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Fahrradhersteller Giant hat in seiner deutschen Niederlassung eine Musterwerkstatt für E-Bikes eingerichtet. Bei der Planung wurden vor allem auch Sicherheitsaspekte berücksichtigt.
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Report - Sichere E-Bike-Werkstatt

Risikofaktor E-Bikes?

Pedelecs und E-Bikes hatten im Jahr 2011 einen Anteil von 8 % am Fahrradmarkt – Tendenz weiter steigend. Was bedeutet dies für die Fahrradwerkstatt? Auf welche speziellen Anforderungen an die Wartung, die Technik und die Sicherheit müssen sich die Händler vorbereiten? Christoph Hesterberg ist bei Antriebsanbieter Thun für den sicheren Umgang mit E-Bike-Technik zuständig und kennt darauf die Antworten.

Fahrradhersteller Giant hat in seiner deutschen Niederlassung eine Musterwerkstatt für E-Bikes eingerichtet. Bei der Planung wurden vor allem auch Sicherheitsaspekte berücksichtigt.Hebenbühne und Batterieschrank erlauben den sicheren und ergonomischen Umgang mit E-Bikes.

Ein Pedelec oder ein E-Bike ist technisch betrachtet größtenteils immer noch ein Fahrrad. Zwar müssen Bauteile an einem E-Bike oft höhere Ansprüche als »normale« Fahrradkomponenten erfüllen, beispielsweise werden Bremsen und Rahmen stärker beansprucht und es gibt spezielle Pedelec-Reifen, aber generell stellen diese Unterschiede einen Fahrradmechaniker vor keine ungewohnten Aufgaben. Doch es gibt am E-Bike auch »neue« Komponenten, mit denen sich viele Service-Mitarbeiter erst noch vertraut machen müssen. So wird der Mechaniker plötzlich mit Elektronik konfrontiert, die ihm bisher nur bei der Beleuchtung begegnet ist. Er muss ungewohnte Probleme lösen und ist dabei in vielen Fällen auf Unterstützung von Herstellerseite angewiesen. Zudem tauchen häufig Probleme bei den Software-Einstellungen oder bei der Steuerung des Systems auf. Auch der Akku und die Verkabelung sind bei über einem Viertel der Fälle die Ursache.

