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Interview - B.O.C.

Spannende Jahre für die Branche

B.O.C. gehört zu den größten Fahrradfilialisten Deutschlands. Die beiden Geschäftsführer Stephan Geiger und Bernd Heumann sprechen im Interview über die absehbare Marktentwicklung, auf welche Kennzahlen Händler achten sollten, welche Pläne sie verfolgen und vieles mehr.

Wie war der Saisonverlauf für B.O.C. in diesem Jahr? Was ist Ihnen besonders aufgefallen, was wird in Erinnerung bleiben von dieser Saison?

Geiger: Was mir in Erinnerung bleibt? Die Masse an Ware, die bei Herstellern und Handel in den Lagern lag und zum größten Teil auch noch liegt und natürlich der daraus resultierende Preiskampf. Aber auch die stark zunehmende Nachfrage im Bereich Dienstrad-Leasing.
Heumann: Im Sommer 2022 waren die Lager noch ziemlich leer. Innerhalb von vier Monaten waren sie dann in ganz Deutschland rappelvoll. Als wir dann in die Nebensaison gingen, haben wir recht schnell gesehen, welche Wettbewerber zu welchen Preisen verkaufen. Im Oktober, noch vor der Black Week, haben wir uns gewundert, welche aggressiven Preise bei
Fahrrad.de zu finden waren. Wir haben gehofft, dass sie sich danach wieder normalisieren, aber das ist nicht passiert. Den ganzen Winter über ging das immer weiter, mit der Folge, dass andere Onliner und schließlich auch die stationären Händler gezwungen waren, nachzuziehen. In einem Markt, der zumindest im E-Bike-Segment eigentlich funktionierte, sinkt so die Marge für alle.

Wie ist Ihre grundsätzliche Einstellung zu Rabattaktionen im Fahrrad
einzelhandel?

Heumann: Durch unsere Geld-zurück-Garantie, bei der Kunden innerhalb von vier Wochen die Differenz zum günstigsten auffindbaren Preis im Markt erstattet bekommen, waren wir noch nie Preistreiber.

Die Servicequalität in den Filialen ist etwas, was man bei B.O.C. sehr ernst nimmt. Entsprechend freut man sich über die Auszeichnungen, die nicht zuletzt das Ergebnis hoher Investitionen in die Personalentwicklung sind.

Wir haben natürlich auch öfters Posten- und Auslaufware. Aber indem wir den Kunden die Gewissheit geben, dass sie bei uns nie zu teuer einkaufen, müssen wir nicht aggressiv reduzieren.
Geiger: Wir sind noch nie sehr preisaggressiv am Markt aufgetreten. Durch unsere Geld-zurück-Garantie verfolgen wir eine andere Ausrichtung. Unsere Lieferanten schätzen das. Jeder Händler verfolgt seine eigene Strategie, und das ist auch gut so und jede Strategie hat ihre Berechtigung, solange sie erfolgreich ist.

Wie lange wird es brauchen, bis sich die Lage wieder entspannt?

Geiger: Ich bin etwas weniger optimistisch als einige unserer Marktteilnehmer. Oft lese ich, dass sich die momentane Situation schon in Q3 oder Q4 2024 entspannen wird. Ich persönlich gehe davon aus, dass, insofern keine weiteren Krisen kommen, eine Normalisierung erst Mitte 2025 eintreten wird.

Gibt es Herausforderungen, die man mit 44 Filialen aktuell hat, die sich von der Situation von kleineren Händlern unterscheiden?

Heumann: Kleinere Händler haben die Herausforderung, angesichts der Segmentierung des Marktes zu entscheiden, worauf sie sich konzentrieren sollen. Die Vielfalt ist so groß geworden, dass sich kleinere Händler wirklich spezialisieren müssen. Bei moderneren, neueren Geschäften sieht man immer eine Form von Spezialisierung.
Der große Unterschied zu den kleineren Händlern ist, dass wir nicht unbedingt die Individualisten wie Triathleten im Laden bedienen. Das bekommen wir mit der Masse und Größe gar nicht hin.

