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Bei aktuellen Finanzdienstleistungen hält sich der Beratungsaufwand für Händler in Grenzen
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Report - Finanzprodukt Fahrrad

Finanzdienste lassen Kundenwünsche in Erfüllung gehen

Händler sollten die Chance, auch mit finanziellen Dienstleistungen Geld zu verdienen, nicht unbeachtet lassen. Ob Dienstrad-Leasing, kundenfreundliche Finanzierungsmög­lichkeiten oder eine Fahrradversicherung: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den ­Geschäftserfolg zu erhöhen.

Die heutigen Finanzdienstleistungen rund um das Fahrrad zeichnen sich nicht zuletzt dadurch aus, dass sie es Kunden und Händlern gleichermaßen leicht machen wollen. Statt langer Beratungsgespräche sollen alle Beteiligten in wenigen Minuten eine Dienstleistung in Anspruch nehmen können. Wie leicht das gehen soll, zeigen unter anderem die Finanzierungsangebote, hier am Beispiel Ratenkauf bei EasyCredit durchgespielt, einem Angebot der Finanzgruppe Volksbanken Raifeisenbanken: Ein Kunde steht vor einem Fahrrad mit QR-Code von Ratenkauf. Er scannt diesen mit dem Smartphone ab und gibt dann nur noch seine Wunschrate sowie ein paar weitere Daten ein. Mit der unmittelbar erfolgenden Finanzierungszusage auf dem Handy geht er zur Kasse, wo er sich dann mit seiner Girocard lediglich noch legitimieren muss. Die Kunden benötigen keine weitere Beratung mehr durch das Ladenpersonal. Es gibt keine peinliche Kreditberatung im Hinterzimmer und der Händler muss sich auch nicht mit den Feinheiten des Kreditwesens herumplagen.
»Der ganze Finanzierungspart ist begrenzt auf wenige Eingaben, die der Kunde selbst macht«, erklärt Anja Dammann, Leiterin Ratenkauf bei EasyCredit. »Wenn der Kunde sieht, dass er finanzieren kann, entstehen Wünsche. Man schaut sich dann nicht mehr eine eventuell abgespeckte Variante an, sondern das Wunschrad. Das ist der Vorteil von Ratenkauf.« Die Kunden hätten bei attraktiven, niedrigschwellig erreichbaren Finanzierungsmöglichkeiten eine höhere Bereitschaft zum Upselling, bezie­hungs­weise überlegen von sich aus, sich ein besseres Produkt zu leisten. Die Bereitschaft dazu sei groß, denn die Kunden hätten heute andere Liquiditätsgewohnheiten. Man spare nicht mehr auf ein Ziel hin, sondern gönne sich etwas sofort und zahle das dann hinterher ab. ­»Kunden erwarten heute eine Finanzierungsmöglichkeit«, ist Dammann überzeugt. Damit ergebe sich für den Handel Handlungsbedarf. »Wenn sie nicht geboten wird, gehen die Kunden woanders hin.«
Der Aufwand, den ein stationärer Händler mit der Einbindung dieser Finanzierungsmöglichkeit hat, wird möglichst gering gehalten. »Wir stellen alle Werbemittel zur Verfügung«, erklärt Dammann, »der Aufwand reduziert sich auf den Vertragsabschluss zwischen uns und dem Händler. Zusätzlich wird in die Kasse bzw. das Kassenterminal die Zahlart implementiert, was in den meisten Fällen ein reines Update ist, das über Nacht eingespielt werden kann.«
Ein nicht unwesentlicher Aspekt für den Handel besteht bei einer seriösen Finanzierungsoption auch darin, dass er sein Geld sicher bekommt. »Wir übernehmen das gesamte Risiko und Forderungsmanagement«, erklärt Dammann. »Im Standardfall bekommt der Händler die volle Summe des Kaufbetrags innerhalb von 16 Tagen ausgezahlt, abzüglich eines Disagios von 1,49 Prozent.«
Die eigentliche Frage lautet natürlich aber doch: Bringt mir das als Händler etwas? Auch wenn man den Aussagen eines Finanzunternehmens, das sein Produkt verkaufen will, etwas vorsichtig gegenüberstehen darf, klingen entsprechende Zahlen aus dem Handel vielversprechend. Laut eigener Erhebung von Easycredit geben 60 Prozent der Ratenkauf-Händler an, deutlich mehr Umsatz zu erzielen, 68 % geben an, die Kundenzufriedenheit gesteigert und 54 % sagen, mehr Neukunden gewonnen zu haben. Da zudem noch längst nicht jeder Händler solche Finanzierungsoptionen anbietet, könne man sich damit auch vom Wettbewerb abheben.
Ratenkauf bei EasyCredit ist nicht das einzige Unternehmen, das Finanzierungsmöglichkeiten bietet. Unter den Mitbewerbern finden sich dabei inzwischen auch Fahrradhersteller. »Finance a Bike« ist beispielsweise ein Angebot der Bike Mobility Service GmbH, einer Tochter von Derby Cycle.

