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Recht - Datenaustausch

Rechtliche Fallstricke beim Datenaustausch

Der Austausch von Daten unterschiedlicher Art ist aus der vertrieblichen Praxis kaum noch wegzudenken. Die Gründe hierfür sind ebenso mannigfaltig wie die Art der Daten, die gegebenenfalls in Richtung des Lieferanten oder des Abnehmers fließen. Aus rechtlicher Sicht sind solche Datenaustausche je nach Fallgestaltung nicht immer unkritisch.

Nachfolgend betrachten wir einige typische Konstellationen und geben Hinweise für den rechtssicheren Umgang in der Praxis. Wir konzentrieren uns dabei zunächst auf Daten, die typischerweise auf Ebene des Handels gesammelt oder erzeugt werden und erweitern den Blick im Anschluss auch auf angrenzende Fallgestaltungen.

Kundendaten

Der Händler, insbesondere der stationär tätige Fachhändler, bildet ein wichtiges, wenn nicht das entscheidende Bindeglied zum Endkunden.

Daten werden heute an den verschiedensten Stellen erhoben und gespeichert. Sei es beim Heimtraining oder während der Sonntagstour.

Die beim Händler über den Endkunden gesammelten Daten stellen dabei ein wertvolles Gut dar, das künftigen vertrieblichen Erfolg sichern oder jedenfalls erheblich erleichtern kann. Denn sie ermöglichen im Idealfall nicht nur den individuellen Zugang zu einem bestimmten Nachfrager, sondern erlauben auch die Aufdeckung allgemeiner statistischer Korrelationen für bestimmte Verkaufsabschlüsse oder Kundenpräferenzen.
Bekanntlich kann aber bereits die Erhebung von Kundendaten, die für die Abwicklung eines konkreten Vertragsverhältnisses nicht erforderlich sind, einen bußgeldbewehrten Verstoß gegen das Datenschutzrecht darstellen. Für jede über die konkrete Vertragsabwicklung (also typischerweise einen konkreten Kauf) hinausgehende Datennutzung, gleich welcher Art, ist die schriftliche Einverständniserklärung des betreffenden Endkunden einzuholen. Besondere Bedeutung haben in diesem Zusammenhang Kunden- oder andere Rabatt- oder Prämienkarten, die mittlerweile von einer Vielzahl von Unternehmen angeboten werden. Bereits bei Beantragung der Karte gibt der Kunde eine Reihe von Daten preis und willigt dabei in umfangreiche Datenverarbeitungsszenarien ein. Hintergrund des Einsatzes der Kundenkarte ist nicht nur die Kundenbindung, sondern in der Regel auch die Erfassung und Analyse des Konsumverhaltens der einzelnen Kunden.
In diesem Zusammenhang kann vor allem die Abfrage der nachfolgend genannten Einzelinformationen kritisch sein, insbesondere, wenn nicht ausreichend klar wird, zu welchem Zweck die betreffende Einzelinformation erforderlich ist.
Jenseits der datenschutzrechtlichen Thematik sind durch den Handel gesammelte Kundendaten auch für den Fall interessant, dass eine Vertriebsbeziehung (bewusst) beendet wird.

Was erlaubt und was verboten ist, zumindest ohne schriftliche Zustimmung, sollten Handel und Hersteller genau im Blick haben.

Sieht ein Vertriebsvertrag vor, dass der Händler die gewonnenen Kundendaten (typischerweise in Form einer Kundenliste) im Anschluss an die beendete Vertragsbeziehung übergeben muss, kann dem Händler hierfür ein erheblicher Ausgleichsanspruch gegen den Lieferanten zustehen. Der »Charme« dieses Anspruchs besteht darin, dass es auf die zuvor zwischen den Parteien vereinbarten vertraglichen Regeln nicht ankommt. Auch wenn der Vertriebsvertrag also völlig dazu schweigt, besteht der Ausgleichsanspruch kraft Gesetzes. Die konkrete Höhe richtet sich nach einer Vielzahl von Faktoren, wie etwa der Dauer der Vertriebsbeziehung, den erzielten Umsätzen oder der Fluktuationsrate der Kunden.
Im Kern soll dieser Anspruch den Händler für seine vertrieblichen Bemühungen kompensieren und der Tatsache Rechnung tragen, dass der Lieferant in die vom Händler geschaffene günstige Rechtsposition eintreten und hieraus unmittelbar Profit schlagen kann. Ein Ausgleichsanspruch dürfte allerdings regelmäßig ausscheiden, wenn die betreffenden Daten unter Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Vorgaben erhoben beziehungsweise verarbeitet worden sind.

