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Recht - Rechtsformen im Einzelhandel 2

Der Weg zur eigenen Gesellschaft

Viele Akteure der Fahrradbranche sind nach wie vor als Einzelunternehmer organisiert. Rechtsanwalt Johannes Brand hat im ersten Teil der Serie »Rechtsformen im Einzelhandel« die Vor- und Nachteile verschiedener Organisationsformen erklärt. Die GmbH ist dabei sehr häufig zu Recht das Mittel der Wahl. Wenn man nun entschieden hat, sein Einzelunternehmen in eine Gesellschaft umzuwandeln, steht die eigentliche Arbeit noch bevor. Der zweite Teil unserer Serie erläutert, was Einzelunternehmer bei der Umwandlung berücksichtigen müssen.

Eines vorweg: Die Umwandlung eines Einzelunternehmens in (beispielsweise) eine GmbH ist ein Projekt von mindestens ein paar Wochen, regelmäßig ein paar Monaten. Die Vorstellung, dass es dafür nur eines Notartermins bedarf, führt regelmäßig zu rechtlichen und steuerlichen Risiken, die tief ins Geld gehen können. Wer aber ein solches Projekt mit der nötigen Sorgfalt und Planung angeht, wird einen reibungslosen Projektablauf
erleben.

A. Vorüberlegungen: Wer hilft mir eigentlich?

Jeder Einzelunternehmer wird eine Umwandlung wohl mit dem Notar assoziieren, was auch grundsätzlich richtig ist. Die Gründung einer Gesellschaft und die gleichzeitige oder spätere Einbringung des Einzelunternehmens erfordert die Mitwirkung eines Notars. Üblicherweise wird der Notar aber nur den Vorgang an sich beurkunden, Entwürfe fertigen und beim Handelsregister einreichen. Die vorausschauende Planung, das Timing aller Maßnahmen und das proaktive Mitdenken, mithin klassisches Projektmanagement, müssen andere übernehmen.
Im Regelfall sollten also Rechtsanwalt und Steuerberater das Heft des Handelns in der Hand haben. Umwandlungsmaßnahmen erfordern sowohl rechtliche als auch steuerliche Kenntnisse. Rechtsanwalt und Steuerberater müssen hierzu Hand in Hand arbeiten. Steuerberater dürfen aus berufsrechtlichen Gründen nicht rechtlich beraten, während Rechtsanwälten auch die steuerliche Beratung erlaubt ist. Kompetenz-Hick-Hack ist aber in jedem Fall nicht im Sinne des gemeinsamen Mandanten. Es sollte daher zu Anfang des Projektes sehr klar abgesprochen sein, wer den sprichwörtlichen Hut aufhat und das Umwandlungsprojekt primär betreut.
Es versteht sich von selbst, dass bei der Auswahl der Berater deren Fachkompetenz und Erfahrung mit ähnlichen Vorgängen maßgeblich ist.

Wenn man über eine Umwandlung zu einer eigenen Gesellschaft kommt, müssen viele Maßnahmen ineinander greifen.

Regelmäßig verweisen Steuerberater, die primär für Buchhaltung und Jahresabschlüsse zuständig sind, an Steuerberater, die auch gestaltend beraten. Das sollte unbedingt offen angesprochen werden können, ohne dass sich hierbei einer der Beteiligten angegriffen fühlt. Auch das ist gutes Projektmanagement.

B. Timing ist alles

Wer diesen Artikel liest und eine kurzfristige Umwandlung beurkunden möchte, wird aus einem weiteren Grund enttäuscht sein. Es gibt meistens ein maßgebliches Datum, nämlich den 31.08. Die juristisch saubere Erklärung ist komplex und darf hier abgekürzt werden: Eine Umwandlung muss spätestens am 31.08. beurkundet werden, wenn (a) das Geschäftsjahr das Kalenderjahr ist und (b) für die Umwandlung nicht eine eigene Bilanz aufgestellt werden soll, was zusätzliches Geld kostet. Erfahrungsgemäß können sich Abstimmungsfragen zum Jahresabschluss ziehen, weshalb der Jahresabschluss rechtzeitig vor dem anvisierten Beurkundungstermin stehen sollte. Zudem ist im Vorfeld eine Reihe von Einzelfragen zu Arbeitsverhältnissen, Kunden- und Lieferantenverträgen zu klären. Alles ist miteinander verbunden und ein gut gesteuertes Projekt behält dies vorab im Blick.

