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Markt - E-Kompakt- und Falträder

Knuffig und smart statt SUV

Das E-Kompaktrad kommt ins Rollen.
Es wirkt urban, jung und hat Niedlichkeitsfaktor. Wo liegen die konzeptuellen Unterschiede bei einer Radgattung, die auf den ersten Blick recht homogen auftritt? Und wer sind zukünftige Kunden?

Wer erinnert sich an Cannondales 20-Zöller mit dem bösen Namen Hooligan? Es ist 2007 eines der ersten Kompakträder und wird als Spaßmobil in der City zur Ikone. In Deutschland ist schnell ein anderes Rad bekannter und verkaufsstärker. Das I:sy, zur gleichen Zeit entstanden, feiert Urbanität wie Multifunktionalität standardmäßig mit E-Motor. Während das schnelle, aber unmotorisierte Hooligan nach ein paar Jahren zum Bedauern vieler eingestellt wird, nimmt das E-Kompakt-Konzept auf 20 Zoll erst so richtig Fahrt auf. Viele Hersteller haben heute E-Kompakträder im Portfolio. Interessant ist dabei, dass sie unterschiedliche Einsatzbereiche des 20-Zöllera propagieren, vom E-Bike für den modal Split bis zum Reiserad. Dass es in der Stadt gut aufgehoben ist, darüber sind sich fast alle einig.

So originär wie der Porsche 911?

Die Marke I:sy hat jüngst den Lizenzvertrag mit Hartje auslaufen lassen und »mit der BikeTec Beteiligungs-GmbH, einer Tochter der ZEG, den Schritt in mehr Selbstständigkeit gewagt«, so die offizielle Sprachregelung. Das E-Kompaktrad I:sy ist heute Klassiker und Vorbild. Entwickler Martin Kuhlmeier kam aus dem Reiserad-Bereich, was laut Marc Burger, Marketingleiter beim Kompaktradhersteller, ein zentraler Einsatzbereich des Rads ist. »Mit dem E-Kompaktrad bin ich bequemer unterwegs«, so Burger. »Beim Trekkingbike lasten etwa 15 Prozent des Körpergewichts auf den Händen, das I:sy ist dank Speedlifter so einstellbar, dass es deutlich weniger sind. Die Range reicht von sportlich bis aufrecht und diese Multifunktionalität ist neben der besseren Transportfähigkeit der große Vorteil des E-Bikes.« Dazu kommen Handlichkeit durch die kleinen Räder, Laufruhe aufgrund des langen Radstands und breite, gut dämpfende Reifen.

Mit Wanderer-Genen: Das I:sy soll auch als Reiserad eine gute Figur machen und erhielt nochmals mehr Geradeauslauf.

»Wir sind das Original. Kein Lifestyle-Produkt, sondern ein vollwertiges Reiserad. Wie der Porsche 911«, so Burger selbstbewusst. »Die Käufer sind Berufspendler ebenso wie Fahrradenthusiasten, die auf die Universalität des Rads Wert legen.« Für das 2022er-Modell wurde laut Burger »jede Schraube angefasst». Man will Benchmark bleiben. Pendlerwünschen wird man mit dem stärkeren Licht einer 100-Lux-Lampe gerecht, der Gepäckträger hat mehr Zuladung und ist für Kindersitze zugelassen. Und durch den leicht veränderten Hinterbau hat das neue I:sy ein »direkteres Fahrgefühl«. Die Preise für das I:sy 2022 dürften etwa bei 100 Euro höher liegen als beim 21er-Modell. Einstiegspreis: 2899 Euro. Doch die Konkurrenz schläft nicht.

»Das Gegenteil der SUV-Bewegung«

»In sieben Monaten«, sagt Entwickler Orm Warnecke stolz, »haben wir bei Hartje mit dem Qio unser eigenes Kompaktrad auf die Räder gestellt.« Dass der ehemalige I:sy-Vertreiber so schnell und mit derartigem Aufwand eine Alternative aus dem Hut zaubert, ist wohl beredtes Zeugnis, wie überzeugt man in Hoya von diesem Segment ist. Die Anforderungen waren »geringer Platzbedarf beim Abstellen, hochwertige Fahreigenschaften, überzeugendes Handling in der Stadt, Eignung für Alltag und Kindertransport und auch für Camper soll es in Frage kommen.