Ohne Hersteller geht’s oft nicht

Während ein Software-Fehler oder ein Defekt am Kabel mit entsprechender Ausstattung und Ausbildung leicht in der Werkstatt lösbar ist, müssen andere Komponenten, wie Motor, Controller oder Sensorik, meist an den Hersteller geschickt und ausgetauscht werden. Bei Heck- und Frontmotoren bereitet dies dem Zweiradmechaniker keine Probleme, dennoch ist es zeitaufwendig, da die Motoren zuvor ausgespeicht werden müssen. Besondere Ansprüche an das Werkzeug gibt es nicht. Andere Komponenten, wie Mittelmotor und Controller, sind bei den meisten Pedelecs einfach auszubauen. Die größere Kunst liegt wohl darin, dem Kunden beizubringen, dass er ein paar Tage warten muss, bis das Austauschgerät vom Hersteller angekommen ist, denn einen Ersatzmotor oder -Controller haben Händler eher nicht vorrätig im Gegensatz zu anderen Fahrradkomponenten, wie Lenker, Sättel, Pedale oder Innenlager.
Schwieriger wird es bei der Batterie. Zwar kann auch diese durch ein oben genanntes Diagnosegerät oder spezielle Batterie-Testgeräte gecheckt werden, aber da endet auch schon der Handlungsspielraum in der Fahrradwerkstatt. Grundsätzlich ist jedem Werkstatt-Mitarbeiter zu raten, eine gebrauchte Batterie immer zu prüfen. Das beginnt bei der Sichtprüfung des Gehäuses auf Beschädigungen und schließt die Prüfung mittels Batterie-Testgerät mit ein. Sollte ein Schaden an der Batterie vorliegen bzw. sind äußere Schäden sichtbar, sollte der Kunde zur Vorgeschichte der Batterie befragt werden. Wurde die Batterie immer mit dem zugehörigen Ladegerät und regelmäßig geladen? Wurde die Batterie mechanischer Einwirkung ausgesetzt, wie z. B. einem Sturz (auch eingebaut im Pedelec)? War sie thermischer Einwirkung durch starke Sonneneinstrahlung ausgesetzt? Wie wurde das Pedelec am Auto transportiert?
Die Batterie-Thematik ist beim Pedelec die mit dem größten Sicherheitsaspekt, denn sowohl bei der Kundenberatung als auch in der Werkstatt sind hier wichtige Punkte zu beachten. Zum Beispiel ist es besonders wichtig, Lithium-Batterien sachgemäß zu lagern. Ungenutzte Batterien verlieren stetig an Ladung, eine Lithium-Batterie, die mehrere Wochen oder Monate nicht gebraucht wird, muss sachgemäß aufbewahrt werden, da sie sonst womöglich einen Teil ihrer Kapazität verliert. Die Batterie sollte etwa halbvoll gelagert werden, also unter Belastung ca. 40–50 % Kapazität anzeigen. Damit wird die Tiefentladung der Batterie bzw. einzelner Zellen vermieden. Zwar ist heute jede Markenbatterie mit einem Batterie-Management-System (BMS) ausgestattet, zu dem auch der sogenannte Sleep-Modus gehört. Er lässt die Batterie bei Nichtbenutzung einschlafen. Jedoch kann dieser Modus die Tiefentladung nur verlangsamen und nicht völlig aufhalten. Durch regelmäßiges, kurzes Aufladen weckt man die Batterie aus ihrem Tiefschlaf und wirkt dem Entladungsprozess ganz einfach entgegen. Zudem sollten die Batterien bei gleichmäßiger Temperatur gelagert werden (möglichst konstant um 20 °C). Wenn die Herkunft oder der Umgang mit der Batterie unbekannt sind und insbesondere wenn ein Defekt an der Lithium-Batterie bzw. ein sichtbarer Schaden vorliegen, muss die Batterie mit besonderer Sorgfalt gelagert werden. Es muss nicht unbedingt etwas passieren, aber Vorsicht ist bekanntlich besser als Nachsicht. Zwar werden Batterien der Markenhersteller immer sicherer und den meisten Händlern ist kein Akku-Brand bekannt, aber bei beschädigten Batterien besteht grundsätzlich ein Explosions- und Brandrisiko. Batterien dürfen also nicht in der Nähe von brennbaren Materialien gelagert werden (in Fahrradwerkstätten können dies z. B. Holzregale, Lacke, Reinigungsmittel und Öle sein). Falls mehrere Batterien gelagert werden, sollte der Raum als Lagerraum für Lithium-Batterien gekennzeichnet sein und in jedem Fall ist es notwendig, geeignete Feuerlöscher bereitzuhalten und Rauchmelder zu installieren. Defekte Lithium-Zellen reagieren grundsätzlich heftig mit Wasser und dürfen demnach nicht damit gelöscht werden. Dies gilt sowohl, wenn sie Auslöser für den Brand sind, als auch, wenn es eine andere Brandursache gibt. Gängige Feuerlöscher sind auch nicht geeignet, um den Brand von Lithium-Batterien zu löschen, hierfür gibt es spezielle Löscher, die in jeder Werkstatt bereitstehen sollten.
In einer gängigen Fahrradwerkstatt ist in der Regel nicht genug Platz, um all diese Vorkehrungen zu treffen. So ging es uns auch bei Thun. Als es ab 2010 darum ging, neue und gebrauchte Batterien (letztere z. B. von Test-Pedelecs, langfristig auch Rückläufer) zu lagern, war im Unternehmen kein wirklich geeigneter Ort zu finden. Aspekte wie Mitarbeitersicherheit und Brandschutz haben alle möglichen Lagerstätten nach und nach ausgeschlossen. Auf dem Markt gab es leider keine geeignete Lösung. Aber da Geschäftsführer Alfred Thun sich noch immer aus Erzählungen an einen Brand erinnern konnte, der 1937 ein komplettes Werk zerstörte, musste eine Lösung her. Diese entstand kurz darauf in Form von BatterySafe, einer Serie von Sicherheitsschränken, in denen man Lithium-Batterien sicher lagern und laden kann. Solch ein Schrank findet in seiner kleinsten Variante in jeder Werkstatt Platz und verhindert das Übergreifen eines Brands von innen nach außen, aber auch von außen nach innen. Kurz nach Entwicklung des BatterySafes entstand dann auch BatteryBag, eine Sicherheitstasche, in der man einzelne Pedelec-Batterien nicht nur lagern und laden, sondern auch noch transportieren kann. Mit den Batterieschränken können Händler ihren Kunden den zusätzlichen Service einer sicheren Wintereinlagerung für ihre Batterien anbieten. Eines der häufigsten Probleme von Kunden ist nämlich, dass sie vergessen, ihre Pedelec-Batterien regelmäßig zu laden, um so der Tiefentladung vorzubeugen.

