, bei dem wir schwierige Verkaufssituationen analysieren und in Rollenspielen üben. Auch in unseren Verkaufsskripten behandeln wir schwierige Situationen im Verkaufsgespräch«, berichtet Markus Unger von seinen innerbetrieblichen Maßnahmen.
Gerd Bittl-Fröhlich spricht sich für Schulungen aus, weil »sich in den letzten Jahren sehr viel verändert hat. Die Kunden sind immer informierter und mündiger. Darauf muss sich das Personal im Verkauf einstellen und vielleicht das Muster immer wieder mal modifizieren. Auch das kann man lernen.«
Den wirtschaftlichen Faktor hebt abschließend Gunnar Schmidt hervor: »Wenn man drei Verkäufern eine praxiserprobte Methode an die Hand gibt, sodass jeder von ihnen ein Gespräch mehr am Tag führen kann, dann sind das drei Gespräche mehr am Tag, also mindestens fünfzehn in der Woche und damit circa 60 im Monat. Bei einer Umwandlungsquote von Gespräch zu Verkauf von aktuell über 50 Prozent ist das enorm. Außerdem wirkt es sich auch positiv auf die Verkäuferzufriedenheit aus.« //

4. Oktober 2022 von Dorothea Weniger

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