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Recht - Eigenmarken

Rechtliche Fallstricke bei Eigenmarken

Wirtschaftlich mag einiges dafür sprechen, eine Eigen-marke aufzubauen. Rechtlich bringt die Umstellung auf Eigenmarken aber einige Herausforderungen mit sich, die vorab bedacht werden sollten. Rechtsanwalt Johannes Brand nimmt sich dieser Thematik an.

Zunächst ist der Begriff »Eigenmarke«, so gebräuchlich er ist, rechtlich nicht besonders präzise. Denn eine Marke ist rechtlich gesehen nur das Wort oder Bild oder die Kombination aus beidem, die dazu dient, das Produkt zu kennzeichnen. Mit dem Begriff »Eigenmarke« gemeint ist üblicherweise das Produkt, das der Händler selbst produziert oder produzieren lässt, anstatt es wie bisher gewohnt einzukaufen.
Zunächst verschiebt der Entschluss zur Eigenmarke die zu regelnden Vertragsbeziehungen. Dabei lohnt es sich, beide Prozesse – Einkauf und Weiterverkauf fremder Produkte und Vertrieb von Eigenmarken – gegenüberzustellen und rechtlich zu durchdenken.
Vorher platzierte der Händler seine Order beim Hersteller oder Großhändler und bekam von diesem die Ware. Auch dabei kann es zu Streit kommen. Die Ware kommt zu spät oder ist defekt. Zur Rechtslage bei Lieferverzögerungen haben wir in Ausgabe 07/21 berichet. Die rechtliche Situation und Ansprüche, beispielsweise auf Schadensersatz, hängen dabei stark von den vertraglichen Bestimmungen und dem anwendbaren Recht (bei internationalen Lieferbeziehungen) ab.
Entscheidet sich der Händler zum Vertrieb von Eigenmarken, wird er in den seltensten Fällen die Ware selbst produzieren, also beispielsweise in eigenen Produktionsanlagen. Stattdessen wird er einen Produzenten beauftragen, vielfach im Ausland, nicht selten in Fernost. Probleme treten häufig bei abweichenden oder unklaren Spezifikationen auf. Sollte es hart auf hart kommen, muss ein eventueller Rechtsstreit in die Beziehungen einbezogen werden. Ist der Vertragspartner für die Produktion tatsächlich ein Unternehmen aus Fernost, wird entweder ein Rechtsstreit dort geführt oder ein Urteil aus Deutschland dort vollstreckt werden müssen. Beides ist alles andere als komfortabel. Die Produktionsverlagerungen verschiedener Hersteller nach Europa haben natürlich logistische, aber mittelbar auch rechtliche Gründe.
Die Vertragsbeziehungen sollten also vorab auf Herz und Nieren und, so unangenehm das ist, auf Belastbarkeit im Streitfalle geprüft werden.

Markenrecht, Produktkennzeichnung, Zoll

Wer »fremde« Produkte ein- und weiterverkauft, vermeidet viele Themen, die der Vertrieb von Eigenmarken mit sich bringt.
Zunächst einmal ist nun die Marke des »eigenen« Produktes Thema. Egal, ob es sich um Kleidung, Fahrräder oder Zubehör handelt, die als ureigenes Produkt vertrieben werden sollen, das Produkt soll ja einen Namen und gegebenenfalls ein Logo tragen. Das ist die Marke im eigentliche Sinne. Diese darf zunächst keine bereits bestehende Marke verletzen. Das ist aber nicht erst dann der Fall, wenn sie identisch ist, sondern auch, wenn Verwechslungsgefahr besteht. Verletzt die Marke des eigenen Produkts eine bestehende Marke, kann Schadensersatz fällig sein und die gesamte Charge muss zurückgerufen werden. Solches Ungemach sollte vorher durch eine Markenrecherche ausgeschlossen werden. Die eigene Marke muss zudem geschützt werden. Das geschieht durch Eintragung in Markenregister. Das sind Fragestellungen, mit denen sich der Wiederverkäufer nicht auseinanderzusetzen braucht.
Produkte müssen auch regulatorischen Standards genügen. Kleidung muss nach der Textilkennzeichnungsverordnung etikettiert werden. Die Zusammensetzung der Fasern muss dabei in den Amtssprachen der Länder, in denen sie verkauft wird, angegeben werden. Zubehör und Fahrräder müssen gegebenenfalls CE-Kennzeichen tragen. Es genügt dann nicht nur das Aufdrucken oder Anbringen des Zeichens. Der Hersteller bringt zum Ausdruck, dass er alle relevanten Sicherheitsstandards geprüft und erfüllt hat. Und wer sogar auf die Idee kommt, Nahrungsmittelergänzung (Riegel, Gels o. Ä.) zu produzieren und auf den Markt zu bringen, muss das Lebensmittelgesetz beachten.
Letztlich können sich auch zollrechtlich Besonderheiten ergeben, wenn die Ware aus einem Drittland (außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums) importiert wird. Allerdings muss sich auch der Importeur von Fremdprodukten mit dem Zoll auseinandersetzen. Insofern ergibt sich keine vollständig neue Situation. Nichtsdestotrotz muss der Importeur darauf vorbereitet sein.

