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Mit einer ersten Kollektion speziell für E-Biker will Maloja seine Qualitäten als Trendsetter beweisen.
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Report - E-Bikewear

Brauchen E-Biker spezielle Bekleidung?

Die Zahl der E-Bike-Nutzer wächst. Und mit ihr entsteht eine neue Zielgruppe mit anderen Ansprüchen. Auch an die Bekleidung? velobiz.de hat sich in der Branche umgehört.

Das E-Bike verleiht nicht nur seinem Fahrer, sondern auch dem Fahrradmarkt Schwung. Laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) wurden 2016 rund 605.000 Elektrofahrräder in Deutschland verkauft. Das sind 13 Prozent mehr als im Jahr davor und bedeutet, dass derzeit hierzulande rund drei Millionen Pedelecs auf den Straßen unterwegs sind. Und nicht nur das: »Die Zielgruppen werden jünger und sportlicher und gerade das E-Mountainbike erfreut sich immer größerer Beliebtheit«, heißt es seitens des Verbands, der glaubt, dass unter anderem »die Vielfalt der Modelle und Produktkategorien verantwortlich für die Begeisterung für das E-Bike ist.«

High-tech-Funktion bei Alltags-Optik

Diese noch junge, aber stark wachsende Fahrradkategorie beziehungsweise dieser neue Typ Radfahrer hat andere Ansprüche und Bedürfnisse. Zumindest glaubt das Radbekleidungs-Anbieter Maloja, der in diesem Jahr mit einer Kollektion speziell für E-Biker auf den Markt kam, denn: »Auf dem E-Bike ist man schneller unterwegs, gleichzeitig aber weniger aktiv. Das heißt, man ist bei geringerer körperlicher Belastung mehr Fahrtwind ausgesetzt und benötigt eine Textillage mehr beziehungsweise einen höheren Windschutz«, erklärt Ge-schäftsführer Klaus Haas.
Entsprechend ist bei den Oberteilen der E-Bike-Kollektion vor allem vorn windabweisendes Material verarbeitet. Zudem gibt es alltagstaugliche Details wie Kapuzen, die unter den Helm passen, die Schnitte sind moderater, die Designs urban-dezent. Damit entsprechen die Shirts und Jacken genau dem Typus des modernen E-Bike-Fahrers. Zumindest in der Theorie: Einer Studie zufolge, für die fahrrad.de zusammen mit einigen Partnern 1000 Teilnehmer zwischen 20 und 70 Jahren befragt hat, sehen insgesamt 26 Prozent das Pedelec als Auto-Ergänzung beziehungsweise Ersatz, sprich: sie möchten es für Alltagswege wie die Fahrt ins Büro, zum Einkaufen oder zur Kita benutzen. Und dafür quetscht man sich nicht in ein hautenges Lycra-Trikot. »Radbekleidung für den Alltags-E-Biker sollte eine hohe Funktionalität haben, aber nicht aussehen wie Radbekleidung, da diese teilweise den ganzen Tag getragen wird«, glaubt Cornel Blum von E-Motion Technologies, mit insgesamt 37 Shops deutschlandweit einer der größten auf E-Bikes spezialisierten Händler der Bundesrepublik. Seiner Erfahrung nach werde besonders der Auskühleffekt auf dem Elektrobike von den Fahrern noch häufig unterschätzt, weshalb auch (und speziell) im Bereich der Pedelec-Radbekleidung vermehrter Erklärungsbedarf entstünde. »Da durch das E-Bike generell mehr Menschen Rad fahren, die das ohne elektrische Unterstützung eher nicht tun würden, erschließen sich neue Zielgruppen, bei denen es definitiv einen höheren Erklärungsaufwand gibt. Seitens der Händler gilt es deshalb, Überzeugungsarbeit zu leisten, um die Vorteile von Funktionsbekleidung zu vermitteln«, sagt auch Anna Holzner, Produktmanagerin Bike-Bekleidung bei Funktionsbekleidungs-Spezialist Vaude.

