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Markt - E-Bike-Segmente

Wohin entwickelt sich der E-Bike-Markt?

Wenn man doch nur wüsste, welche E-Bikes die Kunden im nächsten und übernächsten Jahr haben wollen ­– der eigene Einkauf wäre ein Kinderspiel. Doch man weiß es nicht so genau, weswegen man analysieren muss, welche Schlüsse die bisherige Marktentwicklung erlaubt.

Die Vororder findet dieses Jahr noch früher als letztes Jahr statt, was die Risiken vergrößert. Statt sich zum Ende der Saison hin überlegen zu können, was besonders gut oder schlecht lief und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, müssen einmal mehr Entscheidungen getroffen werden, von deren Richtigkeit man sich leider nicht mit aktuellen Verkaufszahlen überzeugen konnte.
Praktisch jeder Fahrradhändler wird noch stärker auf E-Bikes setzen müssen, was einerseits eine ziemlich naheliegende Entscheidung ist, aber auch hohe Anforderungen beim verfügbaren Kapital darstellt. Das ist eine Verschärfung der Situation, es ist aber das Los des Unternehmers, dieses Risiko jedes Jahr aufs Neue auf sich nehmen zu müssen.
Für die Hersteller ist die Lage nicht viel besser. Angesichts ihrer Abhängigkeit von Vorlieferanten, die ihrerseits an Kapazitätsgrenzen arbeiten, haben sich auch ihre Vorlaufzeiten massiv verlängert. Statt »nur« zwei Jahre vorausplanen zu müssen, sind es nun deutlich längere Zeiträume, die eingeschätzt und gestaltet werden wollen. Nichts davon ist einfach. Die besten Anhaltspunkte, um den Gesamtmarkt der Zukunft zu überblicken, bieten in einer solchen Lage die bisherigen Marktdaten, soweit sie verfügbar sind. Diese machen große Hoffnung.

Die drei großen E-Segmente

Der ZIV geht davon aus, dass der Marktanteil der elektrifizierten Fahrradsegmente weiter wachsen wird.
40 Prozent sollten schon kurzfristig erreicht werden können, auf längere Sicht sieht der Industrieverband sogar mehr als die Hälfte der verkauften Fahrräder mit einem E-Antrieb ausgerüstet.


Praktisch alle E-Segmente wachsen jedes Jahr, allerdings ist die Dynamik durchaus unterschiedlich.

Die drei wichtigsten Säulen dieser zweirädrigen E-Mobilität sind motorisierte Trekking-, City- und Mountainbikes mit jeweils deutlich über einer halben Million verkauften Einheiten. An der Spitze der Liste steht das E-Trekkingrad, das vor zwei Jahren das E-Cityrad auf den zweiten Platz verdrängt hat. Tatsächlich sind die Verkaufszahlen für E-Trekkingräder innerhalb von sechs Jahren um das 3,6-Fache gestiegen, bei E-Citybikes liegt der Faktor nur bei knapp 2, bei E-MTBs dafür bei bemerkenswerten 13,6. Die Dynamik innerhalb der Segmente ist also mitunter sehr verschieden. Rechnet man die Entwicklung weiter, setzt sich das E-MTB schon sehr bald an die Spitze – vorausgesetzt natürlich, der Markt entwickelt sich auch weiterhin wie bisher.
Nach diesen drei dominanten E-Segmenten, die in Zukunft sicher noch weiter aufgeschlüsselt werden können, kommt erst mal eine große Lücke, bis schließlich das elektrounterstützte Lastenrad zu sehen ist. Das ist wenig verwunderlich, bringen die drei großen Segmente ein Marktgewicht von über 1,8 Millionen verkauften E-Fahrrädern auf die Waage. Das ist ein E-Marktanteil von über 93 Prozent.
Das lässt die Faszination der E-Lastenräder fast übersehen. In der Frühjahrspräsentation des ZIV wurde die jüngste Entwicklung bei Lastenrädern als »unverändert im Vergleich zum Vorjahr« festgehalten, was der Wahrnehmung als Boomsegment zunächst zu widersprechen scheint. Tatsächlich gilt das bestenfalls für den unmotorisierten Anteil. Stückzahlenmäßig sind die Elektrovarianten des Lastenrads nach wie vor begehrt, was letztlich keine Überraschung ist. An kaum einem anderen Fahrradtypus ist der E-Antrieb so sinnvoll. Jahr für Jahr wächst dieses E-Segment um etwa 50 Prozent, was überaus eindrucksvoll ist.

Die großen und kleinen Fragezeichen

Die schnellen S-Pedelecs leiden nach wie vor unter den unvorteilhaften Rahmenbedingungen. Für 2020 zählt der ZIV bescheidene 9800 verkaufte Einheiten, was zwar prozentual ein schönes Plus ist, absolut aber eine absolute Nische bleibt. Man darf annehmen, dass sich das nicht besonders verändern wird. Die eigenwillige Kategorie der ATBs ist laut den ZIV-Daten seit Jahr und Tag noch komplett unelektrisch unterwegs, obwohl in 2020 noch 352.800 Stück verkauft wurden. Das darf man als kurios bewundern, ist aber wohl vor allem der etwas schwammigen Definition von »ATB« geschuldet. Ein »All-Terrain-Bike« mit elektrischem Antrieb und StVZO-Ausstattung wird von den Herstellern heute wohl eher der Kategorie »SUV« und damit dem E-Trekking-Segment und mit etwas breiteren Reifen den E-MTBs zugeschlagen. Auch Kinder- und Jugendräder mit E-Antrieb sind noch ganz klar eine kleine Nische.
Die Ausnahmesituation in 2020 brachte in vielen Elektro-Segmenten Wachstumsraten von 50 Prozent und mehr. Auch 2021 entwickelt sich augenscheinlich und bislang zu einem sehr starken Jahr, wenn man die massiven Nachschubprobleme mal kurz ignoriert. An solche Saisons sollte man sich lieber nicht gewöhnen, derartige Steigerungen lassen sich im Normalfall nicht langfristig aufrechterhalten.
Schon nächstes Jahr könnten die Karten neu gemischt werden. Wenn die Pandemie-Einschränkungen einmal wegfallen und die Fahrradwirtschaft ihre Lieferproblematik tatsächlich lösen sollte, gilt es zu einem neuen Normal zu finden. Wird es dann noch mal ein wachstumsstarkes, gutes Jahr geben, weil die Kundinnen und Kunden dann endlich ihre Wunsch-E-Bikes kaufen können, auf die sie so lange warten? Oder gibt es dann einen Überfluss an Auswahl, der den Handel unter Druck bringt? Vieles spricht dafür, dass auch im nächsten Jahr das Fahrrad in Alltag und Freizeit der Menschen eine große Rolle spielen wird. Nichts von den vielen Vorzügen wird verschwinden, mehr noch, die Attraktivität des Radfahrens wird in den Städten und auf dem Land weiter steigen. Wie sich all die verschiedenen Faktoren auf die Verkaufszahlen auswirken werden, darauf gibt es trotzdem zu diesem Zeitpunkt noch keine klaren Aussichten. Die Unwägbarkeiten bleiben groß, die Chancen auch.

8. Juli 2021 von Daniel Hrkac
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