
Interview - Ingo Wahl und Ulf-Christian Blume - Bike Group
Eine ziemlich verschworene Gemeinschaft
Wer ist denn die Bike Group eigentlich?
Ingo Wahl: Die Bike Group ist eine Verbindung beziehungsweise ein Verein von 20 Händlern, die über das ganze Land verteilt sind. Sie startete vor vielen Jahren aus einer Erfa-Gruppe heraus. Entsprechend gibt es langjährige Verbindungen zwischen diesen Händlern. Aus der Erfa heraus wurde der Verein gegründet, um das Thema Zusammenarbeit und Austausch weiter zu intensivieren. Das
ist eigentlich der Hauptzweck der Gruppe. Dazu kommen der gemeinsame Einkauf und als weiteres zentrales Element die Eigenmarken-Fahrräder. Daraus resultierend hat sich das in den letzten Jahren zunehmend professionalisiert. Wenn wir uns unsere Zahlen anschauen und die des Wettbewerbs, dann sehen wir, dass wir eine sehr schlagkräftige, über die Jahre überdurchschnittlich erfolgreiche Händlergruppe sind. Die einzelnen Mitglieder profitieren sehr von diesem Netzwerk.
Ulf-Christian Blume: Ergänzend zur Fahrradhistorie: In einer Erfa-Gruppe arbeitet man, wenn man sich mag, regional nicht so nah beieinander ist und in Sortiment und am besten Größe einigermaßen zusammenpasst. Aus den ersten gemeinsamen Einkäufen entstand die erste Eigenmarke. Heute stehen die Namen Cone und Atlanta für zwei Eigenmarken, die nur die Bike-Group-Händler bekommen können. In dieser Zusammenarbeit hat sich schon eine ziemlich verschworene Gemeinschaft gebildet. Derzeit umfasst die Bike Group 20 Betriebe in Deutschland.
Wahl: Wobei wir zwar aktuell nicht mehr Unternehmer werden, aber eine schnell wachsende Zahl an Filialen betreiben. Derzeit gehören über 50 Filialen zur Bike Group.
Kann man die Gruppe so beschreiben, dass sich dort vor allem die großen Bico-Händler gefunden haben?
Wahl: Es sind sehr viele alteingesessene, mittelgroße und große Bico-Händler dabei, ja, aber es sind auch etwas kleinere Händler dabei, also Händler im Bereich von 2 bis 2,5 Millionen Euro Umsatz.
Blume: Die Größendifferenz, die wir heute sehen, ist wesentlich erst in den letzten Jahren so gekommen. Wir hatten in der Branche Boom-Zeiten, da hat man bereits gesehen, wer gut gewirtschaftet hat und vielleicht noch eine Filiale aufgemacht hat. Dann kam die Cube-Store-Bewegung. Fast alle Bike-Group-Händler führen Cube; das eint sie übrigens auch. Einige haben zu den Multimarken-Stores auch Cube-Stores, die sie bewirtschaften. Dazu kommen noch die Eigenmarken der Bike Group.
Warum eigentlich Eigenmarken, wenn die Bico ja bereits als Verband diese anbietet?
Wahl: Historisch gesehen hat die Gruppe sehr früh für sich erkannt, dass neben den wichtigsten konsumigen Marken eine Eigenmarke, gerade auch als Gegengewicht zu den ZEG-Händlern, sehr positiv sein und die Erträge stabilisieren kann. Es ist ein wirklich sehr gutes Thema, um ertragsstark zu sein. Vor diesem Hintergrund hat sich das dann sehr positiv entwickelt. Die Bike Group Händler haben bereits im Jahr 2003, als die Bico vor der Insolvenz stand, ihr Schicksal in die eigene Hand genommen und mit den ersten Eigenmarken-Rädern begonnen. Seither hat sich das Thema stets weiterentwickelt und ist heute ein wichtiges Standbein für viele unserer Betriebe.
Blume: Als Ergänzung sei noch angemerkt, dass es natürlich schon seit langer Zeit die Bico-Eigenmarken gibt. Allerdings standen die Händler, die die Bike-Group-Eigenmarken initiiert haben, vor der Herausforderung, dass sie zwar die Bico-Marken als schöne Ergänzung sahen, aber für sich selbst gedacht haben, ›das würden wir ein bisschen anders machen‹.
Wahl: Man muss noch darauf hinweisen, dass viele Bike-Group-Händler in Süddeutschland sind und das Bico-Radprogramm lange Zeit eher nordlastig war. Cone und Atlanta waren dann die optimale Ergänzung für den süddeutsch geprägten, sportiven Raum. Diese Möglichkeiten wurden genutzt und haben sich verstetigt. Viele Händler von uns führen auch Falter und IXGO sehr erfolgreich in ihrem Sortiment. An verschiedenen Stellen ergänzt sich das sehr gut mit unseren Marken Atlanta und Cone.
