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Zuverlässige, langlebige und sichere Batterie­lösungen anzubieten, bleibt der Schlüssel zum Erfolg der Elektromobilität. Blick in die Fertigung bei BMZ in Karlstein.
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Report - Akkutechnik der Zukunft

Das ist erst der Anfang

Ohne leistungsfähige moderne Akkus wäre der Siegeszug des elektrounterstützten Fahrrads nicht denkbar. Diese Entwicklung ist längst nicht abgeschlossen. Ganz im Gegenteil werden von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in Unternehmen und an Universitäten noch gravierende Verbesserungen vorbereitet. Dies gilt sowohl für die unmittelbare Zukunft wie für die nächsten Jahrzehnte.

Leistungsfähige Lithium-Ionen-Akkus sind eine Erfolgsgeschichte. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass gegenwärtig eine Lithium-Zellen-Knappheit im Markt herrscht. Zahlreiche Unternehmen, allen voran der Automobilhersteller Tesla, haben eine große Nachfrage nach diesen Zellen. Das überproportionale Wachstum verschiedener Branchen sorgt für den aktuellen Engpass. Vor Kurzem hätte beispielsweise niemand in Erwägung gezogen, elektrische Kettensägen zu kaufen, inzwischen sind sie mitunter beliebter als ihr Benzin-Pendant. Und auch Powertools, Elektrostaubsauer oder die allgemeine Elektromobilität in China haben sich so stark entwickelt, dass die Zellen aktuell knapp werden. Nun zu glauben, dass Lithium-Ionen-Akkus ein fertig entwickeltes Produkt seien, das gut genug ist und lediglich noch mehr Produktionskapazitäten braucht, könnte nicht weiter weg sein von dem, was tatsächlich ansteht. Seit 1990 werden Lithium-Ionen-Batterien eingesetzt. Die Forscher gehen davon aus, dass man sich aktuell zwar in einer Phase intensiver Weiterentwicklung befindet, aber noch weitere 15 bis 25 Jahre vergehen werden, bis diese Produkte zur völligen Reife entwickelt sind. Es wartet eine prall gefüllte Pipeline an Innovationen und Entwicklungen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf die Welt. Davon wird natürlich auch der Fahrradmarkt profitieren, es wird ihn aber auch verändern.
»Durch Innovationen ist es möglich, die Energiedichte des Akkus jährlich um circa 5 bis 10 Prozent zu steigern. In der Theorie könnte Bosch eBike Systems also jährlich einen E-Bike-Akku mit einer Kapazität zwischen 20 und 40 Wattstunden mehr auf den Markt bringen«, erklärt Tamara Winograd, Leiterin Marketing Kommunikation bei Bosch eBike Systems. »Es ist aber nicht sinnvoll, im Akku-Bereich jedes Jahr ein neues Modell vorzustellen. Aus der Sicht von Bosch eBike Systems rechtfertigt der Fortschritt, alle zwei bis drei Jahre mit einem neuen Produkt auf den Markt zu gehen. Grundsätzlich gilt: Die Leistung von E-Bike-Akkus hat sich in den letzten Jahren enorm verbessert, die Reichweite ist inzwischen sehr gut.« Tatsächlich ist die Diskussion um mögliche Reichweiten bei Pedelecs etwas leiser geworden, verstummt ist sie aber längst nicht. Intensiv arbeiten die Entwickler daran, immer höhere Leistungswerte zu erzielen.

