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Markt - Verleihgeschäft im Handel

Mobilität im Abonnement

Gerade im Einstiegssegment haben Fahrradabos wie Swapfiets zu spür-baren Umsatzverlusten im Handel geführt. Eine mögliche Gegenstrategie besteht darin, ein eigenes Verleihsystem einzuführen. Doch lohnt sich das? Und wie würde man das einrichten?

Der Handlungsbedarf ist unmittelbar erkennbar: Die an Verleiher und Abo-Anbieter verlorenen Kunden kratzen schon seit Jahren an den Verkaufszahlen des Fahrradhandels. Wer ein einfaches, zuverlässig und zumindest auf den ersten Blick günstiges Fahrrad will, wirft früher oder später auch einen Blick auf die Konkurrenz der Verleihangebote. Insbesondere der Einstiegsbereich bekom-mt das zu spüren.
Während sich bisher vor allem spezialisierte, vertikal aufgestellte Unternehmen von Swapfiets über Dance und Grover um das Thema kümmern, gibt es auch die »Quereinsteiger« wie etwa den ADAC, der das Thema für sich erkannt hat. Heute gibt es Lösungen, die auch dem Fahrradfachhandel einen leichten Zugang zum Verleihmarkt ermöglichen wollen. Die Herausforderungen bei solchen Verleihangeboten sind vielfältig. So geht es unter anderem darum, von interessierten Kundinnen und Kunden überhaupt gefunden zu werden. So werden heute große Teile der Suche über Smartphones abgewickelt. Wer da nicht zu finden ist, ist auch nicht existent. ListnRide ist einer der Anbieter, der mit eigenen Leistungen und Kompetenzen dem Handel helfen will. »Wir helfen vor allem mit unserer Plattform. Das Ziel ist es, dass Händler innerhalb von fünf Minuten eine Buchungslösung auf ihrer eigenen Webseite haben. Das ist der erste Schritt, um an diesem Spiel teilnehmen zu können«, erklärt Gert-Jan van Wijk, einer der Gründer von ListnRide, der Marke von LR Mobility.
Die grundsätzliche Idee für ListnRide stammt aus der Beobachtung, dass es heute eine akzeptierte Lösung ist, ein Fahrrad und viele andere Produkte auf Dauer zu leihen statt zu kaufen. Gründe dafür gibt es aus seiner Sicht reichlich: Es ist komfortabel, man hat das gesamte Fahrradsortiment zur Auswahl, und auch der Preis ist in den meisten Haushaltsbudgets keine unüberwindbare Hürde, zumal man bei längerer Nichtnutzung, etwa im Winter, auch das Abo pausieren kann.
Swapfiets hat hier eine Vorreiterrolle eingenommen und sich inzwischen fest etabliert. Gerade im studentischen Umfeld erfreuen sich diese Angebote großer Beliebtheit, aber die aktuell rund 300.000 Kundinnen und Kunden der zur Pon-Gruppe gehörenden Niederländer kommen aus allen Lebenslagen. »Das eine ist der Komfort, das andere die Preisschwelle, die man beim Kauf überwinden muss«, erkennt van Wijk als die zwei großen Argumente für Verleih-Angebote.
»Das Thema nimmt Fahrt auf«, beobachtet er, auch die gegenwärtig schlechte Verfügbarkeit trägt zur Nachfrage dieser Systeme bei. Selbst wenn man in Monaten das Wunschrad bekommen kann, hat man trotzdem einen Bedarf bis dahin. »Für diese Kundschaft ist ein solches Angebot, mit dem man vielleicht sechs Monate überbrücken kann, optimal.«

