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Christl Hammerand
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Trends - Bikewear

Die Bikewear der Zukunft ist smart

Wer im Jahr 2020 Rad fährt, wird neueste Technologien in der Hartware zur Verfügung haben, um seine Leistung zu optimieren. Doch auch die Bikewear der Zukunft hat einige Überraschungen parat. Dank intelligenter Fasern und Stoffe wird sie den Sportler optimal und individuell schützen und unterstützen.

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Radfahren wird auch in Zukunft ein essenzieller Bestandteil der urbanen Mobilität sein. Davon ist jedenfalls die Münchner Designerin und Active Sportswear Expertin Nora Kühner überzeugt. »Aus vielen Gründen werden in Zukunft immer mehr Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt werden«, glaubt sie. »Zum einen wird der Anteil der Urban Commuter weiter steigen, da die Feinstaubbelastung in den Städten eine rigorose Beschränkung des Autoverkehrs zur Folge haben wird. Zum anderen spielt auch das Thema Advanced Health Care eine große Rolle – die Versicherten werden dazu angehalten werden, sich mehr und regelmäßig zu bewegen und auch hier ist Radfahren eine naheliegende Aktivität.«
Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die Bikewear der Zukunft. Sie muss, wenn man Nora Kühner glaubt, smart und multifunktionell sein. So möchte der Urban Commuter mit derselben Bekleidung im Büro seine Meetings bestreiten, mit der er zuvor auf dem Rad gesessen ist. Eine Herausforderung also an Funktion und Style der Textilien. Auch Mathias Jooss, Marketingleiter bei Gonso Bike & Active glaubt, dass die Bikewear der Zukunft viele Ansprüche erfüllen muss: »Durch Trends wie E-Bikes und Urban Mobility wird sich bei der Radbekleidung der Zukunft einiges verändern. Die Ansprüche der Kunden wandeln sich und werden deutlich vielfältiger, es werden neue Zielgruppen und Märkte erschlossen und der Textilbereich wird einen höheren Stellenwert bekommen.«
Was also wird uns die Bikewear der kommenden Jahre bringen? Velobiz.de wagt einen Blick in die Zukunft.

Multiuse macht Bikewear alltagstauglich

Im Jahr 2020 wird die Bikewear häufig nicht nur zum Biken genutzt werden. In Gegenteil, sie ist fester Bestandteil des Alltags, sowohl des Berufslebens als auch der Freizeit. Das hat weitreichende Konsequenzen, denn die Bekleidung muss so konzipiert sein, dass man in ihr immer eine »gute Figur« macht.
Das sieht auch Mathias Jooss so: »Ein Trend wird sein, dass Radbekleidung gar nicht mehr auf den ersten Blick als solche identifiziert wird. Sie soll stylish aussehen und gleichzeitig volle Funktion bieten – Stichwort
Multiuse.«
Athleisure heißt in der Sportswear die aktuelle Form des Multiuse im Jahr 2016. Sie zielt auf sportliche Frauen, die vom Büro direkt ins Fitnessstudio gehen möchten, ohne sich umziehen zu müssen. Athleisure-Kollektionen vereinen dabei den modischen Look mit top-funktionellen Materialien. Wer weiß, vielleicht heißen die Bike-Kollektionen der Zukunft »Bikeleisure«. Fakt ist, dass man einer Jeans oder Chino-Hose dann nicht mehr ansehen wird, dass sie aus Funktionsfasern gemacht ist, und ein unsichtbares und mit einem Griff herausnehmbares Sitzpolster hat. Sogar Business‑
outfits werden sich zum Biken eignen, dank Sakkos mit im Kragen versteckten Kapuzen und elastischen, feuchtigkeitstransportierenden Hemden mit zuverlässiger Anti-Geruchs-Ausrüstung.
Anna Holzner, Produktmanagerin bei Vaude für Bike-Bekleidung, differenziert allerdings: »Wir wollen für die Zukunft einerseits Modelle entwickeln, die dem Multiuse-Gedanken nachkommen für Menschen, die keine Kompromisse in ihrem Alltag eingehen wollen und die sich zeitlose und langlebige Produkte wünschen, die universell eingesetzt werden können. Andererseits soll es aber weiterhin auch Produkte geben, die sehr zielgruppenspezifisch auf eine Aktivität ausgerichtet sind und maximale Performance bieten.«