Haftung: Gewährleistung, Garantien, Produkthaftung

Und am Ende bleibt das Thema der Haftung für die nunmehr eigenen Produkte. Wer an den Endkunden verkauft, haftet diesem gegenüber zunächst immer, ganz unabhängig davon, ob es sich um eigene oder fremde, also eingekaufte Ware handelt. Vertragspartner ist nämlich der Endkunde und diesem gegenüber haftet der Händler aus dem Kaufvertrag.


Garantie und Gewährleistung? Haftungsfragen und regulatorische Standards? Wer eine Eigenmarke einführen will, muss auf viele verschiedene Problemstellungen vorbereitet sein.

Alle Gewährleistungsrechte richten sich also unmittelbar gegen den Händler als Verkäufer. Dazu gehören Ansprüche auf Mängelgewährleistung (Nacherfüllung oder Nachbesserung) genauso wie Schadensersatzansprüche bei einem defekten Zubehörteil, das zum Sturz führt. Hat der Händler nun selbst eingekauft, kann er beim Hersteller Regress nehmen. Nach deutschem Recht ist dieser Regress sehr umfangreich und kann prozessual durch bestimmte Gestaltungen (wie die Streitverkündung) abgesichert werden. Das entfällt natürlich, wenn der Händler selbst herstellt. Er ist dann allein haftbar.
Von den Gewährleistungsansprüchen sind Garantieansprüche zu unterscheiden. Diese sind grundsätzlich freiwillig. Wer aber ein Garantieversprechen abgibt, ist daran gebunden. Eingekaufte und weiterverkaufte Produkte sind häufig mit einer Herstellergarantie versehen. Ist der Händler auch Hersteller, müsste er eine Garantie im eigenen Namen abgeben. Dazu besteht zwar kein Zwang, vielleicht zwingt aber der Wettbewerbsdruck dazu. Auch hier muss man die möglichen Folgen im Blick behalten.
Und letztlich bleibt die Produkthaftung im engeren Sinne, also die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz. Man könnte vermuten, dass diese gar nicht zu einer weiteren Haftung des Händlers führt. Wie oben festgestellt haftet dieser aufgrund des Kaufvertrages ohnehin. Es gibt aber einen feinen Unterschied: Schadensersatz aufgrund des Kaufvertrages gibt es nur bei Verschulden. Der Händler kann sich also exkulpieren, indem er nachweist, dass der Mangel nicht fahrlässig oder vorsätzlich verursacht war, er beispielsweise Verkaufsprodukte ausführlich untersucht. Das kann einen gravierenden Unterschied ausmachen. Stürzt der Kunde mit einem weiterverkauften Rad, kann sich der Händler so im wahrsten Sinne des Wortes »entschuldigen«. Ist er Hersteller, haftet er nach dem Produkthaftungsgesetz, und das verschuldensunabhängig. Hat das Produkt einen Fehler, gibt es Schadensersatz. Wenn dann noch der Regress ausscheidet, weil es keinen Hersteller in der Kette gibt, kann das existenzbedrohend werden.
Auch diese Themen kann der Hersteller in spe in den Griff bekommen, zum Beispiel durch vernünftige Versicherungen und insbesondere durch ausreichende und professionelle Planung. Vor allem sollte er sich dieser Risiken bewusst sein und alle Haftungsfelder einmal gedanklich durchspielen.

30. August 2021 von Johannes Brand
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