C. Einbringung oder Ausgliederung – eine Technikfrage

Der Weg zur eigenen Gesellschaft könnte doch so einfach sein: Gründung einer GmbH und dann die sukzessive Übertragung aller Assets, also der Vermögensgegenstände, des Einzelunternehmens. Dieser Weg wäre aber sehr riskant. Das Umwandlungssteuergesetz erlaubt – grob abgekürzt – eine steuerneutrale Übertragung eines Einzelunternehmens in eine Gesellschaft, aber nur dann, wenn es im Ganzen übertragen wird. Der Vorgang nennt sich Einbringung. Um dabei komplizierte Sachgründungen, die Werthaltigkeitsbescheinigungen gegenüber dem Handelsregister voraussetzen, zu vermeiden, regelt man dies üblicherweise über Bargründungen mit Sachagios. Wer das nicht sofort versteht, sei beruhigt. Das ist juristische Technik, die der beteiligte Rechtsanwalt zusammen mit dem Notar klärt.
Die Einbringung ist aber nicht der Königsweg zur eigenen Gesellschaft. Das Umwandlungsgesetz bietet daneben die Möglichkeit der Ausgliederung. Der große Vorteil dabei ist, dass die GmbH Gesamtrechtsnachfolger des Einzelunternehmers wird. Das kann enorme Vorteile haben, wenn ansonsten zu befürchten wäre, dass Vermieter, Lieferanten oder Kunden der Übertragung der Rechtsverhältnisse auf die neue GmbH nicht zustimmen. Diese Zustimmung ist bei der reinen Einbringung nämlich notwendig.
Dabei sind aber Vor- und Nachteile der Ausgliederung im Einzelfall abzuwägen. Die Gesamtrechtsnachfolge ist unter Umstände nur ein unnützes rechtliches Gimmick, wenn die Kunden private Fahrradkäufer sind und das Rechtsverhältnis mit dem Kauf abgeschlossen ist. Andererseits kann vielleicht auch der Übergang von Gewährleistung und Garantie gewollt sein und die Gesamtrechtsnachfolge beispielsweise beim Mietvertrag sinnvoll sein.
Es gibt hier kein »one size fits all«. Ebenso wie die Frage nach dem richtigen Fahrrad von den persönlichen Bedürfnissen abhängt, hängt die Frage nach dem richtigen Umwandlungsweg von den persönlichen Umständen ab. Die Ausgliederung hat den Vorteil der Gesamtrechtsnachfolge, ist aber etwas teurer. Die Einbringung alleine bringt aber wegen der fehlenden Gesamtrechtsnachfolge viel Verwaltungsaufwand mit sich.

D. Einen Schritt nach dem anderen tun

Vor dem Weg zum Notar stellt sich wiederum die Frage nach dem richtigen Timing. Bewährt hat sich unabhängig von Einbringung oder Ausgliederung folgendes Vorgehen: Zunächst gründet der Einzelunternehmer eine »leere« GmbH. Dabei sollte grundsätzlich der Weg der Bargründung gewählt werden. Darunter darf man sich nicht den Gang mit einem Koffer voller Bargeld zum Notar vorstellen, vielmehr ist die Bargründung die Abgrenzung von der Sachgründung. Bei der Sachgründung wird das Stammkapital nicht eingezahlt, sondern durch Sachwerte erbracht (bspw. das Inventar des Händlers). Das Problem bei einer Sachgründung: Der Gesellschaftsgründer muss den Wert nachweisen. Das kann sich je nach Registergericht sehr umständlich darstellen. Daher sollte die Gesellschaft schlicht »bar« gegründet und das Stammkapital auf das Konto der neuen Gesellschaft eingezahlt werden.
Es folgen die notwendigen Formalia wie steuerliche Erfassung, Gewerbeanmeldung und Transparenzregister und erst in einem zweiten Notartermin die Einbringung oder Ausgliederung des Einzelunternehmens in die GmbH.

Bis es zu einer Beurkundung kommen kann, sind viele Fragen zu klären. Oft ist professionelle Unterstützung angeraten.