Mehr Funktionalität durch Klimamanagement

Wolfgang Lagler, Marketingleiter bei Craft Deutschland, sieht einen wichtigen Zukunftstrend in der Klimaregulation: »Als Spezialist für Funktionswäsche beginnt für uns die Zukunft direkt auf der Haut – bei der ersten Lage. Bereits jetzt haben wir eine hochfunktionelle Wäsche, die dank ihrer besonderen Faser während der Aktivität die überschüssige Schwitzfeuchtigkeit ableitet und dadurch für einen Kühleffekt sorgt. In unseren Augen steckt im High-End-Bereich noch jede Menge Potenzial, was die Materialien angeht. In Zukunft werden die Fasern noch funktioneller werden, Schweiß noch besser abtransportieren, eine höhere Wärmeisolation bieten oder einen höheren UV-Schutz aufweisen.«
Einige neue Entwicklungen gehen bereits jetzt in Richtung intelligentes Klimamanagement. In einigen Jahren wird es normal sein, dass sich nicht nur Membranen aktiv öffnen und schließen, um das Temperaturgefälle zwischen dem Inneren der Bekleidung und der Außenseite haargenau zu regulieren. Auch andere Teile der Bekleidung, vor allem Isolationsmaterialien werden thermoplastische Eigenschaften haben, um Wärmeleistung und Ventilation individuell anpassen zu können. Und das ganz ohne Elektronik, sondern dank physikalischer oder chemischer Prozesse. Nicht nur die Stoffe, sondern schon die einzelnen Fasern können dann aktiv reagieren und je nach Bedarf kühlende oder wärmende Eigenschaften ausspielen, wie etwa mittels in der Faser zwischengespeicherter Feuchtigkeit, die punktgenau entweder in Wärme oder Kälte umgewandelt werden kann.

Sicherheit durch Sichtbarkeit

Mathias Jooss sieht noch weitere Trends, die bei der Bikewear der Zukunft wichtig werden. Er glaubt:
»… im Zuge des E-Bike-Trends wird vor allem auch das Thema Sicherheit und Sichtbarkeit verstärkt nachgefragt werden.«
Sichtbarkeit durch Reflektion ist kein neues Thema, wird in Zukunft aber ganz anders umgesetzt werden. Denn reflektierende Elemente werden nicht mehr plakativ aufgebracht sein, die Reflektion wird vielmehr ganz dezent über eingearbeitete Garne gewährleistet werden. Das Besondere daran: Diese Garne sind weich, elastisch und leicht und von herkömmlichen Qualitäten nicht zu unterscheiden. Web- und Wirkwaren können so mit einer hervorragenden Haptik hergestellt werden und zeigen ihr besonderes Talent, nämlich die Reflektion erst dann, wenn sie angestrahlt werden. Durch die Verarbeitung der Garne können besondere Jacquards oder Dessins entstehen, die einem vermeintlich schlichten Bekleidungsteil im Dunklen ein auffälliges Allover-Muster verschaffen. Und noch ein Vorteil: Die winzigen reflektierenden Partikel können sich nicht mehr abreiben, sondern sind dauerhaft mit dem Trägermaterial verbunden.
Endura Brand Manager Ian Young prophezeit für die Zukunft, dass der Aufprallschutz ein weiterer wichtiger Sicherheitsaspekt sein wird: »Wir haben als erste Marke den Koroyd EOP1.0 Rückenprotektor in einem Fahrradrucksack eingeführt, und arbeiten nun gemeinsam mit Koroyd an mehreren richtig spannenden Projekten zum Thema MTB-Protektoren.« Das Thema Schutz könnte also in eine ganz neue Richtung gehen: Anstatt Exoskelette zu tragen werden die Protektoren der Zukunft unsichtbar, weich und flach in Bekleidung und Accessoires eingearbeitet werden, ohne dem Sportler störend aufzufallen. Bei einem Notfall aber wird sich das Material verhärten, oder es werden eingearbeitete Airbags zum Vorschein kommen, um den Radler vor Verletzungen zu schützen.