Neues Format steht vor der Tür

Eine der Entwicklungen, die bereits in unmittelbarer Zukunft im Fahrradmarkt ankommen wird, ist ein neues Zellformat. Bisher sind Zellen des Formats 18650 das gebräuchliche Maß. Die Zahl sagt aus, wie groß die Zelle ist. In diesem Fall hat sie einen Durchmesser von 18 mm und eine Bauhöhe von 65,0 mm. Seit vielen Jahren waren und sind diese Zellen in jeder Hinsicht das Maß aller Dinge. Jahr für Jahr haben es die Batterieentwickler geschafft, immer höhere Energiedichten in diese Zellen zu packen. Angesichts der hohen nachgefragten Stückzahlen ist ihre Produktion wirtschaftlich. Allerdings hat sich diese Entwicklung in den letzten Jahren bereits verlangsamt.
Um neuen Schwung aufzunehmen, wird nun das neue Zellformat 21700 eingeführt (ein Zylinder mit 21 mm Durchmesser und 70,0 mm Länge). Es wird ganz offensichtlich der neue Standard werden, der auch im E-Bike die nächsten Jahre die Hauptrolle spielen wird. Quasi alle namhaften Zellhersteller haben sich inzwischen zu dieser Größe bekannt. Erst jüngst hat auch Panasonic bekanntgegeben, auf diese Größe umzusteigen, obwohl man zunächst andere Formate bevorzugt und bisher angeboten hatte. Es sprechen viele Argumente für das neue Format.
»Je größer eine Zelle ist, desto günstiger wird das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen. Die Zellwand aus vernickeltem Stahl muss immer verbaut werden. Je kleiner die Zelle ist, desto ungünstiger wird das Verhältnis von Masse der Zellwand zur Masse der Zelle. Theoretisch können in größeren Maßen größere Energiedichten bezogen auf Gewicht oder Volumen realisiert werden«, erklärt Batterie-Guru und Leiter der Batteryuniversity in Karlstein Dr. Jochen Mähliß die grundsätzliche Ausgangssituation zugunsten von größeren Zellen. Indem mehr aktives Material in den Zellen untergebracht werden kann, lassen sich bereits ohne weitere Fortschritte bei der Entwicklung in Relation bessere Leistungswerte erzielen.
Ein anderes Argument für die neue Größe nennt einer der vier großen Zellhersteller Sony. So hat bei der Entscheidung für größere Zellen auch der Wunsch der Fahrradbranche eine maßgebliche Rolle gespielt, den Energiespeicher besser im Rahmen verstecken zu können. Stand heute sind 10S5P-Akkus geläufig (10 serielle Blöcke mit jeweils fünf parallel geschalteten Zellen). Bei der Unterbringung eines solchen Packs im Unterrohr bedeutet das, dass 50 Zellen verbaut werden müssten, die ein beträchtliches Volumen aufweisen. Mit dem neuen, größeren Format sind 10S3P-Akkus möglich, wo man mit 30 Zellen auskommt und vergleichbare Leistungswerte erzielt. Das hat natürlich Auswirkungen bei den möglichen Bauformen.
Ein weiterer Grund für das neue Format ist auch schlicht die Nachfrage des Marktes. Insbesondere der Autohersteller Tesla hat sich hier als Treiber hervorgetan. Das Unternehmen war das erste, das angekündigt hat, auf die neue Größe umsteigen zu wollen, weil es die höhere mögliche Energiedichte nutzen will. Angesichts des Umstands, dass Tesla alleine in 2014 ganze 15 % des Weltmarktes für Li-Ion-Zellen der Größe 18650 aufgekauft hat, kann man leicht nachvollziehen, warum die Zellhersteller diesem Ansinnen gefolgt sind.
Wie lange dieses Zellformat dann den Markt bestimmen wird, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Experten erwarten mindestens fünf Jahre, in denen diese Größe den Quasi-Standard in der Fahrrad- und Li-Ion-Welt setzt. Die guten alten 18650er Zellen werden damit aber nicht automatisch obsolet. In verschiedenen Anwendungen könnten sie als kostengünstige und ausreichend leistungsfähige Zellgröße noch lange Zeit Verwendung finden. So wird spekuliert, dass bei E-Bikes die 21700er Zellen zunächst einmal den Premiumprodukten vorbehalten bleiben, und die 18650er Größe in preissensitiven Segmenten den Vorzug erhält.
Davon abgekoppelt ist übrigens die Entwicklung der Automobilwelt insgesamt. Abgesehen von Tesla setzt jeder Hersteller auf seine eigenen Vorstellungen und Entwicklungen. Bevorzugt werden dabei besonders großformatige Zellen, um sich nicht nur mit dem besten Motor, attraktivsten Design oder der besten Ausstattung vom Wettbewerb abheben zu können, sondern auch mit der möglichst besten Batterie des Marktes. »Jeder OEM in der Automobilbranche, sei es Daimler, VW oder Porsche, kocht sein eigenes Süppchen. Es gibt keine Absprachen und leider auch keine Standards. Man versucht diese einzuführen, weil man nach ihrem Gebrauch in Elektroautos die Zellen noch im Rahmen einer Second-Life-Nutzung verwenden könnte«, erklärt Dr. Mähliß die Situation im Automotive-Bereich. Dies würde aber erschwert durch eine allzu große Vielzahl an Batterielösungen.