Jetzt auch für Kinder: Das QiO von Hartje ist vielseitig nutzbar und kindersitztauglich.

Für möglichst alle Familienmitglieder sollte es passen«, wie Simone Ecsedy, Brand Management, aufzählt. »Das neue Rad wirkt freundlich und ist leicht zu fahren, genau das Gegenteil der SUV-Bewegung!« Der Einstiegspreis liegt bei knapp 2900, die obere Grenze markieren 5500 Euro. Drei Modelle mit Rücktritt sprechen dafür, dass auch ältere Kundinnen und Kunden bedient werden. Die Silhouette des Rads kommt der des I:sy nahe, abgesehen von den sanft angewinkelten Sattelstreben, welche die Gepäckträgerstreben verkürzen und so verstärken. Die Rahmenrohre haben einen angedeutet viereckigen Querschnitt mit abgerundeten Kanten. Das Qio ist für viel Zuladung (Systemgewicht 140 Kilo) und Kindertransport freigegeben. Mit verlängertem Radstand soll das neue E-Bike gelassener fahren. Als Details hebt Entwickler Warnecke die im großzügigen Rahmenrohr integrierten Züge hervor, aber auch auf die Diebstahlsicherung von Vorderrad und Sattel aus dem Hause By.Schulz ist man stolz. Jedes der acht Modelle gibt es in acht Farben, die in Hoya auf den in Fernost gefertigten Rahmen gepulvert werden. Von den Händlern sei bereits viel Zuspruch gekommen, so Ecsedy.

Compakt ist cool: Das Tinker von Riese & Müller setzt auf Design und spricht so Städterinnen und Städter an.

Hauptaufgabe: Platz sparen!

Seit 2021 hat Cube das Compact Hybrid im Programm mit konzeptuell am Kreuzrahmen angelehnten Rahmen und geringer Durchstiegshöhe, 20-Zöller und einen großen Verstellbereich von Sattel- und Lenkerhöhe. Auch hier haben die Rahmenrohre angedeutet viereckige Querschnitte. »Wir wollten ein Rad, das an die urbanen Anforderungen angepasst ist«, sagt Nils Hausdorf, Produktmanager Urban Mobility. »Das soll man auch mal im Büro abstellen können, es soll keine Platzprobleme beim Tragen im Treppenhaus verursachen und in den Radkeller passen, wenn das Trekkingbike zu groß ist.« Dass ein wendiges Kompaktrad wie ein großes geradeaus läuft, setzt man bei Cube nicht voraus. »50 Kilometer würde ich mit einem Kompaktrad eher nicht fahren«, so Hausdorf.


Cube setzt auch beim voll ausgestatteten Compact Hybrid 500 auf ein ansprechendes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Die Kundenklientel ist gemischt, »auf jeden Fall eine komfortorientierte Zielgruppe.« Das Rad verkaufe sich gut. »Mit dem Camping-Trend hat unser Kompaktrad zusätzlichen Schub bekommen. Man hat ein E-Bike für Ausflüge dabei, das durch die breite Einstellbarkeit von der ganzen Familie genutzt werden kann. Preislicher Einstieg: 2.549 Euro.

Urbaner Sportler unter den Kleinen

Camping ist auch ein Stichwort für Markus Riese, Geschäftsführer von Riese & Müller. Ihr E-Kompaktrad Tinker hat schon fast zehn Jahre auf dem Buckel, verkauft sich aber grundsätzlich gut. »Wie viele Käufer vermehrt aus dem Camping-Bereich kommen, können wir natürlich nicht abschätzen, aber sicher ist das ein Einsatzbereich. Genauso wie Großstadtmenschen mit Hinterhof-Wohnungen und engen Durchgängen oder schmalen Abstellräumen auf den 20-Zöller zurückgreifen.« Sie schätzen den klappbaren Lenker und die schmale Shilouette. Ein anderer Punkt ist, dass das Tinker durch seinen eher sportlichen Auftritt gegenüber den Tiefeinsteigern aus der E-Kompaktrad-Menge heraussticht. »Menschen, die Wert darauf legen, nicht mit einem typischen urbanen E-Bike unterwegs zu sein.« Unter den Kunden sind laut Riese viele Architekten. »Aber innerhalb des E-Bike-Booms der letzten beiden Jahre kann ich keine größere Dynamik der E-Kompakten sehen«, so Riese. »Allgemein hat das 20-Zoll-Rad in Deutschland ja einen schweren Stand, verglichen etwa mit Asien und mit den Ländern in Europa, wo die Menschen im Schnitt kleiner sind. Die greifen gern auf das Kompaktrad zurück.« Allerdings kann Riese sich vorstellen, dass die Zukunft des 20-Zöllers am Schnittpunkt zwischen E-Kompakt und ausgewachsenem Cargobike liegt. »Wo das klassische Lastenrad zu sperrig ist, kommt das Kompaktrad mit Transportfunktion zum Einsatz. Das hat auch noch den Vorteil, dass es bei vielleicht gleichem Nutzvolumen durch die 20-Zöller einen tieferen Schwerpunkt bietet als die 28er.« Wer den Typus Klein-Cargo so propagiert, hat vielleicht ein solches Konzept in der Schublade? »Wir beschäftigen uns definitiv mit dem Thema«, bestätigt Riese.