Verleih als Verkaufsförderung

Ein anderes Szenario für den Verleih im Fachhandel ist die eigentliche Verkaufsförderung, gerade bei Fahrradsegmenten, mit denen jemand noch nicht vertraut ist, wie etwa bei Lastenrädern. Wenn Kunden ein Lastenrad kaufen möchten, wollen sie es erst einmal fahren. »Ob der Umstieg vom Auto zum Lastenrad gelingt, sieht man erst bei ausführlicherer Gelegenheit. Eine Probefahrt im Hof ist zu wenig«, beobachtet van Wijk. Das ist kein theoretisches Beispiel, sondern die Situation, wie er sie bereits bei einer bestehenden Partnerhändlerin beobachtet. Wenn dann ein Rad zum Testen einen ganzen Tag im Familieneinsatz ist, ist es angemessen, dafür auch einen Preis zu verlangen, der dann bei Kauf verrechnet werden kann. »Diese Händlerin hat ganz schnell diese Testoption als Mietgelegenheit erkannt und umgesetzt.« Bei dieser Händlerin sind inzwischen über 30 Lastenräder mietbar, hier stets mit dem Gedanken, sie auch zu verkaufen beziehungsweise damit das eigene Geschäft anzukurbeln.
Die Plattform von ListnRide ermöglicht es den Händlern, ihre eigene Preisgestaltung festzusetzen. Sie sind völlig frei bei den Tarifen. Eine Option ist, die Kundin die Laufzeit wählen zu lassen und entsprechend je nach Dauer einen entsprechenden monatlichen Preis aufzurufen.
Bei dem Business-Case gibt es für den Handel viele Faktoren zu berücksichtigen. Er muss den entstehenden Verwaltungs- und Wartungsaufwand einschätzen und kalkulieren, den entsprechenden Wertverfall der Räder bei Rückgabe, ihre weitere Verwendung klären sowie die Frage beantworten, ob ein solches Verleihsystem nicht sein eigenes Verkaufsgeschäft womöglich kannibalisiert.

Händlerausrichtung ist ein entscheidendes Kriterium

»Ganz klar hängt die Beantwortung dieser Fragen davon ab, wie der Händler aufgestellt ist«, erkärt van Wijk. Während der eigentliche Fahrradverkauf heute bereits recht konzentriert über größere Läden abläuft, sei das Zubehörgeschäft noch sehr viel breiter aufgestellt.


Ein eigenes Verleihgeschäft mit guter Sichtbarkeit im Netz aufzubauen ist keine Kleinigkeit. Bisher gibt es nur wenige Anbieter, die dabei helfen wollen.

»Wie wichtig ist ihm der sekundäre Bestandteil des Geschäfts mit Zubehör und Accessoires?« Wer diese Frage mit »sehr wichtig« beantwortet, findet in diesen eigenen Verleihangeboten vielleicht eine gute Option, auch das Fahrradgeschäft anzuschieben. »Man bindet mit dem Verleih dann einen Kunden stärker an sich, weil dieser verpflichtend zurückkommen muss und man ihm so das eigene Angebot besser und häufiger zeigen kann.« Dieser Kunde kann dann entweder aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen entscheiden, das genutzte Rad zu kaufen oder alternativ zu entscheiden, nach ein paar Monaten Nutzung ein anderes Modell auszuprobieren. Im ersten Fall sollte nach Ansicht von van Wijk bei Miete und anschließendem Kauf ein höherer Ertrag möglich sein als beim reinen Verkauf. Im anderen Fall gewinnt man Kundschaft, die sich Abwechslung im Fuhrpark wünscht, ohne sich finanziell zu sehr aus dem Fenster zu lehnen. Diese Zielgruppe wurde aufgrund der Marktbedingungen bislang gar nicht umworben, weil es sie auch praktisch gar nicht geben konnte. Jetzt könnte man zumindest theoretisch auch saisonal passende Fahrräder anbieten.
»Charmant am Abo-Modell ist auch, dass das nicht unbedingt nagelneue Bikes sein müssen«, weiß van Wijk. »Die Leute schauen anders auf diese Räder, sie denken eher an Mobilität als an Eigentum.« Oft findet sich die Kundschaft aber dann doch in einer Dauernutzung. »Im Abo-Modell können die Räder von drei bis 18 Monaten gebucht werden. Wir sehen, dass die durchschnittliche Mietdauer bei elf bis zwölf Monaten liegt.« Recht häufig ergebe sich die Situation, dass Kunden für drei Monate buchen, dann aber den Vertrag trotz monatlicher Kündbarkeit weiter laufen lassen, was die durchschnittlichen Mietzeiten verlängert.