Anders, aber ähnlich

Für das Tettnanger Unternehmen ist die Zielgruppe der E-Biker nach eigener Aussage schon länger von Wichtigkeit und es wird besonders bei neuen Bekleidungsmodellen darauf geachtet, sie auf die Bedürfnisse von E-Bikern hin zu modellieren und diese Besonderheiten auch herauszuheben. Maloja setzt auf Händlerschulungen und spezielle Kennzeichnungen im Orderbook, um die Einzelhandelspartner beim Abverkauf von E-Bike-Bekleidung zu unterstützen. »Die Nachfrage seitens des Handels hat angezogen«, freut sich Klaus Haas, räumt aber auch ein, dass sich diese Art Bekleidung (noch) nicht von selbst verkaufe und bei weitem nicht alle Geschäfte bestellen.
Auch unter den Radkonfektionären sind viele der Meinung, dass E-Biker zwar eine Zielgruppe mit Potenzial sind, aber keine, für die man gesonderte Bekleidung entwerfen müsste. »Wir haben bei Specialized keine spezielle E-Bike Bekleidung im Sortiment und sehen da auch in der Zukunft keinen Mehrwert. E-Biken, egal ob auf der Straße oder auf dem MTB, ist immer noch Radfahren und die Anforderungen an Hosen, Trikots, Schuhe und Helme sind in unseren Augen die gleichen«, argumentiert zum Beispiel Jan Bruns, Marketing-Verantwortlicher für Road und Triathlon bei Specialized. Und auch bei Shimano ist man sich zwar bewusst, dass »das E-Bike Menschen ein längeres Fahrerlebnis ermöglicht und sich damit auch die Anforderungen an die Textilien ändern.« Doch im Grundsatz gelte es unabhängig vom Fahrradtyp »Lösungen gegen Regen, Kälte oder Hitze zu bieten, um den Fahrspaß und das Wohlgefühl zu erhalten«, weshalb die neue Transit-Kollektion zwar Windschutz, Feuchtigkeitsmanagement, Reflektormaterialien und Details wie Schlüsseltaschen in alltagstaugliche Designs übersetzt – aber eben nicht als speziell für E-Biker deklariert wird. Eine bewusste Entscheidung gegen eine separate Auszeichnung, ebenso wie bei Radsportbekleider Gonso, wo man »eine solche Exklusivität« für nicht zielführend erachtet, da diese Deklaration ansonsten missverständlich interpretiert und somit der herkömmliche Radfahrer abgeschreckt werden könnte. Daher wird sich auch hier generell auf Features wie Wind- und auch Abriebschutz, erhöhte Sichtbarkeit durch Reflektormaterialien und Alltagstauglichkeit konzentriert.
Apropos Schutz: Radaccessoires-Experte Giro schwenkt bei der Bekleidung derzeit zwar bewusst in den sehr sportlichen Bereich und »weg von Merino und lockerer Passform«, wie der leitende Brandmanager Dieter Schreiber sagt. Jedoch, so ergänzt sein Kollege Sören Borcherding, »wird es demnächst spezielle E-Bike-Helme von Giro geben, die am Hinterkopf tiefer gezogen und nach der holländischen S-Pedelec-Norm NTA 8776 entwickelt sind, weshalb sie höheren Schlagkräften standhalten.« Sie sollen vor allem die Köpfe von Fahrern sogenannter S-Pedelecs schützen, also E-Bikes, deren Motor bis zu einem Tempo von 45 km/h unterstützt (herkömmliche Pedelecs stoppen die Motorhilfe bei 25 km/h).

Wie wichtig ist der E-Bike-Stempel?

Egal ob Kopf oder (Ober)Körper – das E-Bike hat die grundsätzliche Frage aufgeworfen: Was macht den Unterschied zwischen E-Bikern und Nicht-E-Bikern aus? Gibt es überhaupt einen Unterschied? – Und hat damit auch die Ausrüstungs-Anbieter zum Denken gebracht. E-Bike Experte Cornel Blum begrüßt diese Überlegungen als richtig und wichtig, denn »E-Biker sind in der Regel Menschen, die das Rad bisher weniger oft benutzt haben, als Biker ohne ›E‹, dank der Motorunterstützung aber dennoch oft täglich und auf längeren Strecken unterwegs sind.« Sie sind oft Einsteiger mit den Bedürfnissen ambitionierter Radfahrer und damit sehr wohl eine Zielgruppe mit besonderen Ansprüchen. Es gibt also einen Unterschied. Ob dieser jedoch über eine Bekleidungs- und Accessoires-Linie bedient wird, die explizit den Stempel »E-Bike« trägt oder über »normale« Fahrrad-Funktionsbekleidung – das dürfte zweitrangig sein, solange sie die Fahrt auf dem E-Bike mit durchdachten Features und Details zu dem macht, was sie sein soll: Ein Genuss, auf den man sich jeden Tag aufs Neue freut.

26. Juni 2017 von Carola Felchner
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