Herr Wahl, Sie nannten als einen Grund für die Entstehung der Bike Group den Wunsch, über die Erfa-Gruppe hinaus den Erfahrungsaustausch zu vertiefen. Wie kann man sich das vorstellen?
Wahl: Aus meiner Sicht gibt es mehrere Ebenen. Zum einen ist das Thema Einkaufsstrategie sehr wichtig, dazu ist genauso das Thema Strategie für den eigenen Betrieb relevant. Wie entwickelt sich ein Betrieb, sei es bei Personalkonzepten, beim strukturellen Aufbau des Betriebs oder bei der Expansion? Sehr viele Bike-Group-Mitglieder haben relativ früh das Thema Filialisierung in Angriff genommen. Das Thema Cube-Stores war ebenfalls früh ein Thema und da gab es in der Gruppe regen Austausch und wirklich echte, kollegiale Beratung. Das ging bis hin zu teilweise identischen Neubauprojekten. Es ist ganz normal, dass wir bei einer Erfa-Tagung sind und einer irgendwelche Baupläne abends aus der Mappe nimmt. Wir besprechen dann, ob das denn so aus unserer Sicht passt oder ob es Optimierungsbedarf gibt, bevor der erste Grundstein gelegt ist. Das führt schon zu einer überdurchschnittlichen Entwicklung der Händler im Vergleich zu den Wettbewerbszahlen, die wir so kennen. Das hat sich über die letzten zehn Jahre schon sehr deutlich gezeigt.
Blume: Bei der Erfa-Arbeit möchte ich noch etwas ergänzen. Seit ein paar Jahren leite ich die Bike-Group-Erfa-Gruppe. Ich betreue auch andere Erfa-Gruppen und muss sagen, das ist schon eine andere Qualität an Nähe, die da ist. Klar, viele sind auch persönlich befreundet, aber deswegen muss man sich ja nicht unbedingt ganz in die Bücher gucken lassen. Da entstehen eben auch andere Synergien. Nicht zuletzt, weil man gemeinsam Business betreibt, Stichwort Eigenmarke, ist ein anderes Vertrauensverhältnis da. Das ist einer der Gründe, weswegen die Bike-Group-Betriebe allesamt im Schnitt erfolgreicher sind. Und das seit Jahren, auch jetzt, in diesen eher turbulenten Zeiten. Es wird sicherlich noch andere geben, die sehr gesund sind und vielleicht auch mindestens so gesund. Aber die Bike-Group ist in allen Disziplinen besser als der Durchschnitt im Markt – das kann man, glaube ich, so klar sagen.
Wenn das so ist, muss man natürlich fragen: Was ist die Zauberzutat im Trank?
Wahl: Ich glaube, die Zauberzutat ist in der Tat das Voneinanderlernen und sich gegenseitig unterstützen, auch wenn es mal schwierig ist. Es werden auch wirklich unbequeme Themen angesprochen. Auch bei uns gibt es innerhalb der Gruppe natürlich Ausreißer nach oben und nach unten. Wir hatten vor vier Wochen unsere Erfa. Wenn wir bei unserem Betriebsvergleich erkennen, dass es Indikatoren gibt, dass Mitglieder aus unserer Runde in ernsthafte Schwierigkeiten kommen, sprechen wir das ganz konkret an. Auch im Nachgang versuchen wir uns darum zu kümmern, wie derjenige das Thema anpacken will. Das geht bis dahin, dass der eine dem anderen noch etwas Ware abnimmt, oder wie auch immer eine Unterstützung aussehen kann. Das geht schon deutlich darüber hinaus, dass man sich zwei Tage trifft und dann wieder auseinandergeht. Solange jemand auch von sich aus mitmacht und bereit ist, das Feedback anzunehmen, kämpfen wir dafür, dass derjenige wieder die richtigen Weichen gestellt bekommt.
Blume: Es gab schon Besuche vor Ort von den Kollegen und auch eine Darlehensgeberschaft hat es schon gegeben unter Kollegen. Wie gesagt, das ist eine andere Qualität.
Die Bike-Group-Händler haben in den letzten Jahren eine sehr starke Entwicklung hingelegt. Nun stellen sie die Weichen, um auch die aktuellen und anstehenden Turbulenzen zu bewältigen.
Um damit auf die aktuelle Marktsituation einzuschwenken: Was sind denn Probleme, die Bike-Group-Händler aktuell umtreiben können?