Nach 12 Jahren immer noch futuristisch

Ein Pionier des Kompakt- oder besser des Faltrads mit E-Motor ist Gocycle. Das Rad erscheint gerade in vierter Generation. »Die Idee hatte ich 2002«, so Richard Thorpe, Gründer der Marke. 2009 gab es die erste Serie von Rädern, bei denen alles anders sein sollte als bei anderen. »Schmutzresistenz, Sitzposition, Faltbarkeit, Integration von Zügen, Gewicht, das alles war wichtig. Das traditionelle Faltrad ist ein Kompromiss. Ich wollte keine Kompromisse«, so Thorpe. Faltbarkeit und deren Vorzüge gehören für Thorpe, der im ersten Leben bei Formel-1-Ikone McLaren entwickelt hat, ohnehin zu einem guten Fahrrad. Genauso wie schnelle Demontierbarkeit der Räder durch einseitige Aufhängung oder die Laufruhe eines »ausgewachsenen« Rads. Die Kette läuft im Moncoque-Hinterbau schmutzfrei und geschont, die Hinterradnabe wurde von Shimano eigens für Gocycle produziert. Der Motor im Vorderrad ist gerade neu entwickelt worden und glänzt jetzt durch extrem leisen Lauf und Traktionskon­trolle – laut Thorpe der einzige weltweit.
Das neue G4-Modell soll mit Carbongabel und hinterem Rahmenzug aus dem Faserstoff bei 16,6 Kilogramm Gesamtgewicht liegen.
Dass das E-Bike mit urbanem Fokus noch nicht in großem Stil Fuß fassen konnte, liegt für Thorne auch daran, dass es in keine Kategorie passt und ein erklärungsbedürftiges Produkt ist. Mit einem Händlerausbau soll der Markterfolg beschleunigt werden. Mittlerweile gibt es 50 Händler in Deutschland. 2020 nahm das Unternehmen mit 30 Mitarbeitenden 15 Millionen Euro ein, es wurden satte 50 Prozent mehr Räder verkauft als im Jahr davor.

Keine Kompromisse: Falten, E-Motor und volle Integration gehören beim Gocycle zum Standard.