Enormer Einfluss durch Dienstradleasing

öhere Umsätze durch unkomplizierte Finanzierungsoptionen sind ein Mittel, um den Unternehmenserfolg im Handel zu steigern. Es gibt jedoch noch eine weitere Finanzdienstleistung, deren Einfluss in der Fahrradbranche aktuell wohl noch deutlich höher eingeschätzt werden kann: das Dienstradleasing. Es ist in den vergangenen Jahren weit verbreitete Praxis geworden, sein Fahrrad als Arbeitnehmer nicht selbst zu kaufen, sondern über den Arbeitgeber als Dienstfahrzeug zu leasen. »Wir schätzen, dass rund 10% aller verkauften Räder in Deutschland über Leasing gehen. Das ist eine enorme Menge und ein großer Erfolg für die Anbieter. Klar ist, dass auch der Fachhandel davon profitiert und besonders auch die VSF-Händler, weil geleaste Räder meist auch qualitativ hochwertig sind, und das ist genau unser Markt«, sieht Albert Herresthal, Geschäftsführer vom Verbund Service und Fahrrad e.V. (VSF), die positiven Aspekte der Entwicklung.
Geschätzt sind heute etwa 250.000 Fahrräder auf den Straßen unterwegs, die auf diese Weise finanziert wurden. Präzise Marktzahlen zum Fahrrad-Leasing gibt es bisher leider nicht. Dennoch ist das eine große Menge hochwertige Räder, die sonst vermutlich nicht mal annähernd in der gleichen Stückzahl über die Ladentheke gewandert wäre. Manch einer geht so weit zu sagen, dass ohne das Dienstradleasing die ganze Branche nicht die Erfolgsgeschichte schreiben würde, die sie derzeit erleben darf.
Es wird spannend bleiben, wie hier die weitere Entwicklung aussehen wird. Im Automobilbereich ist das Fahrzeugleasing für nicht ganz die Hälfte der Neuwagen-Zulassungen verantwortlich, bei Premium-Herstellern sogar mehr. Da die gewerblichen Kunden Mittel- und Oberklasse-Fahrzeuge bevorzugen, erreichen sie wertmäßig sogar etwa zwei Drittel Marktanteil. Nicht alles, was geleast wird, ist automatisch ein Dienstwagen. 12 Prozent der Beschäftigten in Deutschland verfügen laut einer Erhebung des Beratungsunternehmens Compensation-Partner über einen Dienstwagen. Auch von dieser Zahl ist die Fahrradbranche mit Dienstfahrrädern noch weit entfernt, obwohl sie eine viel breitere Zielgruppe ansprechen kann als nur die Führungsebenen in den Unternehmen.
An dieser Situation stoßen sich auch die Branchen-Vordenker wie Herres­thal: »Es gibt ein paar Aspekte, die nachdenklich stimmen. Einmal: Wir wünschen uns ja einen zusätzlichen Marktimpuls durch das Leasing. Wenn man sich aber die Gesamtverkaufszahlen an Fahrrädern und Pedelecs in Deutschland ansieht, dann ist über die letzten Jahre leider kein quantitatives Wachstum sichtbar. Der zweite Punkt, bei dem wir als Fachhandel selbstkritisch feststellen müssen, Marktchancen zu verpassen, ist der Bereich der Firmenkunden. Diese lassen sich gut durch Leasing ansprechen, aber in diesem Segment sind nur wenige Fachhändler bisher gut aufgestellt und aktiv geworden. Hier müssen wir auf jeden Fall noch besser werden.«
Sofern das in Zukunft besser gelingt, sollte es weitere positive Effekte für die Fahrradwelt nach sich ziehen. Fast beiläufig entwickelt sich mit der Zahl der Dienstradnutzer beispielsweise auch ein Bedürfnis nach einer adäquaten Fahrradinfrastruktur. Wer ein besonders hochwertiges Pedelec fährt, will das auch sicher abstellen können, auf Wegen bewegen, die gefahrlos nutzbar sind und ausreichend Platz bieten, kurzum: Es entsteht gerade eine Kundengeneration mit Einfluss, die den Status quo als unzulänglich erkennt und folgerichtig Verbesserungen verlangt, die wiederum einen langfristigen Bestand der Fahrradbranche sicherstellen.