Nachhaltige Stoffe für eine gesunde Umwelt

Dem Umweltschutz wird auch bei der Herstellung von Bekleidung eine immer wichtigere Rolle zukommen, darin ist sich die Branche einig. Schon einige Firmen haben das Ziel, nachhaltig zu produzieren in ihren Firmenrichtlinien verankert. Anna Holzner, Vaude-Produktmanagerin für Bike-Bekleidung, zeichnet folgendes Bild für die Zukunft: »Großes Ziel von Vaude ist es, umweltfreundliche Funktionsprodukte unter fairen Arbeitsbedingungen herzustellen. Das versuchen wir bei allen Produkten zu forcieren. Wir wünschen uns, dass der Trend, Rad zu fahren anhält, und dabei die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten weiterhin steigt. Wir wünschen uns, dass möglichst viele Unternehmen sich für dieselben Ziele einsetzen und diese Anforderungen an die Materialhersteller und die chemische Zulieferindustrie weitergeben. Nur so kann der Weggang von herkömmlichen, schädlichen Substanzen funktionierenden und ein gleichwertiger Ersatz für Stoffe, Schäume, wasserabweisende Ausrüstungen etc. gefunden werden. Unser erklärtes Ziel ist beispielsweise, bis 2020 komplett auf den Einsatz von Fluorcarbonen (PFC) zu verzichten.«
Neben dem Verzicht auf schädliche Chemikalien werden in Zukunft die nicht erneuerbaren Rohstoffe stärker geschont werden. Das bedeutet konkret, dass immer mehr Textilien – auch funktionelle Bekleidung, aus recycelten Materialien hergestellt werden. Neben PET aus benutzten Plastikflaschen können zum Beispiel auch neue Polyamid-Garne aus alten Fischernetzen gewonnen werden. Neben der Verwendung von recycelten Materialien wird auch die Produktion recyclingfähiger Kollektionen zunehmen. Denn erst wenn unsere Alltagsprodukte wieder recycelt werden können, werden wir weniger Müll produzieren und nicht nachwachsende Rohstoffe dauerhaft schonen können.
Ein weiterer Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist die zunehmende Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen. Immer mehr Pflanzenarten werden sich für die Herstellung synthetischer Polymere eignen. Heute sind es vor allem Holz und Mais, die als Grundlage für die sogenannten Regeneratfasern dienen. In ein paar Jahren wird die Palette um Kaffee, Kokosnussschalen, Ananasblätter und Rizinusbohnen erweitert werden.