Transport im Paragrafendschungel

Der Transport ist ein wesentlicher Sicherheitsaspekt im Umgang mit Lithium-Batterien. Wie schon erwähnt, können defekte Teile, wie Motoren und Controller, einfach an den Hersteller zum Umtausch geschickt werden. Bei der Pedelec-Batterie sieht es anders aus, denn Lithium-Batterien werden beim Transport als Gefahrgut eingestuft. Das bedeutet, dass eine solche Batterie nur in einem geeigneten (nach Vorschrift) Behälter und als Gefahrgut deklariert versendet werden darf. Eine Ausnahme ist die Verschickung eines kompletten Pedelecs mit Batterie; in einem solchen Fall ist der Versand bis zu einem festgelegten Gewicht des Gefahrguts ohne Weiteres möglich. Die Rechtslage ist eindeutig: Derjenige, der den Versand beauftragt, ist im Falle eines Unfalls grundsätzlich in der Haftungsverpflichtung. Die Versandkartons und die entsprechenden Gefahrgut-Aufkleber bekommt man übrigens bei den meisten, gut sortierten Verpackungs- bzw. Etiketten-Lieferanten.
Und noch ein Punkt ist beim Thema Lithium-Batterie zu beachten: Sie fallen unter das Batteriegesetz (BattG) und müssen als sogenannte Industriebatterien vom Vertreiber zurückgenommen werden. Dies bedeutet aber, dass der Vertreiber nicht nur dazu verpflichtet ist, die Batterien zurückzunehmen, die er selbst vertrieben hat, sondern auch alle anderen Pedelec-Batterien. Solche Rückläufer bergen natürlich das größte Risiko-Potenzial, da sie schon lange im Umlauf sind und nicht einzuschätzen ist, ob sie sachgerecht behandelt wurden. Lithium-Akkus sollten deshalb an den Polen isoliert werden, um einen Kurzschluss und mögliche Folgereaktionen zu vermeiden. Außerdem sind besondere Behälter zu nutzen, falls das Gewicht der Batterie 500 g überschreitet. Diese Behälter sind mit der eindeutigen Kennzeichnung »Nur für Lithium-Ionen-Akkus aus Elektrofahrrädern« zu kennzeichnen. Entsprechende Behälter gibt es in Deutschland bei der Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem (GRS), bei der Inverkehrbringer von Li-Akkus angemeldet sein müssen. Ein solcher Behälter sollte in jedem pedelecvertreibenden Betrieb stehen. Die Hersteller und Importeure von Fahrrädern mit Elektroantrieb sind nach §8 BattG verpflichtet, den Vertreibern eine zumutbare und kostenfreie Rückgabemöglichkeit der gebrauchten Batterien anzubieten. Die Vertreiber wiederum sind nach §9 BattG verpflichtet, vom Endnutzer Altbatterien selbst oder in unmittelbarer Nähe der Verkaufsstelle zurückzunehmen. Hinzu kommen Hinweisverpflichtungen nach §18 BattG, die unter anderem beinhalten, dass für den Verbraucher gut lesbare, im unmittelbaren Sichtbereich des Hauptkundenstroms platzierte Schrift- oder Bildtafeln anzubringen sind.
Bevor wir das Thema Batterie verlassen, sei noch erwähnt, dass die Versicherungen unbedingt davon in Kenntnis gesetzt werden sollten, dass Lithium-Batterien im Ladengeschäft bzw. in der Werkstatt gelagert werden. Im Fall des Falles sind Händler so auf der sicheren Seite, was die Schadensregulierung angeht. Der Bundesinnungsverband des Zweiradmechaniker-Handwerks hat ein Dokument zum Umgang mit Li-Akkus bei Zweirädern erstellt und eine sehr gute Checkliste angehängt. Das Dokument bekommt man auch bei Thun.