Absatzdaten

Produkt- und Absatzdaten spielen in der vertrieblichen Praxis ebenfalls eine zentrale Rolle. Je nach Ausgestaltung geben sie einen sehr feingliedrigen und tagesaktuellen Aufschluss über Verkaufsschlager und Ladenhüter. Sie dienen nicht nur der Mengenplanung, sondern bilden auch zentrale Parameter für die künftige Sortimentsgestaltung. Absatzdaten sind typischerweise nicht personenbezogen und daher in der Regel datenschutzrechtlich unproblematisch. In bestimmten Fällen kann ein allzu schrankenloser Austausch von Produkt- und Absatzdaten jedoch gegen das Kartellrecht verstoßen. Das in Bonn ansässige Bundeskartellamt und die in Brüssel ansässige Europäische Kommission erkennen dabei durchaus den Nutzen eines Austauschs von Produkt- und Kundendaten an. Allerdings gibt es Fallkonstellationen, in denen ein Verstoß gegen die kartellrechtlichen Vorgaben klar zu bejahen ist. Solche Verstöße sind für beide Parteien kritisch und können für beide Seiten zu erheblichen Bußgeldern (von bis zu 10 Prozent des konzernweiten Umsatzes) führen.
Bekanntlich muss der Händler in der Verkaufspreisgestaltung frei bleiben.


Insbesondere beim Datenaustausch zwischen Handel und Hersteller gilt es, mit größter Aufmerksamkeit zu handeln, da eigene Ansprüche und Verantwortungen vom sachgemäßen Umgang mit Kunden- und Unternehmensdaten abhängen.

Diesbezügliche Einflussnahmen seitens des Lieferanten sind als sogenannte Preisbindung der zweiten Hand verboten und bußgeldbewehrt. Auch eine Vereinbarung über die Verkaufspreise des Händlers wäre unzulässig. Das Bundeskartellamt sieht daher insbesondere Informationsflüsse über aktuelle und künftige Preise auf Ebene der Einzelartikel seitens des Händlers an den Hersteller kritisch (beispielsweise Angaben von Durchschnittsverkaufspreisen pro Artikel mit der Nr. XYZ123 in der KW 17). Denn solche Informationen ermöglichen letztlich ein genaues Monitoring des Händlerverhaltens im Hinblick auf die Verkaufspreisgestaltung. Das ist kartellrechtlich nicht gewünscht. Dasselbe gilt für die Kommunikation konkret geplanter Rabatte oder Aktionen.
Soweit ersichtlich war allein die Übermittlung von aktuellen artikelgenauen Daten jedoch noch nie isoliert Gegenstand eines Kartellverfahrens gegen Hersteller oder Händler. Solche Verhaltensweisen haben vielmehr erst im Zusammenspiel mit weiteren pro­blematischen Verhaltensweisen, wie beispielsweise dem Austausch über das einzuhaltende Verkaufspreisniveau, eine Rolle gespielt. Die Übermittlung von Absatzdaten kann vor allem dann kartellrechtlich problematisch sein, wenn sie in ein System der Überwachung der Verkaufspreise seitens des Lieferanten eingebunden ist.
Problematisch kann der Austausch von Absatzdaten zwischen Herstellern und Händlern insbesondere sein, wenn der Hersteller und die von ihm belieferten Händler gleichermaßen auf der Einzelhandelsstufe tätig sind. Denn in diesem Fall sind sie Wettbewerber. Die Europäische Kommission hat kürzlich ihre Auffassung dazu konkretisiert, wann in einer solchen Konstellation ein unzulässiger Austausch vorliegt.

Nutzungsdaten

Die Europäische Kommission hat vor circa einem Jahr, am 23. Februar 2022, den Entwurf des »Data Act« (Datengesetz) vorgelegt. Dieses Gesetz soll im Kern sicherstellen, dass für alle Akteure in der wirtschaftlichen Wertschöpfungskette der Austausch und die Nutzung von Unternehmensdaten verbessert oder überhaupt erst ermöglicht werden. Der Gesetzesentwurf sieht insbesondere Maßnahmen vor, damit Nutzende Zugang zu den von ihren vernetzten Geräten erzeugten Daten haben, die häufig ausschließlich von Herstellern gesammelt werden. Ob und inwieweit diese (mögliche) Gesetzesänderung auch für die Fahrradwirtschaft relevant wird, bleibt abzuwarten.
Auch in der Fahrradwirtschaft können Maschinen- und Sensordaten anfallen, man denke nur an Leistungsmessgeräte, Ortungssysteme, elektrische Rollentrainer oder dergleichen. Insoweit könnten durchaus unterschiedliche Beteiligte Interesse an der Nutzung der durch den Einsatz solcher Geräte erzeugten Daten haben.
Der Entwurf des Data Act rückt den jeweiligen Endnutzer (egal ob Privatperson oder Unternehmen) in das Zentrum der Betrachtung. Ihm soll das Recht zustehen, über »seine« Daten und deren Nutzung zu verfügen und diese gegebenenfalls auch an Dritte weiterzugeben. Dem Handel könnte in diesem Zusammenhang die Rolle zukommen, den Endkunden in der gesetzlich vorgeschriebenen Form über Datenerzeugung und Nutzungsmöglichkeiten aufzuklären. Daneben könnte es gegebenenfalls die Aufgabe des Handels werden, den Endnutzer von den Vorteilen einer geteilten Datennutzung zugunsten der Hersteller oder anderer Stakeholder zu überzeugen. //

10. März 2023 von Dorothea Weniger
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