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Objektive Berichterstattung gefordert

VSF spricht von „Panikmache“ bei jüngsten Fernsehberichten zu Pedelecs

Der Fahrradbranche weht seit Kurzem ein heftiger medialer Gegenwind ins Gesicht. Eine Entwicklung, die nach den vielen Lobeshymnen auf das Radfahren in der Vergangenheit immer noch viele Marktteilnehmer überrascht. Angefangen von der teilweise reißerischen Berichterstattung der Stiftung Warentest anlässlich des letzten Pedelec-Tests über verschiedene Fernsehberichterstattungen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, in denen Pedelecs pauschal als mangelhaft dargestellt wurden (velobiz.de berichtete) . Der VSF hat nun insbesondere die zuletzt genannten Medienberichte kritisch aufgearbeitet. Die Ergebnisse und Schlussforderungen daraus hat der VSF soeben veröffentlicht.

Der VSF spricht von „Panikmache“ und kritisiert u.a. die effekthascherische Aufmache bei den Wirtschaftsmagazinen „plusminus“ der ARD und „markt“ des WDR. Dabei habe der VSF insbesondere die notwendige Sorgfalt, die ein solches Format erwarten ließe, vermisst. Als weiteres Beispiel nennt der VSF ein Bericht des Magazins „Kontraste“, in dem unter der Überschrift „umstrittener Freiheitswahn“ gegen den eine Helmpflicht ablehnenden ADFC polemisiert wird.

„Gerade von öffentlich-rechtlichen Sendern erwarten wir eine qualifizierte und objektive Berichterstattung, nicht aber die Irreführung und Desinformation der Zuschauer“, sagt Albert Herresthal, Vorsitzender des VSF.

Konkret kritisiert er die Fakten unterschlagende Berichterstattung bei „plusminus“. In der Sendung vom 10. Juli wurde unter dem Motto "Pedelecs sind gefährlich" von einem tragischen Unfall eines 78-jährigen Mannes berichtet, der durch das Aufschaukeln eines Pedelecs bergab bei einer Geschwindigkeit von ca. 40km/h verursacht wurde. Dazu der VSF: „Nicht erwähnt bleiben dabei jedoch wesentliche Informationen: Das Tiefeinsteiger-Pedelec, welches das Unfallopfer fuhr, unterstützt lediglich bis 25 km/h und riegelt dann den Motor ab. Das heißt, zum Zeitpunkt des Unfalles war der Antrieb selbst gar nicht mehr im Spiel. Das Flattern bzw. Aufschwingen eines Fahrrades ist zudem weder ein neues noch ein allein Pedelecs vorbehaltenes Problem. Das Phänomen kann unter bestimmten Umständen, z. B. bei Überladung des Rades oder falscher Gewichtsverteilung, auch bei unmotorisierten Fahrrädern auftreten. Tendenziell neigen so genannte Tiefeinsteiger zu diesem Phänomen.“

„Ein flatterndes Fahrrad ist unbestritten inakzeptabel“, erklärt VSF-Frontmann Herresthal. „Der VSF plädiert innerhalb der Branche dafür, dass jedes Fahrrad selbst bei ungewöhnlichen Geschwindigkeiten fahrstabil sein sollte.“ Das Unterschlagen der genannten Informationen bei „plusminus“ suggeriere dem Zuschauer jedoch, dass allein Pedelecs diese Flatterneigung aufweisen würden und diffamiere auf diese Weise pauschal Fahrräder mit Elektroantrieb.
Im Zuge der Reportage verweisen nun die Journalisten auf einen Pedelec-Test der StiWa und des ADAC aus dem Jahr 2011, in dem das Rahmenflattern beim Unfall-Modell bereits als Mangel benannt wurde. Doch wieder bleibt ein wesentliches Detail unerwähnt: Das Rad war trotz der bemängelten Flatterneigung von StiWa und ADAC zum Testsieger gekürt worden. Dieses gezielte Unterschlagen von Informationen liefert ein verzerrtes Bild der Fakten, um einen ohnehin schon tragischen Fall noch dramatischer erscheinen zu lassen.

Sachverständiger Zedler wehrt sich

In diesem Bericht wurde auch der Fahrradsachverständige Dirk Zedler zitiert. „Meine ursprünglich sehr differenzierten Aussagen zu Pedelecs und zum aktuellen Marktgeschehen wurden durch radikale Zusammenschnitte sinnentstellend genutzt“, berichtet Zedler. So seien nur die Äußerungen in den Beitrag hineingeschnitten worden, die in den negativen Grundtenor der Sendung passten. „Meine Differenzierungen und der Hinweis darauf, dass es gewaltige qualitative Unterschiede zwischen engagierten Markenanbietern und Billigherstellern gebe, wurden schlicht ignoriert und herausgeschnitten. Ein solches Vorgehen hätte ich möglicherweise bei Privatsendern erwartet, nicht aber beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen“, so Zedler.

Auch die Sendung "markt" vom 15. Juli kritisiert der VSF scharf: So wird u.a. ein Pedelec von Autoteilehändler ATU, das im unteren Preissegment anzusiedeln ist, als Beleg für die Gefährlichkeit von E-Bikes herangezogen. Die einzig logische Schlussfolgerung, dass man E-Bikes nur im qualifizierten und beratenden Fahrradfachhandel kaufen und ausführlich Probefahren sollte, wird jedoch nicht gezogen. Zudem nennt die Moderatorin den Preis von 1000 bis 2000 Euro in ihrer Anmoderation bereits ein "Heidengeld" und beweist damit „wenig Sachverstand“, wie es vom VSF heißt.

„Eine einseitige Berichterstattung, welche auf eine differenzierte Betrachtung der realen Marktsituation verzichtet, kann nicht im Sinne der Verbraucherinformation sein“, so das Fazit Herresthals. „Von einem Wirtschaftsmagazin der öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten erwarten wir mehr Qualität.“

29. Juli 2013 von Jürgen Wetzstein

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