7 Minuten Lesedauer

Porträt - Alé

Maßgeschneiderte Performance aus Italien

Wer heute Rennrad fährt, legt in aller Regel auch großen Wert auf die Bekleidung, die er oder sie dabei trägt. Dabei gibt es oft genug auch Extrawünsche. Spezialisten wie Alé können diese erfüllen. Dabei zeigt sich, dass bei Bikewear Performance und Mode immer enger verschmelzen.

Die Geschichte von Alé beginnt mit der Firma APG, die 1986 gegründet wurde und zunächst als Auftragsfertiger für andere Marken tätig war. Seit 2014 verfolgt das Unternehmen eine neue Strategie: Mit der Marke Alé konzentriert man sich auf die eigene Produktion und den Aufbau einer eigenständigen Identität im Bereich hochwertiger Fahrradbekleidung.

Von der Idee zum Produkt

Der kreative Prozess bei Alé beginnt oft genug mit einer Idee von Alessia Piccolo, die als treibende Kraft hinter den Kollektionen steht. Die Ideen der Geschäftsführerin werden von Modellisten in konkrete Formen gebracht und in der Hauptfabrik in Prototypen umgesetzt. Die Entwicklung umfasst mehrere Phasen – vom Design über die Modellierung bis zur Fertigung. »Hier machen wir fast alle Prototypen«, heißt es im Gespräch, weil man so auch alle Feinheiten berücksichtigen kann.


Beim Design der Trikots und Hosen kann die italienische Manufaktur aus dem Vollen schöpfen.

Dazu gehört etwa die manuelle Positionierung der Hosenpolster. Diese werden nicht nur selbst entwickelt und produziert, sondern auch von erfahrenen Näherinnen per Hand eingesetzt. »Bis heute gibt es keine Maschine, die so gut Position bestimmen kann«, erklärt Produktionsleiterin Valeria Fasoli. Die Sensibilität der Hände ist entscheidend, um den Stoff korrekt zu spannen und das Polster optimal zu platzieren.

Technik trifft Handwerk

Alé setzt auf technische Präzision und hochwertige Materialien. Die verwendeten Stoffe sind ursprünglich weiß und werden später bedruckt. In vier Stationen werden sie gestretcht, geglättet und geschnitten. Dabei kommen sowohl einfache Schneidemaschinen als auch komplexe Schweißtechniken zum Einsatz, etwa zur Verbindung unterschiedlicher Materialien.
Die Stoffe spielen überhaupt eine große Rolle für Alé. Ein nasser, durchgeschwitzter Fahrer auf dem Rennrad ist den Machern vor Ort ein Gräuel. Funktionalität wie perfekte Atmungsaktivität ist hier genauso wichtig wie faltenloser Sitz auf dem Aero-Rad. Als reine Modemarke will man jedenfalls auf keinen Fall wahrgenommen werden. Um die Leistung weiter zu verbessern, sucht man das Feedback von verschiedensten Seiten. Obwohl Alessia Piccolo im Betrieb genug zu tun hätte, besucht sie immer noch viele Radrennen, um zu sehen, was sich bei den Profis und ihrer Bekleidung tut. Im direkten Kontakt ergebe sich noch mehr Rückmeldung als sonst. Vermutlich schaut sie auch einfach gerne den Sport an. Die Profiware steht dann genauso den Amateuren zur Verfügung. Die Schnitte und die Kollektion sind identisch.


Marco Filippi, Leiter Textildruck, zeigt die einzelnen Komponenten einer Radhose am Beispiel der Kollektion für die slowenische Nationalmannschaft.

Die Produktion umfasst täglich zwischen 2500 und 3000 Artikel. Neben der Serienfertigung spielt die Maßanfertigung eine zentrale Rolle. Besonders bei Profi-Teams ist die individuelle Anpassung von Polstern und Schnitten entscheidend für die Performance. Entsprechend wird ihnen jeder Wunsch erfüllt. »Jeder Fahrer hat eine persönliche Position oder Form«, erklärt Fasoli im Gespräch. Die Polster werden daher oft individuell positioniert – ein Prozess, der Erfahrung und Fingerspitzengefühl erfordert.

Custom-Made als Kernkompetenz

Über die Hälfte der Produktion entfallen auf Custom-Made-Ware. Teams, Nationalmannschaften und sogar Freundesgruppen können ab zehn Stück bestellen – auch in unterschiedlichen Größen. Das Design ist inklusive: »Wenn es eine Anfrage von einer Mannschaft gibt, ist das Design inklusive im Preis.« Grafiker nehmen die Wünsche der Kunden auf, erstellen Entwürfe und passen diese bei Bedarf an.


Das Hosenpolster und seine Position werden bei Alé sehr genau unter die Lupe genommen.

Die Lieferzeit für Custom-Produkte beträgt etwa 60 Tage, bei Nachbestellungen rund 45 Tage. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um 10 oder 100 Stück handelt – die Produktionszeit bleibt gleich. Mit diesem aktuellen Stand gibt man sich nicht zufrieden. Ein Online-Konfigurator soll künftig die Individualisierung vereinfachen und beschleunigen.

