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Radbekleidung und Fahrradzubehör: Hier sieht der Outdoorhandel immer häufiger eine sinnvolle Ergänzung zum Kerngeschäft.
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Report - Outdoor-Handel

Outdoor-Handel wildert im fremden Terrain

Radfahren boomt in Deutschland und der Wettbewerb ist groß: Radfachhandel, Sportfachhandel, Konzerne, Versender, Internet, Discounter. Kommt jetzt auch noch der Outdoorfachhandel mit ins Spiel? Ihr Argument: Radtour ist Outdoor und da hätten sie die Kompetenz. Das zieht aber nicht immer.

Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps« – eine klare Trennung der Dinge. Bei Rad und Outdoor ist das nicht so einfach. Während Rennrad noch recht klar als Sport, also Rad gesehen wird, ist Mountain Bike schon schwieriger. Alpencross-Touren sind für die einen Sport, für die anderen Outdoor. Und Radtour? Für die meisten Outdoorläden, aber auch für die meisten Radläden ist die Sache klar: Radtour ist Outdoor – nur das Fahrrad selber bleibt im Radhandel. Radfahren ist ein enormer Wirtschaftsfaktor, wie die Radreiseanalyse 2013 des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) beweist, und davon will jeder ein möglichst großes Stück abhaben.
Im neu konzipierten Globetrotter Handbuch Frühling 2014 nimmt das Thema »Outdoor-Welt Fahrrad« volle 35 Seiten, also gut 20% ein. Das Produktangebot reicht von Radtouren, Mountainbike bis Familienradeln und Tandem. Unter dem Motto »Zwei Pedale, zwei Räder, einen Sattel. Was Sie noch für Ihre Radtour brauchen erfahren Sie in unserer Kaufberatung« bietet der führende Outdoorhändler Deutschlands von Helme, Sättel, Schlösser, Lichtanlagen, Griffe, Pflegemittel, Werkzeug, Luftpumpen, Gepäckträger, Flickzeug, Schläuche bis zu Radtaschen, Rucksäcke, Bekleidung, Schuhe und Radanhänger jede Menge Radzubehör.

Rad ist auch Outdoor

Aber nicht nur der Marktführer hat das Thema Rad entdeckt. Selbst kleinere, lokale Outdoorfachhändler nehmen Radzubehör in ihr Sortiment auf. Der regionale Platzhirsch Ergo-Outdoor in Wiesbaden hat sich gleich ein ganzes BBB-Sortiment an seine Radwand gehängt. Vom Bremsklotz bis zum Ersatzschaltzug bekommt man bei Ergo-Outdoor auch Ersatzteile für das Fahrrad in der klassischen Radhandelsselbstbedienungswand. Das Thema Bike sieht Manfred Bachmann, Inhaber von Ergo-Outdoor, als lukrativ: »Grundsätzlich sind hier alle Bereiche interessant, da das Thema Fahrrad ein extrem starker Trend ist. Als Schwerpunkt sehen wir den Alltags und Tourenbereich.« Dabei erkennt Bachmann klare Unterscheidungen, was möglich und was eher unmöglich ist. »Die Spezialbereiche werden wir in gemäßigter Weise, das heißt mit einer kleinen Auswahl auch testen. Wir sind uns allerdings im Klaren, dass wir den extremen Mountain Biker oder Rennradfahrer nur schwer oder gar nicht erreichen«, so Bachmann.
Und auch die Unterwegs Gruppe, eine Firmengruppe von 17 Outdoor Fachgeschäften, vorwiegend aus dem norddeutschen Raum, deckt das Thema Bike ab. »Für unsere Läden ist der Radtourenbereich wichtig«, bestätigt Daniel Heydinger, Leitung Einkauf und Koordination der Gruppe. Je nach Laden und Standort differenzieren die Unterwegsler jedoch ihr Radkonzept: »In unserem Vaude Store in Bremen kommt der Radsportbereich mit Rennrad und auch der Mountainbike Bereich dazu mit den Produktgruppen Bekleidung, Rucksäcke und Schuhe.« In den übrigen Stores steht eher das klassische Radreisen im Vordergrund. »Das von uns geführte Sortiment wird vom Kunden auch erwartet«, so Heydinger. Allerdings stellt er auch fest »Mehr, besonders im Hartwarenbereich, wird eher nicht erwartet oder zumindest wird es nur relativ selten angefragt.«
Dass die Outdoorläden in fremden Revieren wildern würden, sehen weder Heydinger noch Bachmann. »Ich denke, dass es schon immer eine Vermischung zwischen Outdoor und Rad gab« erklärt Heydinger. »Wir hatten schon immer auch Artikel im Sortiment, die für Radreisende oder Alltagsradler geeignet sind und nützlich waren. Radfahren ist ja auch Outdoor«, weist man diesen Vorwurf weit von sich. Auch Bachmann sieht, dass »für viele Verbraucher Outdoor und Rad zusammen gehören.«

Alles unter einem Dach?

