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Report - Digitales Cockpit

Wege finden und Daten sammeln

Fahrradcomputer und Navis sind heute im Sport- und Tourenbereich ein hart umkämpftes Segment, in dem die technischen Möglichkeiten wachsen. Doch braucht man diese Geräte auf dem E-Bike? Und kann der stationäre Handel davon profitieren?

Wer ambitioniert Rennrad, Mountainbike oder Gravelbike fährt, ist heute häufig mit einem Fahrradcomputer mit GPS-Technik unterwegs.
Touren nachfahren, die Fahrt aufzeichnen, Trainingsdaten auswerten und schließlich auf Strava stellen – das ist für viele selbstverständlich geworden. Die Möglichkeiten, die durch immer funktionsreichere Geräte, ausgefeilte Sensorik und Konnektivität entstehen, sind immens. Konnektivität und Handy-Apps heben die Geräte auf eine deutlich höhere Entwicklungsstufe als noch vor zehn Jahren, insbesondere was Navigation und Individualisierung angeht.

Keep it simple!

Wahoo etwa setzt laut Frank Jeniche von PR-Trust, der die Kommunikation dieses Unternehmens in DACH verantwortet, auf intuitive Bedienbarkeit und ein Höchstmaß an Sensoren-Kompatibilität. »Die Zeit zwischen ›Ich will radfahren‹ und ›Abfahrt!‹ wird durch einfache Bedienung enorm verkürzt«, so Jeniche. Tatsächlich bot der damalige Marktführer im sportlichen Segment, Garmin, mit seinen oft deutlich komplexer zu handhabenden Geräten Angriffsflächen, die Wahoo bei der Einführung des Elemnt Bolt vor acht Jahren nutzen wollte. Im Sportbereich hatte Wahoo mit seinem Elemnt-Portal eine sehr schnell gewachsene Fangemeinde.

Zuverlässig Navigieren auch mit Trainingsspezialisten: Wahoo Roam (o.) und Lezyne Mega.

Die Computer-Serie ist für den Sportbereich optimiert: kleine, aber sehr gut ablesbare Displays mit wenig Farbunterstützung, kein Touchscreen für Bedienungssicherheit und enorme Sensoren-Kompatibilität. Dennoch gibt Jeniche dem Handel zu bedenken: »GPS-Bike-Computer sind beratungsintensiv und verlangen neben Fachwissen auch solches über die individuellen Kundenbedürfnisse.« Die richtige Kabelverlegung von der Gabel zum Tacho, vor 30 Jahren die Expertise des Händlers, weicht dem Wissen um die Klientel.

E-Bike und Sportcomputer?

Auch im sportiven E-Bike-Bereich sieht man bei Wahoo Zuwächse. Die leichten, urbanen Sport-E-Bikes sind ebenso wie Gravel- und Rennräder meist mit reinen LED-Anzeigen oder Mikro-Displays ausgestattet. Auch der Tourismus wird bei Wahoo nicht vergessen. Auf der Elemnt-App wird man auf seinem Gerät bald Übernachtungsmöglichkeiten angeboten bekommen.