Qualität durch Nähe zum Sport

Alé arbeitet eng mit Profi-Teams und Nationalmannschaften zusammen – darunter die britische, französische, slowenische und dänische Nationalmannschaft. Diese Kooperationen sind nicht nur prestigeträchtig, sondern auch wichtiger Teil der Produktentwicklung. Feedback aus dem Hochleistungssport fließt direkt in die Serienproduktion ein. »Die britische Nationalmannschaft gibt uns die Möglichkeit, technische Produkte zu entwickeln, um die Performance der Athleten zu verbessern«, nennt Fasoli ein Beispiel.


Vom Design über die Prototypen-Produktion bis zur Serienfertigung erfolgt alles im Hauptwerk in Bonferraro di Sorgà.

Auch die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenbekleidung werden berücksichtigt. Polsterformen, Schnittzonen und Materialverhalten sind geschlechtsspezifisch angepasst. »Die Breite der Innenbeine ist unterschiedlich – da braucht es zwei ganz unterschiedliche Polster.« Mit den Bedürfnissen von Radfahrerinnen kennt man sich bei Alé aus. Das liegt nicht zuletzt an dem 90-prozentigen Frauenanteil in der Belegschaft.

Zwischen Handwerk und Digitalisierung

Die Produktion bei Alé ist geprägt von einem Mix aus Handarbeit und technischer Innovation. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen über ein tiefes Verständnis für Materialien und nicht zuletzt auch Herstellungsprozesse. Eine Mitarbeiterin hat die Aufgabe, als »Tetris-Expertin« den Verschnitt zu minimieren. Sie plant den Stoffschnitt so, dass so effizient wie möglich zugeschnitten wird. Die Effizienz liegt bei etwa 75 Prozent – ein sehr guter Wert in der Textilproduktion.
Jedes ausgeschnittene Teil erhält ein eigenes Etikett, um Größe und Position eindeutig zuzuordnen. Die Qualitätskontrolle erfolgt in mehreren Stufen, oft manuell. Auch externe kleine Firmen sind in die Produktion eingebunden – sie übernehmen spezialisierte Aufgaben wie das Nähen bestimmter Komponenten oder das Anbringen von Silikonelementen.

Marktstrategie und Zukunft

Alé sieht sich als technische Marke mit Fokus auf Funktionalität und Performance. Während andere Hersteller auf modische Trends setzen, bleibt Alé dem Anspruch treu, Bekleidung für leistungsorientierte Radfahrer zu entwickeln. »Wir arbeiten wie ein Helmhersteller oder ein Radentwickler – auch die Bekleidung muss zur Performance beitragen«, erklärt die Chefin Piccolo.


Alessia Piccolo ist die Geschäftsführerin von Alé und treibende Kraft hinter vielen Entwicklungen.

Die Marke investiert in die Weiterentwicklung des Katalogs und des Custom-Bereichs. Ziel ist eine ausgewogene 50:50-Verteilung beim Verkauf der Linien. Das soll nicht über Umverteilung der Umsätze, sondern über Wachstum erfolgen. »Ich will das Custom-Segment stärken, aber ich will auch den Katalogumsatz erhöhen«, erklärt Piccolo. Der Online-Konfigurator soll dabei helfen, die Individualisierung weiter auszubauen. Ganz leicht wird das alles nicht, denn die aktuellen Herausforderungen im Markt gingen auch an den Bikewear-Anbietern nicht spurlos vorbei. »Es ist kein einfacher Markt«, verdeutlicht Piccolo. Gerade die Wettbewerber aus Asien, auch wenn sie ihrer Überzeugung nach nicht die gleiche Qualität erreichen wie das eigene Haus, müssen ernst genommen werden.
Der Weg dahin ist eine bemerkenswerte Strategie. Alé steht für eine Verbindung aus technischer Exzellenz, handwerklicher Präzision und individueller Anpassung. Die Nähe zum Profisport, die hohe Fertigungstiefe und die konsequente Qualitätskontrolle machen die Marke zu einem bemerkenswerten Vertreter der Bikewear-Branche. Hier verschwimmt jedenfalls die sonst so deutliche Grenze zwischen Mode und Ingenieurskunst. //

17. November 2025 von Daniel Hrkac

Verknüpfte Firmen abonnieren

Ale Cycling
Nur für Abonnenten
News
Nur für Abonnenten
Kommentare
Nur für Abonnenten
Stellenmarkt
Velobiz Plus
Die Kommentare sind nur
für unsere Abonnenten sichtbar.
Jahres-Abo
115 € pro Jahr
  • 12 Monate Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
  • 10 Ausgaben des exklusiven velobiz.de Magazins
Jetzt freischalten
30-Tage-Zugang
Einmalig 19 €
  • 30 Tage Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
Jetzt freischalten
Sie sind bereits Abonnent?
Zum Login