»Das Flächenwachstum hängt der Marktentwicklung nach.«Bernd Heumann

Aber 85 bis 90 Prozent des Sortiments bilden wir deutschlandweit ab. Wir decken den Mainstream der Fahrradbevölkerung ab. Die totalen Fahrradfreaks kaufen weniger bei uns. Entsprechend wichtig ist es für kleinere Händler, sich in diese Nischen zu werfen, sei es als Triathlon-, als Cargo-, Werkstatt- oder E-Bike-Spezialisten. Wenn sich der Markt zurechtgeruckelt hat, werden die Konzentrationsprozesse in den nächsten Jahren noch verstärkt werden.

Angesichts der Lage mag es zynisch klingen: Gibt es aktuell denn genug Fahrradläden in Deutschland?

Heumann: Deutschland ist gut versorgt mit Fahrradhändlern, aber Luft ist definitiv noch vorhanden. Das Umsatzwachstum in Deutschland resultiert nicht aus dem Flächenwachstum, sondern aus dem Anstieg des Quadratmeterumsatzes beziehungsweise aus dem steigenden Durchschnittspreis.
Ein Beispiel, um das vorhandene Potenzial zu zeigen: Wir starteten in Lüneburg mit 2000 Quadratmetern, in einer Stadt, in der es bereits einige Fahrradhändler gab. Nach den anfänglichen Zweifeln bestätigen die Händler dort vor Ort inzwischen, dass sie uns gar nicht spüren. Inzwischen hat noch ein Cube-Store in diesem Jahr dort eröffnet. Den spüren wir auch nicht. Das Flächenwachstum hängt der Marktentwicklung nach.

Das erstaunt, denn man könnte sehr wohl den Eindruck gewinnen, dass zumindest bis vor Kurzem die verschiedensten Akteure in den Fahrradhandel einstiegen, die vorher nichts damit zu tun hatten, man denke an Autohäuser und vieles mehr.

Geiger: Und einige machen bereits auch wieder zu. Die Fahrradbranche weckte in den letzten Jahren Begehrlichkeiten, gerade bei Branchenfremden.

Aktuell mag die Branche sehr unter der Warenlast stöhnen, längerfristig sehen die B.O.C.-Geschäftsführer den Markt noch längst nicht als gesättigt an.

Die Fahrradbranche ist sehr vielschichtig und in einigen Bereichen speziell – von kurzen Modellzyklen bis hin zu unsicheren Lieferterminen oder einer starken Wetterabhängigkeit. Das muss man erst einmal beherrschen. Umgang und Auswahl der Lieferanten, saisonale Effekte, margenschwache Produkte sind nur einige Punkte, die die Fahrradbranche begleiten, die aber auch gerade deren Charme ausmachen. Wenn man dieses Know-how nicht hat, dann kann man schnell scheitern. Die nächsten zwei Jahre werden spannend, sowohl für die Hersteller als auch für uns Händler.

Wird es eher die großen oder die kleineren Händler belasten?

Geiger: Das Spannende an der Fahrradbranche ist, dass beide Konzepte nebeneinander gut funktionieren. Der Spezialist, der kleinere Fachhändler hat seine Kunden, die Großflächen auch. Wir als Großfächenfilialist können und wollen nicht alle Kundenkreise abdecken. Sowohl Spezialisten als auch Großflächen haben gute Zukunftsaussichten. Ein kleinerer Händler, der alles anbieten möchte, wird es schwer haben.

Ist die Werkstatt ein profitabler Bereich bei B.O.C.?