Funktionaler Vorsprung durch spezielle Erfahrung

»Wir haben einen großen funktionalen Vorsprung«, sagt Fabian Danner, Category Manager DACH von Garmin selbstbewusst. Gerade, was Sportfunktionen angeht, waren die breit aufgestellten Navigationsexperten Vorreiter und lange Zeit der Platzhirsch. Aber auch in Sachen Sicherheit erstaunten sie vor Jahren mit bereits genanntem Radargerät. Dieses ist sicher nicht nur ein Feature für Rennradfahrer. Hier versucht man, sich den Zeichen der Zeit entsprechend am E-Bike zu orientieren und wichtige Funktionen darzustellen. Das funktioniert aber nur mit bestimmten Daten und Unternehmen, die die E-Bike-Hersteller freigeben. »Specialized und Bosch etwa geben die Trittfrequenz weiter, zum Teil auch Leistungsdaten«, so Danner. So können diese Anzeigen auf den Garmin-Geräten ohne Zusatzsensoren angezeigt werden.
Einen großen Vorteil sieht man bei Garmin in der Unmenge an gesammelten Daten von zurückgelegten Strecken, die zur Verfügung stehen. So gibt es beim Routing über Garmin-Geräte genaue Angaben über die auftretenden Steigungen. Am Garmin-Gerät kann man damit anzeigen lassen, ob der Akkustand für den verbleibenden Teil der Route entsprechend der Steigung noch ausreichend ist. Wählt man etwa eine andere Route zum Ziel, die um eine Steigung herumführt, wird die Anzeige aktualisiert. Parallel kann der Computer empfehlen, eine Unterstützungsstufe herunterzuschalten.
Ein anderer Vorteil, den das Unternehmen aufgrund seiner langen Erfahrung mit Auto-Navigation nutzen kann, ist die Einschätzung von Routen in Bezug auf die Frequentierung. Wer ruhige Straßen für seine Radtour sucht, findet sie. Zusätzlich erhält man über Heatmaps, also die Zusammenstellung der häufig von Radfahrenden genutzten Strecken, eine Art »Lieblingsstrecke«-Vorschlag. Den findet man auch bei anderen Anbietern.
Alleinstellung gibt’s noch in Sachen Stromversorgung. Der neue Garmin Edge 1040 Solar soll mit Sonnenenergie-Unterstützung 45 Stunden Akkulaufzeit haben, im Eco-Modus bis zu 100. Außerdem kann man bestimmte Modelle auch über die Stromversorgung des E-Bikes betreiben.

Konnektivität über Markengrenzen

Das Anzeigen von Funktionen aus elektronischen Schaltungen wie etwa dem Ladestand des Shimano-Di2-Schaltungsakkus, die aktuelle Kettenposition am Ritzelpaket und vieles mehr ist für die Hightech-Geräte von Garmin, Wahoo, Sigma oder auch Lezyne selbstverständlich. Die Erwartung mancher Navi-Hersteller, auch am E-Bike-Lenker mitzumischen, ist durchaus in Maßen realistisch. Hier ersetzen High-End-Computer also zum Teil die Displays der Systemhersteller und bieten je nach Sensor-Ausstattung Mehrwert, was die Leistungs- und sonstige Daten anbelangt. So sieht das auch Mareen Werner-Rusitschka, die bei Sport Import, dem deutschen Importeur von Lezyne-Geräte, für die Kommunikation zuständig ist. »Für die Fahrer der neuen, leichten E-Bikes bieten sich unsere besonders als Ergänzung zu den kleinen oder gar keinen Displays an« sagt sie. »Sportler und Tourenfahrer sind natürlich weiterhin die Zielgruppe. Aber auch für Indoor-Fahrer sind diese Geräte perfekt, weil sie über einen speziellen Trainings-Modus verfügen.« So sieht man auch hier viele Chancen, für den Händler oder die Händlerin Zusatzverkäufe zu generieren – vor allem mit sportiver Kundschaft. »Der Händler sollte sich aber auskennen und die Vorteile unserer Geräte erklären können, denn nur aktiv kann man solche Geräte verkaufen«, so Werner-Rusitschka. Lezyne bietet derzeit zwei Geräte an: das Mega XL GPS und das Super Pro GPS. Besonderheit bei beiden: Die Geräte sind hoch- und querformatig nutzbar. Das ist insofern von Interesse, da die jeweiligen Displays vielfältig konfigurierbar sind. Außerdem hat der Super Pro GPS einen barometrischen Höhenmeter und ein Beschleunigungssensor. Was die Performance- und sportmedizinischen Funktionen angeht, wird im Allgemeinen auch hier das klassische Repertoire bedient. Allerdings stehen bei Lezyne mehr die Trainingsdaten denn die Navi-Funktionen im Mittelpunkt.

Workshops beim Traditionshersteller

Gibt es denn Unternehmen, die noch die volle Breite des Fahrradcomputers anbietet? Ja, ein Beispiel ist Sigma Sport. Vor etwa 30 Jahren war man neben VDO und Ciclosport noch der Quasi-Standard beim klassischen 5-Funktionen-»Tacho« für Alltags- und Tourenfahrer. In den letzten 15 bis 20 Jahren hat das Unternehmen sein Sortiment nach oben hin deutlich ausgebaut, nach unten ausgedünnt. Aber es gibt noch das BC-5.0-Modell für absolute Beginner mit fünf Funktionen mit Speichenmagneten.


