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Vertriebsleiter Thomas Hummel (links) und der kaufmännische Leiter Viasta Vardjavand geben Einblicke in das Geschäftsmodell von Bloks.
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Report - Bloks

Der elektronische Bowdenzug

Das E-Bike hat die Fahrradbranche revolutioniert – eine Entwicklung, die noch nicht zu Ende ist. Mit der kompletten Elektrifizierung und Vernetzung des Fahrrads steht die nächste Revolution bereits in den Startlöchern. Das Münchner Start-up Bloks GmbH ist mittendrin.

Wenn es um E-Bikes geht, ist Daniel Meermann schon ein alter Hase, der bereits in jungen Jahren zwei Unternehmen im Bereich Smart Devices gegründet hat. Das Saatkorn für Bloks wurde bei dem Münchner während seines Engagements bei Bosch sowie seiner freien Beratertätigkeit gepflanzt. Für Bosch entwickelte er unter anderem das Nyon-Display mit. »Hier sind bereits viele Erfahrungen aus unseren vorherigen Projekten mit eingeflossen«, berichtet Meermann, der in seiner anschließenden Phase als Freelancer feststellte: »Uns wurden immer die gleichen Fragen gestellt: Wie sieht eine gelungene Integration der Komponenten bei E-Bikes aus und welche Möglichkeiten gibt es bei der Gestaltung des Displays für die Benutzerinteraktion?«
Im November 2014 gründete Meermann das Unternehmen blueprint engineering GmbH, das Mitte 2015 in BLOKS. GmbH umfirmierte. Das Kunstwort soll dabei für die verschiedenen Bausteine – Blöcke – stehen, die durch die Bloks-Architektur zusammengehalten werden, vergleichbar mit der zentralen Steuereinheit im Auto. Alle elektronischen Komponenten am Fahrrad können damit vernetzt werden. Bereits seit Herbst 2015 sind die ersten von Bloks im Auftrag entwickelten Displays über BMZ erhältlich. Das Batterie-Montage-Zentrum ist für Bloks »Partner der ersten Stunde«. Das Display ist bei E-Bikes verschiedener Hersteller im Einsatz, darunter etwa bei Rotwild und den ZEG-Eigenmarken. Die ersten E-Bikes mit dem gesamten integrierten Bloks-System sollen im Frühjahr 2017 auf den Markt kommen. Über die entsprechenden Fahrradhersteller hüllt sich Bloks noch in Schweigen. Bekannt ist nur, dass es zwei Marken sein werden. Das Bloks-Label wird nur in einem der beiden Fälle zu sehen sein.

Die Fahrradmarke in den Vordergrund rücken

Die Positionierung der eigenen Marke steht bei Bloks nicht im Vordergrund. Vielmehr soll es den Fahrradherstellern ermöglicht werden, ihr Branding ins rechte Licht zu rücken. »Die Branche denkt noch zu sehr in Komponenten. Dieses konventionelle Fahrraddenken funktioniert aber nicht mehr«, sagt Meermann. »Dem Fahrzeughersteller fehlt es an Systemverständnis. Wir geben ihm das Know-how, indem wir ihm Komponenten zur Verfügung stellen, aus denen er ein System bauen kann.« Die Fahrradmarke soll wie bei Autos das entscheidende Kaufargument werden, nicht – wie es häufig noch der Fall ist – die Zulieferer von Schaltwerk, E-Bike-Antrieb oder anderen Komponenten. Deren Labels sollen im Sinne einer Integration aller Komponenten in den Hintergrund treten.
Eine gelungene Systemintegration sei aber aus Sicht des Endkunden noch nicht das entscheidende Verkaufsargument. »Das ist die Interaktion mit dem Fahrer«, erklärt Meermann. »Deshalb benötigen wir Displays und Systeme, mit denen sich der Fahrer mit der Außenwelt verbindet. Diese Benutzerinteraktion ist es, die eine Ausgabebereitschaft beim Endkunden auslöst und die Systemintegration mitzieht.«

Optionen für Fahrradhersteller

Drei verschiedene Displaygrößen hat Bloks zunächst im Angebot. Die Bordcomputer sind – bis auf die kleinste Variante – mit dem Android-Betriebssystem ausgestattet. Auch für den Umfang der Vernetzung, die das System bietet, stehen dem Fahrradhersteller verschiedene Optionen zur Verfügung. Bloks ist natürlich zunächst in erster Linie für E-Bikes konzipiert, was aber andere Varianten für die Zukunft nicht ausschließt: »Nach dem E-Bike kommt vielleicht das elektrifizierte Fahrrad, das nicht unbedingt einen Motor hat«, blickt Meermann in die Zukunft. »Die Architektur, die wir bauen, ist nicht von einer riesigen Batterie abhängig. Sie lässt sich natürlich am besten in E-Bikes implementieren, weil hier der größte Bedarf herrscht. Wir versuchen aber auch, diese Plattform in den normalen Fahrrädern wiederzuverwenden. Einige Hersteller sind hier durchaus aufgeschlossen.«
Für die Akquise dieser Fahrradhersteller ist seit Juni Thomas Hummel zuständig, der zuvor fast zehn Jahre lang für E-Bike-Pionier Biketec (Flyer) ebenfalls im Vertrieb tätig war. »Der Start-up-Charakter« ist für ihn das Reizvolle an seiner neuen Aufgabe. »Biketec war in einer ähnlichen Situation, als ich dort angefangen habe.« Er hofft, mit Bloks eine ähnliche Unternehmensentwicklung mitzugestalten. Ein großer Unterschied zu einem E-Bike-Hersteller sei die Darstellung in der Öffentlichkeit: Bloks überlässt die Präsentation der neuen Modelle mit »built by BLOKS.« dem jeweiligen Hersteller. Teilelieferanten sind neben den Fahrradherstellern die zweite wichtige Kundengruppe für Bloks, wie die Kooperation mit BMZ bereits zeigt. Der Fachhandel ist dagegen keine primäre Zielgruppe, wenngleich Bloks hier natürlich für Fragen zum System zur Verfügung steht. Ansprechpartner für die Händler sollen aber in erster Linie die jeweiligen Fahrradanbieter sein.