Heumann: Die Personalkosten sind pro Kopf gar nicht mehr vergleichbar mit den Gehältern vor Corona. Das liegt daran, dass wir eine massive Verknappung der Mechaniker und Mechatroniker haben. Ich weiß, dass der VSF an diesem Thema arbeitet, auch wir haben vor zwei Jahren eine Akademie gegründet, um nicht nur junge Menschen auszubilden, sondern auch, um Quereinsteigern eine Möglichkeit zu geben, in diesen schönen Beruf wechseln zu können.
Geiger: Ob die Werkstatt nun direkt profitabel ist oder nicht? Sie ist auf alle Fälle eines der wichtigsten Merkmale des stationären Handels, mit dem sich der Fachhandel von Direktvertreibern und Pure-Online-Händlern abheben kann. Warum hat der Fahrradhandel eigentlich so eine gute Perspektive? Weil wir ein hochpreisiges und wartungsintensives Produkt haben, das der Kunde anfassen und testen möchte und vor allem möchte er eine gute Beratung. Das ist auch der Grund, weshalb die Fahrradbranche einen im Vergleich zu vielen anderen Branchen eher geringen Online-Anteil hat, zumindest bei den Fahrrädern und E-Bikes. Der Online-Bereich wird weiter Lösungen suchen. Auch dort wird man sich entwickeln, aber noch hat sich keine Lösung durchgesetzt. Der stationäre Handel profitiert stark, wenn er eine gute Werkstatt hat, deshalb müssen wir auch in sie investieren.
Heumann: Das ist der USP unserer Branche. Man kann heute schon sagen, dass, wenn nicht mehr ausgebildet wird und mehr Mechaniker und Mechatroniker in die Branche finden, wir in einigen Jahren ein echtes Pro­blem haben werden. Wir haben analysiert, wie der Bedarf an Werkstattleistung Jahr für Jahr steigt durch Faktoren wie Leasing, Versicherungen und E-Bike-Services. Das wird nicht ausgeglichen durch das verfügbare Werkstattangebot. Die Schere geht immer weiter auf.
Wir haben 150 Auszubildende bei uns in der Gruppe, die Hälfte davon sind Mechatroniker oder Mechaniker. Wir investieren seit Jahren in diese Ausbildung. Trotzdem ist die Kapazität noch viel zu gering. Die meisten großen Händler reparieren auch deshalb keine Fremdräder mehr.

Aktuell betreibt B.O.C. 44 Filialen. Gibt es einen Masterplan, der schon die weitere Zukunft vorzeichnet? Wo soll die Reise hingehen?

Geiger: Wir haben einen langfristigen Plan, in dem wir festgelegt haben, wie viele neue Filialen wir bis 2031 eröffnen werden. Für diesen Plan haben wir schon vor vier Jahren begonnen, einen Unterbau zu schaffen. Man kann nicht expandieren, wenn die nötigen Voraussetzungen fehlen.

»Sowohl Spezialisten als auch Großflächen haben gute Zukunftsaussichten.«Stephan Geiger

Wir nennen es unsere »Mission 2031«, sie besteht aus sechs verschiedenen Teams, die sich zum Beispiel mit Fragen beschäftigen wie: Welche Voraussetzungen brauchen wir, um dieses Ziel zu erreichen? Welche Kapazitäten benötigt zum Beispiel die Logistik oder die IT-Landschaft und natürlich, was verlangt der Kunde von morgen? Jeder kann an dieser Mission mitarbeiten, denn das größte Wissen eines Unternehmens steckt in den Mitarbeitenden. Wir möchten dadurch auch dem ganzen Team Perspektiven geben und vor allem Arbeitsplätze sichern.

Gehört die jüngst verkündete Kooperation mit Globetrotter schon mit zu diesem Plan oder ist sie das Ergebnis von Hamburger Kaufmannsbekanntschaften?
Heumann: Man kennt sich, das ist schon richtig. Andreas Bartmann ist ehemaliger Gesellschafter und immer noch Geschäftsführer bei Globetrotter. Wir haben bereits vor drei Jahren gemeinsam überlegt, welche Möglichkeiten einer Zusammenarbeit bestehen. Ein Teil der Überlegung war, dass das Fahrrad eine Existenzberechtigung in der Innenstadt hat, was in den Städten selbst sehr unterschiedlich gesehen wird. Braunschweig ist ein schönes Beispiel. Die Stadt will die Fahrradhändler im Kernbereich der Innenstadt schützen und wünscht dort keine Großflächen. Wir sehen, dass sich die Innenstädte gerade sehr wandeln. Diese Flächen werden immer mehr zu Verweil- und Informationsorten. Dort werden wieder verstärkt Sortimente gezeigt, die keine hohe Online-Affinität haben. Da passt ein Konzept mit Globetrotter. Wir sind uns sehr nahe, wie wir verkaufen wollen und welche Erwartungen wir haben.

