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Schulung - Kinder als Kunden

Die Kunden von morgen

Kinder und Jugendliche reden heute ganz selbstverständlich mit, wenn ihre Eltern etwas kaufen möchten. Und sie werden gehört. Gleichzeitig haben sie selbst einiges Geld in der Tasche. Sie leben in Klassenverbänden, Cliquen und Vereinen und sind aktive Mitglieder in den Social Media. Dort berichten sie auch von ihren Einkaufstouren. Deshalb sollten Sie Ihre jungen Kunden nicht unterschätzen. Sie sind heute die Stammkunden von morgen.

Kinder, die mit ihren Eltern einkaufen, werden von Verkäufern oft als lästig empfunden. Sie seien laut, würden immer dazwischenreden und die Eltern vom Kauf ablenken. Vorurteile, die außer Acht lassen, dass Kinder heute sehr stark die Kaufentscheidungen der Familie beeinflussen. Eine Umfrage im Rahmen der jährlichen »KidsVerbraucherAnalyse (KidsVA)« ergab außerdem, dass 94 Prozent der Eltern ihrem Nachwuchs bei der Frage zu Ausflügen und 62 Prozent bei der Entscheidung des Urlaubsziels ein Mitspracherecht einräumen.
Auch die Geldmengen, über die Kinder und Jugendliche verfügen, sind nicht zu verachten. 2014 stagnierte zwar das durchschnittliche Taschengeld der 4- bis 13-Jährigen bei 27,50 Euro pro Monat. Über außergewöhnliche Bargeschenke zu Weihnachten, Ostern oder zum Geburtstag flossen aber zusätzlich 189 Euro im Jahr in die Sparschweine, ein Plus von 19 Euro im Vergleich zu 2013. Auch Verwandtenbesuche sind für 61 Prozent der Kinder zusätzliche Geldquellen, 41 Prozent kassieren bei guten Zeugnissen,
23 Prozent werden fürs Helfen im Haushalt »entlohnt«.

Was dürfen Sie wem wann verkaufen?

Welche Kaufverträge Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren abschließen dürfen, regeln §§ 104, 105, 106, 107, 108 und 110 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). § 104 bestimmt, dass Kinder, die das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, geschäftsunfähig sind. Sollten Sie ihnen trotzdem etwas verkaufen, regelt § 105, dass der Vertrag nichtig ist. Vom 7. bis 18. Lebensjahr gelten Kinder und Jugendliche als beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB). Möchten Sie ihnen
z. B. ein Fahrrad verkaufen, brauchen Sie die Zustimmung der Eltern. Fehlt diese, gilt der Vertrag als »schwebend unwirksam«. Sprich: Lehnen die Eltern im Nachhinein den Kauf ab, ist er unwirksam (§§ 107, 108 BGB). Erst mit der Volljährigkeit gilt man als voll geschäftsfähig.
§ 110 BGB, auch als Taschengeldparagraf bekannt, bietet hier eine Ausnahme: Demnach ist ein Kaufvertrag, der sich im Rahmen des Taschengeldes bewegt, ab dem Moment wirksam, ab dem der junge Kunde das Produkt bezahlt hat. Ratengeschäfte lassen sich mit dem § 110 nicht legitimieren. Bei der Frage, wie hoch ein übliches Taschengeld ist, helfen Empfehlungen, wie sie z. B. das Stadtjugendamt München herausgibt, weiter:
Orientierungswerte für Grundschulkinder bei wöchentlicher Auszahlung
6-7 Jahre 2 €
8-9 Jahre 3 €
Orientierungswerte für Kinder und Jugendliche bei monatlicher Auszahlung
10 Jahre 14 €
11 Jahre 16 €
12 Jahre 20 €
13 Jahre 22 €
14 Jahre 25 €
15 Jahre 30 €
16 Jahre 40 € *
17 Jahre 50 € *
18 Jahre 70 € *

  • für Jugendliche, die wirtschaftlich noch ganz von den Eltern abhängig sind (Schüler und Schülerinnen oder arbeitslose Jugendliche)
    Download unter: muenchen.info/soz/pub/pdf/143_taschengeld.pdf