Fahrradversicherung zur Kundenbindung

Ebenfalls kurz- und langfristige Auswirkungen auf das Geschäft von Fahrradhändlern hat das seit einigen Jahren aufblühende Versiche­rungsgeschäft, das natürlich nicht fehlen darf, wenn es um Fahrräder als Finanzprodukt geht. Dennoch haben haben überraschend viele Händler immer noch Hemmungen, sich auf dieses Feld einzulassen. Vielleicht ist Auslöser dafür die Erinnerung an ­lästige Gespräche mit aufdringlichen Versicherungsvertretern im eigenen Wohnzimmer, die man sich gern erspart hätte. Doch aktuelle Fahrradversicherungen sind kein mit Engelszungen aufzuschwätzendes Produkt, sondern bieten eine echte Win-Win-Situation für Kunden und Händler, die einen genaueren Blick wert ist und wenig Zeitaufwand bedeutet.
Zunächst einmal ist da der finanzielle Aspekt zu nennen. Der Händler, der eine Fahrradversicherung verkauft, erhält dafür eine Provision. In der Regel geht es um ca. 15 bis 20 % der Prämie abzüglich der Versicherungssteuer. Diese »Aufwandsentschädigung« wird bei jeder Prämienzahlung des Kunden erneut an den Händler ausgeschüttet. Wer auf dieses Feld Wert legt, kann also ein nettes Zubrot verdienen, die Nadel auf dem Umsatztacho wird auf diese Weise im Fahrradfachhandel aber nicht wesentlich bewegt. Viel wichtiger sind die Folgegeschäfte, die der Versicherungsabschluss nach sich zieht.
»Ein Versicherungsangebot gehört heute dazu, weil ich den Kunden damit an mich binde«, sieht Sören Hirsch, Sales Manager bei Spezialversicherer Enra, als wichtigsten Vorteil. »Wenn der Kunde ein Problem hat, kommt er zum Händler und muss nicht mal in Vorleistung gehen.« Im Kern geht es darum, dass die Versicherung auch dann einspringt, wenn nicht gleich das ganze Rad gestohlen wurde. »Der Worst-Case ist Diebstahl, aber Kleinschäden kosten auch mal 200 Euro und kommen in der Praxis viel häufiger vor. Diese sind ebenfalls bei aktuellen Policen abgedeckt«, erklärt Hirsch.
Auch Georg Düsener, Bereichsleiter Vertrieb Fahrrad bei Mitbewerber Wertgarantie, legt Wert auf diesen bisher nur wenig kommunizierten Aspekt: »Besteht ein Wertgarantie-Schutz kann der Händler auch für diese kleinen Reparaturen vernünftige Rechnungen schreiben.« Im Ergebnis geht der Kunde kaum noch zu anderen Händlern. »Von 100 Wertgarantie-Kunden kehren 96 wieder zu dem Fachhändler zurück, bei dem sie ihren Schutz abgeschlossen haben«, erklärt Düsener.
Warum sollte es den Händler interessieren, wie und welche Schadensfälle abgewickelt werden? Weil das Geld nicht an den Kunden ausgezahlt wird, sondern an den Händler. Das Geld bleibt also in der Branche und die Versicherung kann davon ausgehen, dass kein Kunde versucht ist, sie übers Ohr zu hauen. Wäre die Versuchung sonst groß, das ausgeschüttete Geld aus der Versicherung in andere Konsumgüter zu stecken, ist der Kunde bei Fahrradversicherungen dazu angehalten, das Geld zweckgebunden wieder für ein vergleichbares Produkt auszugeben.

Schulungen sind elementar

Ob Finanzierungsmöglichkeiten, Dienstrad-Leasing oder die Spezialversicherung, in allen Fällen werden den Händlern heute durch die Anbieter umfangreiche Schulungen und Mate­rialien zur Verfügung gestellt. Bei der Wertgarantie sind die Außendienstler auch geschulte Verkaufstrainer, die eine zielführende Gesprächsführung aufzeigen können. Sören Hirsch von Enra erklärt, dass das eigentliche »Sprechen« über Versicherungen nicht länger als zwei Minuten dauern sollte. So könne man im Verkaufsgespräch das Thema Versicherung kurz anschneiden, wenn erkennbar wird, dass man dem Kunden so die Angst nehmen kann, sich für ein teureres Fahrrad zu entscheiden. »Spätestens, wenn man zum Thema ›Schloss‹ kommt, muss man auch Versicherungen erwähnen«, ist er überzeugt.
Gerne genutzt werden auch Online-Schulungsangebote, die sich gerade bei Finanzdienstleistungen bewährt haben. »Durch die Trainings kennen unsere Partner unsere Produkte und haben auf jede Frage eine Antwort«, erklärt Düsener den Anspruch an das Angebot.
Dienstleistungen sind im Fahrradhandel seit jeher ein Thema von zentraler Bedeutung. Bisher wurde dieser Bereich jedoch vor allem mit der Werkstatt assoziiert. Die neue Rolle als Finanzdienstleister mag für manchen Marktteilnehmer vor diesem Hintergrund noch ungewohnt anmuten. Doch um das Potenzial von solchen Services für die weitere Entwicklung des gesamten Marktes zu verstehen, genügt vielleicht auch einfach nur ein Blick auf die Preisschilder im Schaufenster eines Fahrradladens.

2. Dezember 2019 von Daniel Hrkac

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