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Die VSF-Kundenzeitrschrift "Abfahren" wird nach vielen Jahren eingestellt.
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Nachruf auf das VSF-Kundenmagazin

"Abfahren" auf die letzte Ausgabe

Die allerletzte Nummer landet dieser Tage auf dem Ladentisch von VSF-Händlern. Dabei wirkt sie doch immer noch so jung: Die "Abfahren" läuft aus.

Ein Stück Fahrradmedien-Geschichte geht gerade zu Ende. 1988 unter Mitwirkung von Branchen-Urgestein Ulrike Saade gegründet, sollte das Magazin von Anfang an als Kommunikationsinstrument für die Händlerinnen und Händler im damals noch sogenannten „Verbund selbstverwalteter Fahrradbetriebe“ dienen. Gleichzeitig war damit ein Medium geschaffen, das die zunächst verbandseigene Fahrradmarke VSF Fahrradmanufaktur bewerben konnte. Die Produktion des Magazins und einen Teil der Redaktion übernahm eine Bremer Agentur, lange Jahre war der bekannte Bremer Journalist Helmut Dachale einer der Hauptautoren.

So lag das Heft also seit Ende 1988 drei- bis viermal im Jahr neben dem Zahlteller auf dem Tresen, und die Kunden und Kundinnen nahmen es mit. Warum auch nicht: ein kostenloses Fahrradmagazin, das einen durchaus professionellen Anspruch erfüllte – auch wenn es als Magazin des VSF nicht den ganzen Markt näherbringen konnte. Service-Artikel, klare Technik-Erklär-Stücke und Reisegeschichten machten sie so oder so lesenswert.

Große Besetzung für ein kleines Kundenblatt

Dass die inhaltliche Qualität stimmte, dafür sorgten neben der Agentur Schwercke und Partner beziehungsweise später Zweiplus eine Gruppe von teils gut bekannten freien Fachautoren. Neben besagtem Helmut Dachale schrieben unter anderem Technik-Journalist Peter Barzel und Fahrradmedien-Tausendsassa Gunnar Fehlau in der Abfahren, und unter dem Pseudonym Stefan Hermes trug einer der wichtigsten deutschen Zeitungsjournalisten in Sachen Technik zum überzeugenden Standing des Magazins bei. Sogar Sterns Haus-und-Hof-Karikaturist Till Mette zeichnete lange für die Abfahren.

Überhaupt: Kultur! Für die Autoren und Autorinnen, die sich meist einmal im Jahr zur Redaktionssitzung trafen, stand das Magazin auch für mehr Menscheln und weniger Technik-Test und war oft ein angenehmer Ausgleich zu anderen Auftragsarbeiten. Und die Glosse zu schreiben, die in den letzten Jahren sogar als „Rausschmeißer“ auf der letzten Seite fest im Heft installiert war, war ein begehrter Job.

Doch „hilft das Magazin uns und dem Fahrrad weiter?“ zweifelten immer wieder viele Händlerinnen und Händler. Über lange Sicht sicher: „Wir haben mit der Abfahren immer wieder auf die Wichtigkeit von Service und Qualität hingewiesen und die Wahrnehmung der Leserinnen und Leser dazu gestärkt“, meint Albert Herresthal, langjähriger Geschäftsführer des VSF. Noch 2008 lag der Durchschnittspreis eines Fahrrads bei 368 Euro. Da bedurfte es Überzeugungsarbeit zu zeigen, dass ein Rad auch ein Hightech-Gerät sein konnte, das seine 2.000 Euro wert war – und das andererseits als technisches Gerät eines gewissen Umfangs an Wartung und Instandhaltung bedurfte. Bei Umfragen unter den beteiligten Händlerinnen und Händlern wurde der Abfahren zwar laut VSF auch zuletzt eine hohe Qualität bescheinigt, trotzdem vertrauten dauerhaft zu wenige auf ihre effiziente Funktion als Kommunikationsinstrument. Die Auflage von 30.000 Heften ist, verglichen mit anderen Fahrradfachzeitschriften, übrigens durchaus relevant.

Sargnagel Anzeigenverkauf

Die seit Jahren angespannte und von Corona noch verfestigte Zurückhaltung der Anzeigenkunden und deren Abwanderung ins Internet war sicher ein weiterer Sargnagel der Abfahren. „Viele Unternehmen, die anfangs schon dabei waren, sind auch heute noch Partner“, erklärt Ulrike Saade mit Blick auf die ersten Ausgaben. Doch insgesamt reichte es eben nicht, und Unternehmen für die analoge Medienwelt zu begeistern ist heute schwierig. Schon vor Jahren gab es Ansätze, das Blatt auch digital zur Verfügung zu stellen. Sie wurden aber nur für einen Themenbereich umgesetzt.
Die Radfans dagegen nahmen das Magazin durchaus wahr und ernst; das bescheinigen viele Leserbriefe. Sie mochten vielleicht auch die weniger marktschreierische und nicht allzu techniklastige Ausrichtung der Zeitschrift. Außerdem gehörte zur Abfahren auch ein politischer Bodensatz; der war nicht immer so deftig wie in den alternativen Anfangszeiten, aber unterschwellig immer vorhanden. Und die Abfahren konnte peppig sein. So veröffentlichte sie als erstes Fahrradmagazin einen Autotest. Staub aufwirbeln ging auch: Besagter Helmut Dachale veröffentlichte einst einen Artikel über Rowdys auf Rädern, der die damalige Bremer Landesvorsitzende des ADFC zum Rücktritt veranlasste.
Jetzt, Anfang Oktober 2021, wird nach 33 Jahren die letzte Ausgabe der Abfahren auf den Ladentischen liegen. Nicht nur dem Autor dieser Zeilen wird sie fehlen.

4. Oktober 2021 von Georg Bleicher

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