»Wir sind nicht nur Technologielieferant, sondern bringen auch die Nachfrage.«Gert-Jan van Wijk, ListNride

Für den Verleiher ist das doppelt reizvoll, weil dann auch die Mietpreise am höchsten sind.
Wenn sich ein Händler dem Verleih widmet, muss er sich dennoch mit den großen Playern messen lassen. Doch wie behauptet sich ein kleiner Händler gegen Konkurrenz mit Milliarden an investiertem Venture Capital? »Qualität ist hier ein wichtiges Kriterium«, meint van Wijk. »Wenn man etwa E-Lastenräder anbieten kann, hebt man sich automatisch von der Masse ab.« Neben der Auswahl der Räder ist auch der Kundenkontakt wichtig. Im Prinzip werden die gängigen Qualitäten des Fachhandels ausgespielt. Im Idealfall geschieht dies aber, ohne sich viel Papierkram oder zusätzliche Verwaltungsprozesse ans Bein zu binden. »Die Kunden möchten das von zu Hause anstoßen, der Händler bekommt nach Kundencheck eine Anfrage, die er bedienen kann.« Gerade die Administration sei ein wichtiger Knackpunkt für den Handel. Wenn der Aufwand zu groß sei, verschwinde ganz schnell der Reiz und auch der Nutzen des Verleihgeschäfts. Idealerweise lassen sich E-Mails und Telefonate auf ein Minimum begrenzen, indem alle wesentlichen Informationen online verfügbar sind. »Das Geschäft ist sehr saisonal. Wenn man im Laden steht und viel zu tun hat, möchte man nicht zusätzlich am Telefon oder per Mail erklären müssen, welche Räder zur Verfügung stehen«, sieht van Wijk.

Marketing gehört mit zum Service

Zu den Aufgaben, die ein Händler ebenfalls nicht in gleichem Umfang leisten kann wie ein Spezialist, ist die Kundengewinnung. Bei ListnRide kann man etwa auf eine Nutzerbasis von inzwischen 50.000 Kundinnen und Kunden zurückgreifen, die immer wieder über Aktionen oder auf Reisen aktiviert werden können. Onlinemarketing gehört ebenfalls zu den Vollzeitaufgaben, für die es eigenes Personal bräuchte, das im Handel sehr oft nicht vorhanden ist. Wieder kommen Unternehmen wie List­nRide ins Spiel: »Wir sind nicht nur Technologielieferant, sondern bringen auch die Nachfrage«, erklärt van Wijk. »Diese Kombination gibt es, glaube ich, sonst so nicht im Markt.«
Wer sich als gewerblicher Anbieter etwa bei ListnRide anmeldet, erhält alle nötigen digitalen Tools, um das Verleihgeschäft bewältigen zu können, einschließlich einer dafür optimierten Warenwirtschaft. Selbst ganz ohne eigene Webseite könne man das System nutzen. Aktuell sind 50.000 Fahrräder auf dem Portal verfügbar, die europaweit von 2300 Händlern angeboten werden. Im vergangenen Jahr 2021 kam es zu 10.000 Verleihvorgängen. Das Abo-Modell steht erst seit dieser Saison zur Verfügung.
Zwar steht dieses Angebot noch am Anfang, verspricht aber bereits jetzt, eine gute Option für diejenigen Händler zu sein, die sich in Gegenden durchsetzen müssen, in dem Swapfiets und Co. besonders beliebt sind. Für manchen wird sich das grob mit der Situation im Leasing vergleichen lassen. Idealerweise muss man keinen Kunden und keine Kundin abweisen, weil man ein stets passendes Angebot machen kann.

2. Juni 2022 von Daniel Hrkac

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