Was bedeuten diese rechtlichen Grundlagen nun für die Praxis? Ist Ihnen die Familie bekannt, sollten Sie mit den Eltern darüber sprechen, was geht und was nicht. In jedem Fall sollten Sie dem Kind oder Jugendlichen bei einem kleinen Kaufbetrag, der aber über dem üblichen Taschengeld liegt, den Kassenbon mitgeben und explizit darauf hinweisen, dass das Produkt umgetauscht werden kann. Möchte Ihr junger Kunde allein ein Fahrrad kaufen, sollten Sie ihn zwar beraten, dann aber bitten, doch für den Kauf seine Eltern mitzubringen. Das klingt auf den ersten Blick zwar übervorsichtig, gewinnt aber an Brisanz, wenn Sie daran denken, dass das Kind bzw. der Jugendliche mit dem neuen Fahrrad auf dem Heimweg in einen Unfall verwickelt werden könnte.

Mit Kindern und Jugendlichen im Beratungsgespräch

Aggressive Werbestrategien der Wirtschaft sorgten dafür, dass heute schon die Kleinsten ab vier bis sechs Jahren markenaffin sind. Nicht nur das Produkt selbst, auch die dazu passenden Accessoires müssen »cool« sein. Verstärkt wird dies durch einen immensen Gruppendruck, der mit dem Alter sogar zunimmt. Als Händler und Verkäufer müssen Sie wissen, ­welches Produkt bei den Jungen und Mädchen gerade Kultstatus hat. Was Kinder heute »voll krass« finden, ­können sie morgen schon als »uncool« ablehnen.
Für das Beratungsgespräch gilt: Nehmen Sie Kinder und Jugendliche ernst! Sprechen Sie auf Augenhöhe mit Ihnen und erklären Sie Fachbegriffe so, dass sie verstanden werden. Kinder und Jugendliche möchten auch mehr als Erwachsene Produkte anfassen oder – wenn möglich – auch ausprobieren.

Verkaufssituation: Kinder mit ihren Eltern

{b}Variante a:
Vater kauft seiner Tochter
ein Fahrrad{/b}
Nicht nur während der Bedarfsanalyse sollten Sie immer beide Kunden in das Gespräch einbeziehen. Halten Sie deshalb auch mit beiden Blickkontakt. Konzentrieren Sie sich nur auf den Vater, kann die Tochter am Ende das Rad ablehnen, ohne dass Sie wissen, warum. Auch die Abschlussfrage »welches Fahrrad gefällt Ihnen denn für Ihre Tochter?« ist ignorant, wenn Sie nicht gleich danach das Kind fragen: »Und welches gefällt Dir?« Manche Verkäufer verfolgen aber auch die Strategie, nur mit der Tochter zu reden. Der Abschlusssatz in Richtung Vater »na, nun kaufen Sie ihr doch das Rad, das sie sich so wünscht«, führt dann oft nicht zur Kasse, weil sich der Vater ausschließlich zum Geldgeber degradiert fühlt.
Kommt es zur Diskussion zwischen den beiden, ob das Fahrrad »cool« oder praktisch sein soll, steigen Verkäufer oft aus – schlimmstenfalls mit der Bemerkung: »Wenn Sie sich einig geworden sind, rufen Sie mich wieder.« Ein Satz, der Zickigkeit unterstellt und beide Kunden plötzlich wieder zusammenschweißen kann. Die Ablehnung richtet sich dann gegen Sie. Um dies zu vermeiden, wechseln Sie besser in die Rolle des Moderators: Fassen Sie die wichtigsten Punkte noch einmal zusammen. Gehen Sie dabei auch auf die Vor- und Nachteile ein. Machen Sie dann deutlich, dass Sie bei Rückfragen jederzeit zur Verfügung stehen und ziehen Sie sich erst danach etwas zurück, damit die beiden in Ruhe zu einer Einigung kommen können.