Wohin die Reise gehen könnte

Zumindest im Augenblick sind aber E-Bikes und Pedelecs ein wichtiger Wegweiser in Sachen Elektromobilität. Bei Bosch, wo man bekanntlich Automotive- und Fahrrad-Produkte entwickelt, sieht man die Entwicklung miteinander verbunden. »Das Portfolio von Bosch eBike Systems folgt Kerngedanken des Bosch-Konzerns: Die Mobilität der Zukunft ist elektrifiziert, automatisiert, vernetzt. Mit dem E-Bike sind wir bereits auf einem guten Weg: Automatisches, integriertes Schalten oder die Vernetzung des E-Bikes mit der Online-Welt. Das E-Bike ist Vorreiter der Elektromobilität – und ein Erfolgsmodell. Der Fokus bei der Akku-Entwicklung liegt bei Bosch eBike Systems auf Gewicht und Größe«, sagt Bosch-Sprecherin Winograd.
Dass nicht alles eitel Sonnenschein in der Akkuwelt ist, zeigt die Ersatzteilproblematik für E-Bikes, die bereits ein paar Jahre im Markt sind. Ausgerechnet eines der teuersten Bauteile an einem E-Bike hat nur eine begrenzte Lebensdauer. Während ein Motor sehr lange hält und der Kunde gewohnt ist, dass ein hochwertiges Fahrrad im Prinzip ewig am Rollen gehalten werden kann, ist der Akku in dieser Hinsicht eine echte Schwachstelle. Verschiedene Faktoren sorgen dafür, dass jeder E-Bike-Käufer früher oder später seinen Akku austauschen muss und dann viele (Stand heute) viele hundert Euro für Ersatz ausgeben muss, im Schnitt nach bereits vier bis sechs Jahren. Solche Kosten nach – für Fahrradverhältnisse – recht kurzer Zeit könnten ein Grund für noch so manches Ärgernis im Handel sein.
Es war bisher eine nicht nur undankbare, sondern sogar unmögliche Aufgabe für die Hersteller, langfristig Ersatzakkus für ältere Systeme anzubieten. Das liegt nicht nur daran, dass das Bauteil besonders kostspielig oder die Lagerung so aufwendig ist, sondern auch an der sogenannten kalendarischen Alterung der Zellen. Ein Akku verliert an verfügbarer Kapazität auch ohne verwendet zu werden. Chemische Prozesse sorgen dafür, dass jedes Jahr etwas Kapazität verloren geht. Die neuesten Zellen kommen auf akzeptable Alterungsraten von deutlich unter einem Prozent pro Jahr, ältere Semester liegen aber deutlich darüber, weswegen die erste Generation an E-Bikes noch länger ein Thema sein wird.
Bei Bosch hat man dieses Problem vor Augen und will sicherstellen, dass möglichst lange Ersatz verfügbar ist. »Wir erachten die Bereitstellung von Ersatzteilen als eine zentrale Aufgabe der Unternehmensführung und als festen Bestandteil unseres umfassenden Serviceangebots. Deshalb garantiert Bosch die Verfügbarkeit von Ersatzteilen für mindestens vier Jahre nach Auslauf der Serienproduktion. Bosch prüft zudem jährlich die Nachfrage für Ersatzteile und die Verfügbarkeit bei Lieferanten«, erklärt Winograd. Je nach Hersteller ist es aber dennoch leicht möglich, dass gerade dann keine Originalersatzteile mehr verfügbar sind, wenn sie benötigt werden.
Laut der Roadmap für die weitere Batterieentwicklung sollen bereits mittelfristig Li-Ion-Zellen auf den Markt kommen, die längere Lebensdauern aufweisen. Die Rede ist von acht Jahren. BMZ, wo man in Bälde neben dem Geschäft als Batteriekonfektionierer auch als Zellhersteller tätig sein wird, will eine Zelle auf den Markt bringen, die bis zu zwölf Jahre Lebensdauer bietet. Entschärft wird diese Problematik auch durch mittelfristig erwartete Kostensenkungen in der Produktion.

Vielversprechende Roadmap

Die Roadmap für die Batterieentwickler reicht übrigens bis in das Jahr 2030. Zu diesem Zeitpunkt sollen dann erstmals Lithium-Luft-Zellen verfügbar sein. Ihre Kapazität könnte dann zumindest theoretisch beim 25-fachen der aktuellen Batteriegeneration liegen. Zur Verdeutlichung: Ein E-Bike, das heute eine Reichweite von 50 km mit einer Ladung erreicht, käme bei vergleichbaren Batterie-Dimensionen dann 1.250 km weit. Ein Elektroauto, das heute 300 km Reichweite aufweist, käme dann mit einmal Aufladen 7.500 km weit. Was das für den Fahrradmarkt, den Straßenverkehr überhaupt und unseren Alltag bedeuten wird, darüber kann man heute höchstens spekulieren.
Die Experten gehen im Moment davon aus, dass dieser Plan nicht ohne Weiteres eingehalten werden kann. Tatsächlich ist die Erwartungshaltung so weit zurückgegangen, dass viele Forscher bezweifeln, ob solche Zellen überhaupt jemals in die Elektromobilität Einzug finden können. Ein besonders großer Leidensdruck besteht ohnehin nicht, denn das Potential der Li-Ion-Akkus ist noch längst nicht ausgereizt. Eine Verdopplung der Energiedichte bei niedrigeren Produktionskosten bis 2030 ist für Konsumgüter bereits eine ausreichend reizvolle Perspektive.
Der Technologiewechsel von Verbrennungsmotoren auf Elektroantriebe in der Zeit von 2030 bis 2050, wie in der Roadmap vorhergesagt, ist wohl kein Hirngespinst. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, wenn es um die Ausgestaltung dieser Zukunft geht. Die Fahrradbranche wird bei der weiteren Entwicklung vielleicht nicht mehr die Vorreiterrolle innehaben wie aktuell, aber spannende Produkte liefern und damit die Mobilität der Zukunft mitgestalten wird sie auf jeden Fall.

9. Oktober 2016 von Daniel Hrkac
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