Modellwerkstatt für E-Bikes

Wie sieht nun eigentlich die perfekte, sichere E-Bike-Werkstatt aus? Eine solche Musterwerkstatt findet man bei Giant Deutschland in Erkrath. Dort gab es bis Anfang 2012 eine mobile Werkstatt, die dem sicheren Umgang mit Pedelecs nicht mehr gerecht wurde. Also wurde ein Bereich des Bürogebäudes entkernt, um die Werkstatt dort aufzubauen. Man hat sich Gedanken gemacht, wie man die Werkstatt möglichst sicher und ergonomisch gestaltet, um zeitsparende, effektive und produktive Arbeitsabläufe zu gewährleisten – bei der gleichen Anzahl an Mitarbeitern. An der Entstehung der Musterwerkstatt waren hauptsächlich Marcel Hollenberg (Retail & Marketing Manager) und Marc Manser (Technical Support Manager) beteiligt. Die wichtigsten Anforderungen an die Musterwerkstatt waren die gleichen, die jede gängige Fahrradwerkstatt hat: optimale Ausnutzung von geringen räumlichen Dimensionen, leises Arbeiten, Sicherheit und Effektivität. Giant stand bei der Konzeption schon sehr früh im engeren Kontakt mit der Battery University, weil der sichere Umgang mit Lithium-Batterien gewährleistet werden musste. Demnach stehen auch hier bereits zwei BatterySafes von Thun, einer in dem die Batterien nur gelagert werden, ein weiterer, in dem Batterien sowohl gelagert, als auch geladen werden. Zudem nutzt man im Betrieb und für den Transport BatteryBags von Thun. Auch bei Giant sind Batterie-Testgeräte im Einsatz, da ausnahmslos jeder Akku bei der Wartung/Reparatur eines Pedelecs auf äußere Beschädigungen und auf die Kapazität geprüft wird.
Um starker Geräuschentwicklung während der Arbeit vorzubeugen, nutzt man einen Kompressor aus dem Airbrush-Bereich statt eines normalen Kompressors. Der Montageständer ist eine Entwicklung, die in Zusammenarbeit mit RA-CO entstanden ist. Pedelecs sind viel schwerer als normale Fahrräder, demnach ist ein hydraulischer Montageständer für die Arbeit mit solchen Rädern langfristig eine gute Investition. Zusätzliche Effektivität erreichte man durch einen Laptop im Werkstattbereich, den Einsatz von Headsets und durch die Beschriftung der gut sortierten Schubladen. Für Schulungszwecke ist ein Flatscreen an der Wand angebracht – in der Musterwerkstatt sollen demnächst Händlerschulungen für je acht bis zehn Personen stattfinden.
Seit einigen Jahren bietet das Unternehmen bereits Schulungen an, die verkaufs- oder produktlastig sind. Dazu gehört auch eine Schulung in Zusammenarbeit mit der Battery University, in der Händler den richtigen Umgang mit Pedelecs bzw. Pedelec-Batterien lernen und die jeder Service-Mitarbeiter absolviert haben sollte, um gerade die rechtlichen Aspekte zu kennen, auch wenn vieles zurzeit noch eine Grauzone ist.

19. Oktober 2012 von Christoph Hesterberg

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