Dass dieses Crossover-Geschäft zwar häufig vorkommt, nicht aber immer richtig ist, hat Biwak im Limburg erfahren. Dort wurde im Oktober 2011 eine Trennung der Bereiche Bike und Outdoor vollzogen, obwohl man jahrelang zusammen »untergebracht« war. Der Grund: »Das vorhandene Know-how der Mitarbeiter - Zweiradmechaniker-Meister, Rad- und Leistungssportler – konnte«, so Biwak Bike Villa Geschäftsführer Sascha Haußmann, »in dem ursprünglichen Umfeld von Jack Wolfskin Bekleidung, Kinderschuhen, Outdoor-Mode und vielem mehr nie wirklich vernünftig abgebildet und nach außen visuell transportiert werden.« Vor allem in der Wintersaison wurde der Outdoor-Bereich stets zu Lasten des Bikebereichs ausgebaut. Haußmann vermisste dadurch über das gesamte Jahr die Möglichkeit des Aufbaus einer echten Stammkundschaft. Erschwerend aus seiner Sicht: »Limburg ist ein Automoloch mit einer erbärmlichen Fahrradinfrastruktur«, berichtet Haußmann. »Hier gibt es kaum ›normale‹ Radfahrer, die etwa mit dem Rad zur Arbeit fahren, gemütliche Radtouren machen oder mit der Familie unterwegs sind.« Limburger Radfahrer nutzten das Rad eher für einen sportlichen Ausritt mit den Kumpels, war die Beobachtung. Durch die Trennung von Outdoor und Bike konnte sich der Bike Bereich stärker profilieren und auf den Faktor Radsport spezialisieren.
Die Trennung war für den Bike Bereich ein Jungbrunnen. Die Biwak Bike Villa verzeichnet seitdem jährlich zweistellige Wachstumsraten. Haußmann sieht Spezialisierung »als einen generellen Einzelhandelstrend.« »Entweder du spezialisierst dich und bist in deiner Nische richtig gut oder du bist richtig groß und bestimmst das Umfeld und den Markt durch deine Größe, Auswahl und dem niedrigsten Preis«, sieht der Bike Profi die beiden Optionen. »Irgendetwas mittendrin wäre nur schwierig.«
Was in Limburg auch an der schlechten Radinfrastruktur scheiterte, soll in Erlangen klappen. Aus dem Radladen Freilauf und dem Outdoor-Shop Avalanche wurde jüngst ›Freilauf Bike&Outdoors‹. Die Inhaber Jörg Gruner und Rüdiger Schmutzler setzen auf Synergien und ein Ganzjahresgeschäft. Im Radland Franken werden zudem die Voraussetzungen sowohl für Bike wie für Outdoor besser eingeschätzt.

Outdoorradspezialist

Eindeutig spezialisiert haben sich Stefan Fürstner und Fabian Stocker mit Velo Mondial in Fürth. Die beiden Protagonisten haben mit Radreisen die Nische Outdoor und Rad entdeckt, neu definiert und nachhaltig besetzt – auch für den Alltag. »Wir stehen für Fahrradkultur und das Fahrrad als vollwertiges Fortbewegungsmittel«, betont Fürstner. Zwar gäbe es in Fürth gut ein Dutzend Radläden, aber die Kunden kämen, weil sie ein Konzept erkennen, erzählen die beiden Inhaber. So hat sich Velo Mondial innerhalb weniger Monate den Ruf eines Reiseradspezialisten erarbeitet. Stocker sieht da auch die Zukunft des Einzelhandels: »Wenn man den Internethandel nicht ethisch hinterfragt, ist das Netz eigentlich perfekt. Für den Kleinen heißt es deswegen speziell, flexibel oder gar nicht.« Zurzeit bauen Fürstner und Stocker noch überwiegend auf das eigentliche Reiserad. Zukünftig solle aber der Ausrüstungsbereich deutlich ausgebaut werden, so dass man im Velo Mondial alles für die große Radtour bis zum täglichen Pendeln zur Arbeit bekommt. Obwohl sie die Trennung von Rad und Outdoor »grundsätzliche okey« finden, haben sie diese für ihren Laden gerade komplett aufgehoben. Normalerweise sei das Problem zweierlei: Einerseits seien die klassischen Bike-Läden weiterhin zu stark auf das Fahrrad fixiert, dazu fehle ihnen das Ambiente für Textilien, andererseits ginge den meisten Outdoorhändlern die Kompetenz für Rad ab. »Die können doch höchstens mal eine Glocke oder einen Seitenständern verkaufen und anbringen«, sieht Stocker das Problem bei Crossover-Geschäften bei der die Kompetenz fehlt. »Das geht so lange gut, wie die Leute genügsam sind und sich selber mit einem Kabelbinder helfen, wo eine fachmännische Reparatur sinnvoller sei.« Für Fürstner und Stocker heißt es aber: »Wir wollen die Leute auf ein hochwertiges Produkt beraten und den uneingeschränkten Spaß an Fahrrad zurückgeben.« Eben ein Stück Fahrradkultur.

Versuch statt Trend

Rad und Outdoor zusammenzubringen kann also nicht unbedingt als Handelstrend gesehen werden, eher als Versuch. Bachmann jedenfalls geht das Thema rein geschäftlich an: »Im Moment wird der Bereich bei uns eher nicht erwartet«, weiß er zu berichten. Er sieht Bikezubehör »ganz klar« als einen Versuch und ein Saisongeschäft. »Es ist noch nicht abzusehen ob wir mit diesem Segment kaufmännisch Erfolg haben werden. Wir werden das Thema für einige Jahre pflegen und dann entscheiden ob wir es behalten können oder doch keine Akzeptanz beim Kunden finden,« sieht Bachmann sein Engagement. Anders sieht es hingegen bei Bekleidung aus: Hier gäbe es durchaus einen Trend zu Outdoorradwear. Nicht umsonst haben in der jüngsten Vergangenheit auch klassische Outdoor-Marke eine Bikewear-Kollektion ins Programm aufgenommen. Und gerade die Radbekleidung führt im klassischen Bike-Laden im Gegensatz zum Fahrradzubehör weiterhin eher ein Schattendasein.

11. Juni 2014 von Ralf Stefan Beppler
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