_Die Rox-Reihe von Sigma Sport bietet sehr aufgeräumte, individualisierbare Displays. _

Hoch geht’s bis hin zu den ROX-High-End-Navis mit den gängigen Sportfunktionen. Sigma will hier durch eigenständige, sehr aufgeräumte Displaydesigns überzeugen. Man wolle »alle Radfahrer sicher an ihr persönliches Ziel führen«, sagt Daniel Conka von Sigma Sport, und verweist auf Pendlerinnen, Mountainbiker, Wochenendbikerinnen und Tourenfahrer. »Easy to use« sei der Leitsatz, die Bedienung der Geräte weitgehend intuitiv. Auch hier gibt es eine App, die die Einstellung, die Individualisierung und Bedienung der Navis erleichtert, und ebenso die Möglichkeit, bestimmte E-Bike-Funktionen darzustellen. In Sachen Händlerpräsenz sieht man die Problematik der komplexen Materie. So verweist Conka unter anderem auf Schulungen und Materialien zur Einarbeitung in die Fahrradnavi-Technik. »Selbst vermeintlich komplexe Produkte« seien so sehr einfach zu begreifen. Außerdem sei für Cross-Selling oder einen Naturalrabatt beim Radkauf der Bike-Computer ein perfektes Produkt.
Als wichtiges Zukunftsthema nennt man bei Sigma die Konnektivität. »Das Thema Vernetzung haben wir mit der Ride-App und ›E-Bike Ready‹ bereits sehr weit vorangetrieben, wir werden es in Zukunft mit weiteren smarten Features und Innovationen weiterentwickeln.«
Auch Sharing mit Drittanbietern wie Apple Health oder Trainingsplattformen wie Strava liege im Trend, »hier sind wir bereits sehr gut aufgestellt«, so der Division Manager.

Marktbeobachtungen

Diese vielen positiven Aspekte von Vernetzung und Hardware-Hightech am Lenker können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Segment der Navi-Computer hart umkämpft ist. Bei unserer Recherche haben manche Hersteller abgewunken, einer mit dem Hinweis, sich die weitere Marktentwicklung zunächst noch ansehen zu wollen, bevor man neue Geräte präsentiere. Auch steht nicht jeder Deutschland-Vertrieb ausländischer Geräte derzeit auf festem Boden.
Das gilt derzeit auch für Beeline, einem Navi und Minimal-Computer, der im Hightech-Dschungel eine interessante Sonderstellung hat. Die Gründer des Unternehmens, beide in London beschäftigt, wollten ein einfaches Gerät, das den sichersten Weg zum Arbeitsplatz aufzeigen konnte, ohne viel Drumherum, erzählt Kerstin Rosenkranz, für die DACH-Kommunikation von Beeline zuständig. Es entstand 2017 mit dem Velo ein gut münzgroßes Gerät, das, ist über die Handy-App einmal ein Ziel eingegeben, einfach wie ein Kompass die Richtung anzeigte, nicht aber eine feste Route oder Karte. Minimal Routing für Freigeister? Heute gibt es das Velo II, das über Handy-Zugriff auf Open Streetmaps und andere Datenquellen sowohl die ruhigste als auch die schnellste Route zu einem Ziel angeben kann, bei möglichst einfacher Bedienung. Zwar können GPX-Dateien geladen und beendete Fahrten auf Strava abgelegt werden, doch das war's auch schon mit der Konnektivität. Und mehr soll es laut Rosenkranz auch nicht sein.
»Wir arbeiten daran, Beeline auf dem deutschen Markt zu positionieren«, so Rosenkranz. »Wir sehen den Fachhandel dabei als federführend, auch wenn das Gerät völlig intuitiv bedienbar ist.« Tatsächlich dürfte es viele Tourenfahrende geben, die kein High-Performance-Gerät brauchen, wie es die meisten Fahrradcomputer sind, und »einfach ein Tool suchen, das sichere Routenführung bietet, mit simpelster Bedienung und ohne Schnickschnack.« Vielleicht könnte da der Kompass-Modus, den es am Beeline immer noch gibt, für die
Gravel- und Bikepacking-Freunde ein Renner werden. Schließlich ist »Abenteuer« für diese ein ganz wichtiges Stichwort. Und was gäbe es Spannenderes, als sicherlich ein Ziel anzusteuern, aber die Wege dahin selbst wählen zu können? //

27. Februar 2024 von Georg Bleicher

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