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Kolumne - Marius Graber

267 Franken bitte

Ich war wohl noch etwas verschlafen. Der Kunde stellte mir sein schickes Elektrovelo hin, war schon fast wieder gegangen und sagte nur: »Alles gut, nur das Licht vorne geht seit gestern nicht mehr.« Ich rief kumpelhaft zurück: »Kein Problem, machen wir bis Mittag« und sah mich – altgestrig – ganz fix...

... ein Käbelchen einstecken, Halogenbirnchen wechseln, Kontakt zurechtbiegen und stolz »Voilà« rufen, »geht wieder«. Meine Mechanikerin sah mich schon bald mit strengem Blick an: So harmlos die Fehlerbeschreibung, so wenig husch-husch deren Behebung. Es stellte sich heraus, dass das Steckerchen am Scheinwerferkabel gebrochen war. Und da das Kabel schon so etwas zu kurz und das Steckerchen nicht einzeln erhältlich war, musste also das ganze Kabel gewechselt werden. Nun handelte es sich hier um eines dieser neumodischen, schicken E-Bikes, weshalb nicht nur der Akku samt Motor ausgebaut, sondern sogar der ganze Steuersatz und die Gabel freigelegt werden mussten, wofür bald auch Bremsleitungen und Schaltkabel lose in der Luft hingen. Das Velo sah aus, als würden wir eine Herztransplantation machen. Und das wegen eines Scheinwerfers, der nicht brennt. Doch damit nicht genug: Schon bald zeigte sich, dass sich das neue Kabel nur absolut unwillig durch den Rahmen ziehen ließ. Es klemmte hier, hakte da und fand dort das Loch nicht. Bald schon waren unsere Mechaniker – inzwischen zwecks moralischer Unterstützung zu zweit – mit Stirnlampe, Drähtchen und der Reißnadel wie Zahnärzte am Werk.

Meine Mechanikerin schaut verzweifelt auf die Uhr, sie bekommt langsam die Krise. Der Kunde wird sie ob der Rechnung kriegen und ich habe sie schon längst.

Meine Mechanikerin schaut verzweifelt auf die Uhr, sie bekommt langsam die Krise. Der Kunde wird sie ob der Rechnung kriegen und ich habe sie schon längst. Wie klopfen wir uns auf die Schultern und reden uns zu, dass die Fahrradbranche doch immer professioneller wird. Ich bezweifle das gerade, denn es braucht nicht viel Fantasie, um sich vor den nächsten Reparaturen zu fürchten: Steuersatz nachstellen und dann zeigt sich, dass ein Steuerlager ersetzt werden muss. Früher die Sache einer halben Stunde, jetzt eine Aufgabe für den halben Morgen. Oder Schaltkabel wechseln beim Rennvelo – ich muss hier wohl nicht erwähnen, dass gute Mechanikerinnen und Mechaniker rar sind. Wie sollen wir all die Velos servicieren, wenn ein defekter Scheinwerfer zur Tagesaufgabe wird?

Warum denkt keiner der guten Produktmanager und Fahrraddesigner an die Effizienz bei einer allfälligen Reparatur? Wenn mir dann geantwortet wird: »Ist doch gut, das gibt Werkstattumsatz« dann hört bei mir das Schulterklopfen sofort auf. Denn mindestens einer legt drauf: Entweder die Werkstatt, der Kunde oder in der Folge die Glaubwürdigkeit des Produktes. Wenn wir diese nicht verspielen wollen, dann brauchen wir nicht nur reparierbare, sondern servicefreundliche Produkte. Und Scheinwerfer, die wieder brennen, wenn der Kunde am Mittag zurückkommt.

Marius Graber ist seit über 35 Jahren Fahrradhändler in Luzern und schreibt seit 25 Jahren für Fachmagazine über Fahrradtechnik, Reisen und die Branche.

14. Mai 2025 von Marius Graber
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