Hollandrad-Feeling auf 20 Zoll

»Das ist das passende Mobil für urbane Bewohner, die kein Faltrad brauchen,« erklärt Uwe Weissflog, der für Tern EU das Marketing leistet. Dort hat man das Modell HSD im Programm, das mit niedrigem Schwerpunkt, flotter Beschleunigung und cleverem Zubehör punktet, wie dem Speedlifter für variable Lenkerhöhe und Flat Fold, also geringe Abstellbreite. Platzsparendes vertikales Parken auf Hinterrad und Gepäckträger gibt’s als Zugabe. Das sind die urbanen Funktionen des für ein Kompaktrad recht lang anmutenden HSD. Ein Riemenantrieb ist Standard, ebenso wie der Gepäckträger, der für 60 Kilogramm Last zugelassen ist und mit entsprechendem Sitz und Fußrasten daher auch für leichte Erwachsene geeignet ist. Auch hier gilt: One Size fits most, von 1,50 Meter bis 1,90 Meter Körpergröße soll das Rad von allen gefahren werden können. »Nur im modalen Betrieb bin ich mit dem Faltrad besser bedient«, meint Weissflog. Das E-Bike ist leicht durchs Treppenhaus manövrierbar, bietet aber die andererseits mit hochgestelltem Lenker die Sitzposition eines Hollandrads, also tendenziell eine gemütliche Sitzhaltung. Den Fokus auf Komfort unterstreicht die Federgabel. Eigentlich lässt sich auch der E-Antrieb als ein Komfortfeature eines urbanen Rads sehen, er ist Teil des Konzepts. Einziges Manko, das für fast alle E-Kompakten gilt, ist das Gewicht eines E-Bikes – auch deshalb dürfte mit den E-Kompakten der Wechsel zwischen öffentlichem Transport und Radstrecken eher die Ausnahme sein. Der Einstiegspreis fürs HSD mit 9-fach-Alivio-Schaltung liegt bei knapp 4000 Euro, das Spitzenmodell mit Enviolo-Nabe schlägt mit 5699 Euro zu Buche. Das Zubehörprogramm reicht vom Zweibeinständer über den speziellen Kindersitz bis hin zum Frontgepäckträger.

Kunden fordern Kompaktvarianten

Beim Hersteller BBF in Berlin wird die Sparte »Falt- und Kompakträder mit Motor« seit einigen Jahren sukzessive ausgebaut. Neben den Modellen Dallas und Boston mit klassischem E-Kompakt-Aufbau gibt es auch den Tiefeinsteiger mit 20 Zoll und integriertem Akku oder mit Cargo-Funktion wie beim Longtail New York. »Wir bemerken seit Jahren enormen Nachfragezuwachs an diesen Konzepten, vor allem in Berlin selbst, aber auch deutschlandweit«, erklärt Danilo Klaar von der Marketing- und Kommunikationsabteilung des Unternehmens. Sieben verschiedene Modelle sind derzeit im Segment erhältlich.
Das Verstauen im engen Keller oder Mietshaus und die Kombi von öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrad in der Großstadt sind die Hauptanforderungen, die Kunden daran haben. »Dieses Segment hat bei uns einen Anteil von zehn Prozent am Gesamtverkauf«, so Klaar, »und man kann sagen, dass die Kunden in den letzten Jahren die Varianten regelrecht eingefordert haben.«

Fein faltbare E-Mobilität

Das Brompton, vielleicht das Faltrad par Excellence, hat 2019 ein E-Update bekommen. Das klassische Rad für die Kurzstrecke und den Transport in Bahn und Auto mit schwerem Motor? »Wir haben das Antriebssystem leicht und kompakt gestalten können«, sagt Adrian Lipovača, Sales Manager DACH von Brompton. »Die Batterie haben wir für unser ultrakompaktes Produkt ebenfalls optimiert.« Gute 17 Kilogramm wiegt der Faltklassiker so und ist damit sicher zumindest für einen Teil der Kundschaft kellertreppen-kompatibel. Allerdings kann der 16-Zoll-Falter das Handling eines Kompaktrades und seine Zuladungsqualitäten wohl kaum erreichen. Aber hier geht’s auch wirklich nur um die Kurzstrecke und den Modal Split.

Design in der City

Erfrischend aus der Reihe tanzt die designorientierte Marke Storck mit ihrem neuen Kompakt-Urbanbike Name:2. Es läuft auf 24-Zoll-Rädern, hat den Fazua Evation an Bord und sogar nur eine Kettenstrebe (links) und eine Sattelstrebe (rechts).

Designpreisgekürt: Name.2 von Storck (o.). Berliner Kundinnen und Kunden wollen‘s faltbar: BBF Milano.

Die mutige Optik ist mit dem Red Dot Award belohnt worden.
Die neue Vielfalt bringt auch Cannondale noch mal ins Grübeln. Dort denkt man vielleicht doch wehmütig an den Hooligan, dessen Ende schon bald zehn Jahre zurückliegt. Auf jeden Fall kann man sich laut Andreas Krajewski, Marketing & Communicatios Leader Europa, »vorstellen«, dass die Entwickler in Freiburg »diese Produktgattung auf dem Schirm haben.« Die Zeit scheint reif zu sein. Die Kompaktklasse mit E-Antrieb ist offenbar eine Fahrradgattung, die sich im Markt behaupten kann.

5. August 2021 von Georg Bleicher

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