Erhöhter Tragekomfort für mehr Leistung

Schon jetzt ist die Devise für die Sportbekleidung, dass sie nicht nur funktionell, sondern vor allem auch bequem sein muss. Das wird auch bei der Bikewear der Zukunft eine große Rolle spielen. Reibende und störende Nähte werden überflüssig, und zwar bei allen Bekleidungsteilen. Neue Maschinen für Heißklebe- oder Ultraschall-Schweißverfahren schaffen es in Zukunft, auch dreidimensionale Schnitte zu kreieren, was den Tragekomfort deutlich erhöht. Das bestätigt auch Dominique Roshardt, Produktmanagerin bei Löffler: »Einer der Trends bei Löffler ist künftig eine
passformoptimierte und auch nahtlose Bikewear. Beim Bodymapping wird außerdem für jede Körperzone das optimale Funktionsmaterial ausgewählt, was einen nochmals erhöhten Tragekomfort bringt.«
Um den Tragekomfort zu erhöhen, kommen immer öfter funktionelle Naturfasern zum Einsatz, die ein angenehmes Hautgefühl vermitteln, so Roshardt weiter. Aktuell sind auf diesem Gebiet Lyocellfasern wie Tencel stark vertreten, also Fasern die aus (Buchen)-Holz hergestellt werden. Im Jahr 2020 könnte es Kapok sein, eine Faser, die aus den Schoten des afrikanischen Kapokbaumes gewonnen wird. Der Vorteil von Kapok: Der Baum wächst auch auf kargen Böden, die nicht für die Landwirtschaft genutzt werden können. Zudem weist diese natürliche Faser ein hervorragendes Feuchtigkeitsmanagement auf, und kann das Körperklima gut regulieren.
Auch die Leistungsfähigkeit des Bikers kann mit den neuen Bike-Textilien gesteigert werden. Materialien, die die körpereigenen Ferninfrarot-Strahlen reflektieren, (FIR) werden selbstverständlich sein. Dieser Trend, der heute schon in Asien zu finden ist, wird mit Sicherheit auch die westliche Welt erobern. Denn Stoffe, die mit bestimmten mineralischen Partikeln versehen sind, reflektieren die abstrahlende Energie des Sportlers. Versuche zeigen, dass solche Materialien unter anderem die Durchblutung der Muskeln steigern, was die Leistungsfähigkeit erhöht und die Regeneration beschleunigt.
Tragekomfort wird auch bei den Handschuhen eine sehr wichtige Rolle spielen, davon ist auch Marcus Chiba von Chiba überzeugt: »Immer mehr Menschen fahren immer öfter und länger Rad, in der Freizeit und in Zukunft auch ins Büro – die Gruppe der Commuter wächst, Städte bauen ihre Radwege aus. Egal ob jung oder alt – einschlafende Finger und kribbelnde Hände sind oft ein großes Problem, vor allem bei mittleren und längeren Strecken. Daher glauben wir bei Chiba, dass in Zukunft vor allem die Handschuhe gesucht werden, die guten Druckschutz bieten, wie beispielsweise unsere Modelle mit unserem patentierten, anatomischen und hochfunktionellen BioXCell System gegen ein Einschlafen der Hände, das wir ebenfalls ständig weiterentwickeln.«

Wearable Technologies auf der Haut

Während wir im Jahr 2016 eifrige Smartwatch-Träger sind, werden wichtige Körperdaten in Zukunft von unserer Bekleidung, wie zum Beispiel dem Bike-Trikot, erfasst werden können. Leitfähige Garne werden feste Messmodule überflüssig machen. Sie können Atmung, Körpertemperatur und Puls erfassen und drahtlos an ein mobiles Gerät senden, um dem Sportler in Echtzeit Feedback zur körperlichen Verfassung zu geben. Doch nicht nur das – dank Telemedizin wird das mit der Bekleidung verbundene Gerät selbstständig Hilfe rufen können, wenn der Gesundheitszustand des Sportlers bedenklich ist oder wenn er in einen Unfall verwickelt wird. Leichtere Blessuren werden dabei vom Shirt oder der Hose selbst geheilt. Denn in Zukunft sind viele Stoffe mit Mikrokapsel-Technologien ausgerüstet, die pflegende oder heilende Präparate enthalten. Was heute schon zu Schönheitszwecken eingesetzt wird, also etwa Aloe Vera-Präparate in Damenstrumpfhosen, wird im Jahr 2020 individuell auf den Träger angepasst und in den Stoff eingebracht. Die Freisetzung der Wirkstoffe wird dann ebenfalls über die leitfähigen Fasern der mitdenkenden Stoffe gesteuert werden.

27. Juni 2016 von Markus Fritsch
Velobiz Plus
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