Erfahrene Branchenprofis

Obgleich sich das Unternehmen nicht in den Vordergrund drängen will, hat Bloks in der Fachöffentlichkeit insbesondere durch seine Personalpolitik durchaus schon für Aufsehen gesorgt. Hummel ist nicht der einzige Fahrradbranchenprofi, der in den letzten Monaten zum jungen Münchner Unternehmen wechselte. Stefan Kulms (Kettler), Mikhail Plakunov (Garmin), Norman Schwarze (Panasonic) und Pasi Peltolta (Polar) sind weitere Beispiele. »Solche Seniors sind enorm wichtig«, sagt der kaufmännische Leiter Viasta Vardjavand, der selbst im Juli 2015 von Bosch zu Bloks stieß.
Das personelle Wachstum gerade innerhalb der letzten zwölf Monate war enorm. Waren es vor einem Jahr noch sieben Mitarbeiter, sind es nun bereits 35 – und das ist nur eine Bestandsaufnahme. 45 bis 50 sollen es bis Jahresende sein. Die Integration der neuen Mitarbeiter wird jetzt jedoch wohl einfacher werden, als es noch zu Jahresbeginn der Fall war, als die Anzahl von Neuzugängen im Vergleich zu »Alt-Mitarbeitern« noch regelmäßig in einem ungesunden Verhältnis stand. »Es ist kein unkontrolliertes Wachstum«, betont Meermann. »Wir sind im Plan. Mehr als die 45 bis 50 Mitarbeiter, die es zum Jahresende sein sollen, benötigen wir nicht.«

Hoher Finanzierungsbedarf

Der Aufbau eines Unternehmens dieser Größe kostet Geld, während sich die Umsätze bislang noch in Grenzen halten dürften. Hinzu kommt: »Wir haben einen immensen Finanzierungsvorlauf, weil unsere Entwicklungskosten schon zwei bis zweieinhalb Jahre bevor das Fahrrad im Laden steht anfallen«, erklärt Meermann. Konkrete Zahlen nennt Bloks nicht. Den gesamten Finanzierungsbedarf beziffert Meermann auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Das Unternehmen konnte dafür einige Privatinvestoren gewinnen, die im Hintergrund bleiben wollen. Meermann verrät lediglich, dass es sich um erfahrene Geldgeber handele, die eine große Fahrradaffinität vorweisen könnten. Ihr Vertrauen in Bloks sei groß: »Alle Investoren der ersten Stunde beteiligten sich auch an den späteren Finanzierungsrunden«, berichtet Meermann. »Auch wenn der Anspruch und die Kosten mit der Zeit gestiegen sind, glaubt jeder Investor weiterhin an das Projekt.« Venture-Capital-Gesellschaften gehören bislang nicht zu den Geldgebern von Bloks. Das könnte sich aber demnächst ändern, denn das Unternehmen präsentiert sich erstmals auch institutionellen Investoren.
Das hauptsächlich mit Eigenkapital finanzierte, rasante Wachstum von Bloks wirkt sich natürlich auch auf die benötigten Räumlichkeiten aus. Aktuell ist die Unternehmenszentrale im Münchner Technologiezentrum MTZ nahe des Olympiaparks beheimatet. Der Standort ist jungen Unternehmen aus allen Technologiebranchen vorbehalten, die dort Räume zu vergünstigten Bedingungen anmieten können. Bloks belegte dort zunächst nur einen Raum, aus dem inzwischen fast ein ganzer Flur geworden ist. Damit ist das Unternehmen schon fast zu groß für das MTZ. Im April 2017 soll der Umzug in größere Räumlichkeiten erfolgen.
Zweiter Standort von Bloks ist Hongkong. Hier werden die elektronischen Komponenten entwickelt, zudem sind das Qualitäts- und Lieferantenmanagement in der ehemaligen britischen Kronkolonie angesiedelt. Die gesamte Software-Entwicklung mit zahlreichen IT-Experten wird von München aus gesteuert. Der Austausch zwischen beiden Standorten ist trotz des Zeitunterschieds sehr rege. Während des Besuchs von velobiz.de in der Bloks-Zentrale wurde immer irgendwo über Videokonferenz mit Hongkong kommuniziert.

Ausblick und Vision

Bloks befindet sich in einer spannenden Phase der Unternehmensentwicklung. Viel erinnert am Münchner Standort noch an ein klassisches Start-up, als das es sich mit einem Alter von noch nicht einmal zwei Jahren auch durchaus bezeichnen darf. Die Anzahl der Mitarbeiter hat allerdings bereits das Niveau eines gewachsenen Mittelständlers erreicht. Bei der Personalauswahl scheint das Unternehmen einiges richtig gemacht zu haben. Ob sich die großzügigen Investitionen der Geldgeber auszahlen, wird sich allerdings noch zeigen müssen. Bislang sind lediglich die ersten Schritte gemacht. Bis Meermanns Vision für Bloks Realität wird, ist es noch ein weiter Weg: »Wir wären gerne das elektronische Äquivalent zum Bowdenzug.«

9. Oktober 2016 von Oliver Bönig

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