Wahl: Uns treiben die gleichen Themen wie wahrscheinlich alle anderen Fahrradhändler in Deutschland um. Auch bei uns gibt es die Situation, dass viele von uns zu viel Ware haben. Im Quervergleich glauben wir aber schon, dass wir an einigen Stellen etwas besser aufgestellt sind, weil wir durch unseren Austausch vielleicht etwas früher auf die Situation reagieren konnten. Trotz allem sind wir mittendrin in diesem Thema. Der Markt ist sehr ruppig im Moment. Aus unserer Sicht gibt es im Moment sehr viele Händlerkollegen, die wirklich intensiv jeden Monat kämpfen, um den nächsten Monat zu erreichen.
Das macht das Geschäft anstrengend im Moment.
Zusätzlich kommt auf der anderen Seite das Thema Hersteller. Auch da sehen wir, dass nur ganz wenige Hersteller im Moment sehr stabil unterwegs sind. Sehr viele haben während der Boomjahre Kapazitäten erhöht, Strukturen aufgebaut, Preise erhöht und haben jetzt natürlich eine massive Herausforderung. Wer sind denn jetzt die richtigen Partner für die nächsten Jahre? Das ist eine hoch spannende Frage.
Die wir natürlich sofort aufgreifen wollen: Was sind denn die drei besten und drei schlechtesten Marken in der Bike Group?
Blume: Wir wollen sicher kein Name-Dropping machen. Tatsächlich haben wir auf der letzten Erfa ein Experiment versucht, das überraschend gut gelungen ist. Wir wollten der Frage nachgehen, was denn gute Lieferanten sind. Die ist ja nicht so einfach zu beantworten. Man kann Kriterien nennen wie: Dieser hat den besten Preis, jener ist am bekanntesten, der hat ein bisschen Nachlieferfähigkeit, ein anderer hat Finanzierungsmodelle, Ersatzteilversorgung, Servicequalität im Bereich Gewährleistungsabwicklung – das sind ja alles Themen, bei denen ganz viel Musik drin ist. Wir haben in Workshops gearbeitet, um herauszufinden, welche Marken die Favoriten sind. Und siehe da, wir sind zu einer unglaublichen Einigkeit gekommen. Eigentlich alle haben, bis auf ganz wenige Abweichungen, bei einem Ranking von
1 bis 4 doch die gleichen Marken präferiert.
Butter bei die Fische: Was sind die Marken, die in der Bike Group besonders gut angesehen sind?
Blume: Da jeder von der Bike Group bis auf eine Ausnahme Cube hat, muss man die Marke vielleicht nicht nennen, denn sie ist gesetzt.
Wahl: Genau die können wir nennen, weil es tatsächlich immens ist, welchen Umsatzanteil sie hat und auch welche Performance Cube Jahr für Jahr liefert. Wir sind aber genau an der Stelle in einer sehr intensiven Diskussion, welche Firmen sich in diesen schwierigen Zeiten in einer Art und Weise verhalten, dass wir daran glauben, dass sie mittelfristig ein guter Partner sind. Die Situation, dass aktuell existenzielle Kämpfe ausgetragen werden, führt bei einigen Herstellern dazu, dass interessante Dinge entschieden werden und passieren.
»Es hängt ein Riesen-Investment für uns Händler dran, welche Vororder-Budgets wir wo platzieren.«
Ingo Wahl, Erster Vorsitzender Bike Group
Um ein Beispiel zu nennen: Wenn eine als sehr fachhandelstreu bekannte Marke plötzlich auf der Webseite drei verschiedene Angebote bietet, wie der Kunde direkt zu einem Fahrrad vom Hersteller kommt und nur noch eine ganz kleine Händlersuchmaske zu finden ist, muss man sich natürlich schon fragen, ob das wirklich der Partner ist, auf den man setzen will, auch wenn man bisher hohe Umsätze mit so einer Marke erzielte. Das ist ein Thema, das uns im Moment ziemlich stark umtreibt. Es hängt ein Riesen-Investment für uns Händler dran, welche Vororder-Budgets wir wo platzieren. Es gab nicht nur einen Hersteller, der unterjährig einfach mal über Preisreduzierungen massiv Ware in unseren Lagern entwertet hat. Auch das sind Faktoren, über die wir im Moment sehr intensiv diskutieren. Wie groß ist die Strahlkraft einer Marke versus wie groß ist eigentlich das Risiko, dass uns dieser Hersteller gar nicht ernst nimmt? Das versuchen wir auszuloten und daraus leiten wir jetzt im Moment ein Kern- und Ergänzungsmarkenportfolio ab. Da sind wir mittendrin. Deshalb ist es jetzt auch nicht einfach, Namen zu nennen.