{b}Variante b:
Mutter kauft in Begleitung ihres
kleinen Sohnes für sich ein Fahrrad{/b}
Bei dieser Konstellation ist das Kind meist noch sehr klein, sodass es nicht allein zu Hause bleiben kann. Diese Situation verleitet Verkäufer manchmal dazu, sich als Erziehungsberechtigte zu gerieren, um der Mutter den Rücken frei zu halten. Sätze wie »na, jetzt lass doch mal Deine Mama in Frieden. Siehst Du denn nicht, dass Sie sich ein Fahrrad kaufen möchte?« sind vielleicht gut gemeint, werden von vielen Eltern aber als Kritik an ihrem Erziehungsstil aufgefasst. Erfolg versprechender ist hier eine kindgerechte Spielecke, die Sie anbieten können, damit die Mutter dann in Ruhe eine Entscheidung treffen kann.

Verkaufssituation: Kind bzw. Jugendlicher allein

Kommt ein junger Kunde allein in Ihr Geschäft, ist die Gefahr am größten, dass Sie ihn nicht ernstnehmen. Manche Verkäufer lassen sich sogar dazu verleiten, erwachsene Kunden zuerst bedienen zu wollen, obwohl diese später den Laden betreten haben. Impulsen wie »du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich zuerst den Herrn dort noch bediene«, sollten Sie bewusst gegensteuern. Entwickeln Sie eine positive Emotion Kindern und Jugendlichen gegenüber. Ist der Altersabstand zwischen Ihnen und Ihren jungen Kunden schon größer und haben Sie nur wenige Berührungspunkte, ist diese Strategie umso wichtiger.
Im Verkaufsgespräch selbst sollten Sie immer wieder mal nachfragen, ob sich Ihre Angebote noch mit dem Wunsch des Kindes oder des Jugendlichen decken und welche Informationen Ihr junger Kunde noch für seine Entscheidung braucht. Bittet er sich eine Bedenkzeit aus, versuchen Sie nicht – auch angesichts der oben beschriebenen juristischen Lage, ihn zu überreden.

Verkaufssituation: Kind bzw. Jugendlicher kommt mit Freunden

Betritt eine Gruppe Kinder oder Jungendlicher Ihr Geschäft, denken viele Verkäufer sofort: Jetzt bricht gleich das Chaos aus! Verabschieden Sie sich von diesem Gedanken: Vor Ihnen steht nämlich gerade ein Pulk junger potenzieller Kunden.
Fingerspitzengefühl ist gefragt, wenn Sie merken, dass sich der junge Kunde durch seine Freunde unter Druck gesetzt fühlt. Dann sollten Sie versuchen, ihn davon zu befreien. Konzentrieren Sie sich auf seine Wünsche, stärken Sie ihm den Rücken und erklären Sie, warum die Statements der Freunde nicht falsch sind, nur in dem konkreten Fall nicht weiterhelfen.

So »locken« Sie jungen Nachwuchs an

Grundsätzlich sollten Sie nicht warten, bis junge Kunden in Ihr Geschäft kommen. Gehen Sie Ihnen entgegen, indem Sie sich z. B. an Aktionen zur Stärkung der Mobilität vor Ort beteiligen. Legen Sie dabei den Fokus auf die Gesundheit und die Selbstständigkeit der jungen Menschen, hat dies mit aggressiver Werbung, die oben noch kritisiert wurde, nichts zu tun. Bildungseinrichtungen sind für Aktionen mit dem Rad offen – auch aus pädagogischen Gründen. Bei der Planung solcher Aktivitäten müssen Sie nicht das Rad neu erfinden. Auf der Webseite www.nationaler-radverkehrsplan.de/praxisbeispiele finden Sie nach der Eingabe der Suchbegriffe »Kinder UND Jugendliche« viele Aktionen aus EU-Staaten mit Projektbeschreibung, Evaluationen, Angabe der möglichen Geldgeber und Ansprechpartner. Auch der Verein AKTIONfahrRAD (aktionfahrrad.de/) führt bundesweit zahlreiche Aktionen durch und bietet auch Fahrradhändlern vor Ort Unterstützung an.

16. Februar 2015 von Dorothea Weniger
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