Wird B.O.C. in allen Globetrotter-Flächen vertreten sein oder nur an
ausgesuchten Standorten?

Geiger: In unserer Mission 2031 haben wir eine interne Gruppe, die sich mit neuen Vertriebsformaten beschäftigt. Zum Beispiel auch mit dem Thema Innenstädte. Mit dem gemeinsamen Projekt mit Globetrotter starten wir 2024 in Stuttgart und Dresden.

Was bedeutet es eigentlich für einen großen Händler wie B.O.C., wenn ein Lieferant ausfällt? Nach welchen Kriterien werden Lieferanten ausgesucht?

Geiger: Es hängt davon ab, wie abhängig man sich von einzelnen Lieferanten gemacht hat. Hat man einen Hersteller, der 40 bis 50 Prozent des Umsatzes ausmacht, geht man ein großes Risiko ein. Im Falle eines Ausfalles kann einen das die Existenz kosten. Lange, auf Vertrauen basierende und enge Lieferantenbeziehungen sind ein wichtiger Garant für beiderseitigen Erfolg. Das sieht man gerade in Zeiten wie diesen.
Der ständige Austausch spielt eine wichtige Rolle. Zum Beispiel kennen Hersteller oft den prozentualen Unterschied der Eingangs- und Ausgangsmarge des Händlers nicht. Dieser ist allerdings sehr aussagekräftig und ein guter Gradmesser dafür, wie zum Beispiel eine Kollektion beim Endverbraucher ankommt, ob eventuell zu viel Ware beim Händler oder im Markt platziert wurde oder ob das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht optimal ist oder ob schlichtweg die Marke an Relevanz gewinnt oder verliert.
Nach diesen Kriterien sollte man seine Lieferanten auch beurteilen und mit ihnen den regelmäßigen Austausch suchen. Es gibt Hersteller, die in den letzten zwei bis drei Jahren deutlich stärker in der Ausgangsmarge verloren haben als andere Hersteller.

Hat ein Filialist wie B.O.C. überhaupt Probleme, neue Lieferanten zu gewinnen? Oder rennen Sie offene Türen ein?

Geiger: Angebot und Nachfrage. Für Fahrradhersteller ist es oft eine Herausforderung, einen großen Filialisten als Neukunden aufzunehmen. Zum einen kommt es auf die strategische Ausrichtung an, zum anderen gibt es oft interne Widerstände seitens des Vertriebs, die aus unserer Erfahrung allerdings unbegründet sind. Allerdings kann man die Sorge einzelner Händler verstehen, die um ihren Umsatz bangen und deshalb ihren Unmut gegenüber dem Vertrieb äußern oder sogar mit Kündigung des Vertrags drohen.

War das zu allen Zeiten eine Herausforderung?

Heumann: Als wir bei B.O.C. anfingen, ging es zunächst darum, ein neues Konzept aufzubauen, Vertrauen bei den Lieferanten zurückzugewinnen und überhaupt erst welches zu entwickeln. Gleiches galt auch für die eigenen Mitarbeiter.
Geiger: Nur zu Anfang. Wenn man zu seinen Aussagen steht, sich partnerschaftlich verhält und eine gute Strategie hat, gewinnt man sehr schnell an Vertrauen, und das wird von Herstellern gesehen und gewürdigt.

Ein Tipp noch von den Profis: Was würde man brauchen, wenn man heute den Vorsatz hätte, einen Fahrradladen zu eröffnen?

Geiger: Der Standort ist wichtig. Lage, Lage, Lage, das gilt nach wie vor. Aber das Entscheidende ist das Personal und die klare Ausrichtung – welche Kunden möchte ich ansprechen und wie und mit welcher Ware möchte ich das machen.
Heumann: … und man braucht das digitale Schaufenster. Ohne geht es nicht mehr. Wenn man das nicht macht, wird man irgendwann erdrückt von den anderen hybriden Shops und Multichannel-Geschäften. Man ist dann nicht mehr sichtbar. //

11. Januar 2024 von Daniel Hrkac

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