Das hat den großen Vorteil, dass die GmbH nach der Übertragung des Einzelunternehmens sofort einsatzbereit ist. Die Gründung und Übertragung im selben Termin ist zwar grundsätzlich möglich, gerade die steuerliche Erfassung dauert aber erfahrungsgemäß einige Zeit. Ein Betrieb der GmbH ohne Steuernummer ist schwierig bis unmöglich.

E. Arbeitsverhältnisse, Kunden und Lieferanten

Arbeitsverhältnisse gehen im Wege des Betriebsübergangs auf die neue GmbH über, und zwar unabhängig von Einbringung oder Ausgliederung. Die Mitarbeiter sind darüber allerdings zu informieren. Die Mitarbeiter können dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen, was aber im Regelfall dazu führen wird, dass der ehemalige Einzelunternehmer, der ja nun keiner mehr ist, dem Arbeitnehmer betriebsbedingt kündigen kann. Das ist eine unbefriedigende Situation, die sich leicht dadurch in den Griff bekommen lässt, dass Mitarbeiter rechtzeitig in den Vorgang einbezogen werden. Widersprüche gegen den Übergang sind dann nicht zu befürchten. Eine falsche Mitteilung an die Mitarbeiter hat übrigens zur Folge, dass die Fristen gar nicht erst anfangen zu laufen. Das ist noch ärgerlicher als der Widerspruch, aber ebenfalls vermeidbar.
Kunden und Lieferanten können dem Übergang ihrer Vertragsverhältnisse bei einer Ausgliederung nicht widersprechen. Bei einer reinen Einbringung ohne Gesamtrechtsnachfolge nach Umwandlungsgesetz erfolgt allerdings kein automatischer Übergang der Vertragsverhältnisse. Diese müssten in jedem Einzelfall übertragen werden, was sehr viel Nerven und Ressourcen kosten kann. Allerdings ist auch bei der Übertragung im Wege der Ausgliederung, also mit dem Gimmick der Gesamtrechtsnachfolge, zu beachten, dass Verträge möglicherweise sog. »Change-of-Control«-Klauseln beinhalten. Das wiederum kann man bei vorausschauender Planung rechtzeitig erkennen.

F. Kosten

Die Kosten eines Umwandlungsprojektes gliedern sich in drei Blöcke:

  • Notarkosten liegen bei einigen Hundert Euro oder maximal beim Königsweg, der Ausgliederung, bei mittleren vierstelligen Kosten. Das lässt sich verlässlich nicht vorhersagen, da die Kosten bei Ausgliederungen von Bilanzwerten abhängen. Bei kleineren und mittleren Unternehmen sollten aber regelmäßig nicht mehr als 2000 Euro an Notarkosten anfallen.
  • Beratungsgebühren entstehen beim Anwalt und Steuerberater des Vertrauens. Die Kosten hängen vom Umfang und von der Schwierigkeit ab; mit zwanzig Beratungsstunden zu marktüblichen Stundensätzen sollte man für ein solches Projekt aber mindestens rechnen.
  • Sonstige Kosten sind zum Beispiel solche des Registergerichts und der Ordnungsämter für die Gewerbeanmeldung. Diese bewegen sich im dreistelligen Bereich. Nicht zu vergessen sind Opportunitätskosten für das Projekt durch die Bindung von Ressourcen der Mitarbeiter und des Einzelunternehmers selbst.

G. Fazit

»Planung ist alles.« Das wäre die passende Zusammenfassung für einen gelingenden Weg vom Einzelunternehmen zur eigenen Gesellschaft. Keinesfalls sollten Einzelunternehmer einfach losstolpern. Vielmehr müssen sie das Projekt jederzeit steuern können, um Nachteile rechtlicher oder steuerlicher Art zu vermeiden. Dabei können und sollten sie auf fachkundige Unterstützung zurückgreifen. Am Ende eines steinigen Weges steht das lohnende Gefühl der eigenen Gesellschaft, meistens einer GmbH. Diese bringt viele Vorteile mit sich, wie die Haftungsbeschränkung, Reputations- und Professionalisierungssynergien, die Möglichkeit der Aufnahme neuer Gesellschafter, der deutlich einfachere Exit und steuerliche Gestaltungsoptionen. Selbst wenn der Aufwand auf den ersten Blick abschreckend wirken mag, ist der Weg zur eigenen GmbH für Einzelunternehmer mindestens eine attraktive Option. //

16. Oktober 2023 von Johannes Brand
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