Welche allgemeinen Marktentwicklungen sind zusätzliche Problemfelder, die heute noch nicht überall bekannt sind?
Wahl: Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Umsatzentwicklungen, die wir hinter uns haben, so in der Form nicht weitergehen. Auch auf Herstellerseite sehe ich kritisch, ob das Niveau gehalten werden kann. Ein paar wenige Hersteller haben in den letzten Jahren intensiv daran gearbeitet, Großserienprozesse einzuführen und umzusetzen, was sich dann auch in den Endverbraucherpreisen niederschlägt. Gleichzeitig ist zu befürchten, dass ein paar ganz neue Player auftauchen könnten, die zu sehr günstigen Preisen sehr gute Fahrräder anbieten werden. Da hatten wir bis dato sehr oft Glück, dass die Player, die es gab, es dann qualitativ so schlecht gemacht haben, dass sie wieder verschwunden sind. Aber auf dieses Glück sollten wir uns nicht verlassen. Als Händler müssen wir uns fragen, welche Marken wir aufnehmen und wie wir unsere eigene Kostenstruktur aufsetzen. Wenn es einmal 20, 30 oder gar 40 Prozent weniger Umsatz gibt, wird das eine große Herausforderung, zumal natürlich sehr viele neue Verkaufsflächen erschlossen wurden.
Es gibt ja die Einschätzung, dass wie in den letzten 10 bis 15 Jahren auch weiterhin zwischen 3,5 bis 4,5 Millionen Fahrräder verkauft werden. Erwarten Sie tatsächlich so stark sinkende Umsätze?
Wahl: Ich glaube, dass das Thema Fahrrad noch immer ein unglaublich zukunftsträchtiges ist und dass die Stückzahlen in der Region bleiben oder sogar noch wachsen werden. Ich glaube aber auch, dass dieses bedingungslose Kaufen oder Leasen von Fahrrädern, die 5, 6, 7 oder 8000 Euro kosten, sich in der Form nicht halten wird. Wir werden wieder erleben, dass es auch für 2500, 3000 und 4000 Euro extrem gute Räder gibt.
Was sind die Maßnahmen innerhalb der Gruppe, um sich für jedwede mögliche Zukunft zu rüsten?
Wahl: Wir haben uns weiter professionalisiert und innerhalb der Bike Group wurde eine neue Organisationseinheit geschaffen, die mit Jan Oltersdorf im Einkauf und Alexander Bastian als Geschäftsführer intensiv daran arbeitet, Sortimentsstrategien zu erarbeiten und wichtige Prozesse für die Zukunft zu gestalten. Dort wollen wir unsere Stärke, dass wir sehr viele einzelne, kreative Unternehmer sind, zusammen mit unseren Volumen bündeln. Die verschärfte Wettbewerbssituation wird uns auch die nächsten Jahre noch beschäftigen.
Blume: Um da noch einzuhaken: Warum beschäftigen wir uns so strategisch mit der Zukunft? Die Bike Group funktioniert doch gut? Wir sehen, dass die Franchise-Gruppen und Filialisten auch alle stark wachsen. Da lohnt es, zu überlegen, wie viel Bike Group das Land noch vertragen könnte. Die Bike Group ist sehr südlastig, von daher gibt es andere Flecken in Deutschland, wo man noch einen Händler gebrauchen könnte.
Angenommen, ich wäre Händler und hätte nun Interesse an der Bike Group gefunden. Welche Bedingungen müsste ich erfüllen, um in die Bike Group zu kommen?
Wahl: Wir sind zum einen alle überzeugte Bico-Händler. Der Bike-Group ist daran gelegen, dass man Bico-Händler ist. Wenn das noch nicht der Fall wäre, würde man gegebenenfalls darauf hinarbeiten und dabei helfen, Bico-Mitglied zu werden. Da gibt es also ein paar Rahmenbedingungen, die wir einfach voraussetzen. Dazu gehören eine gewisse Umsatz- und Ladengeschäftsgröße irgendwo ab drei Millionen Euro Jahresumsatz, ein hoher Anspruch an das Thema Service und Dienstleistungen und eine solide wirtschaftliche Betriebsaufstellung. Auch in Zeiten, in denen es schwierig wurde, waren wir immer sehr zuverlässig. Das ist uns ein wichtiges Gut. Die Bereitschaft zur Offenheit gegenüber anderen und zum Dialog ist ebenfalls wichtig. Das ist ja das Herzstück der Bike Group. //
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