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Der Gipfel ist das Ziel – für ­Mountainbiker und Wanderer ­gleichermaßen.
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Report - Konflikte im Alpenraum

Wem gehören die Berge?

Die Berge werden als Ausflugsziel immer beliebter. Das führt gelegentlich zu Konflikten zwischen Wanderern, Mountainbikern, Grundbesitzern und Naturschützern, die durch den E-MTB-Boom durchaus noch verschärft werden könnten. Verbände wie der Deutsche Alpenverein (DAV) haben das erkannt und suchen nach Lösungen.

Wer sich beispielsweise von München aus an einem schönen Wochenendtag auf den Weg in Richtung Voralpenland macht, muss sich auf volle Züge oder Autobahnen einstellen. Die Bevölkerungsdichte in Großstädten nimmt zu und immer mehr Menschen suchen den Ausgleich in der Natur. Die erhoffte Ruhe und Einsamkeit finden sie dort häufig nicht mehr. Während die Zahl der Wanderer gefühlt leicht zunimmt, werden es etwas weniger klassische Mountainbiker, die jedoch einer stark wachsenden Zahl von E-Mountainbikern gegenüberstehen.
Diese Entwicklung ist auch dem DAV nicht verborgen geblieben. »Besonders an sonnigen Wochenenden treffen vor allem südlich von München und im Allgäu mehr und mehr Bergliebhaber aus unterschiedlichen Sportarten aufeinander«, heißt es beim Alpenverein. »Zudem wollen Akteure aus der Alpwirtschaft und dem Naturschutz ihre Interessen gewahrt sehen. Dabei kommt es immer öfter zu Spannungen.«
Wer zu Fuß unterwegs ist, gilt als besonders gefährdet. So sieht es nicht nur der Autor Axel Hacke, der sich kürzlich in einer seiner wöchentlichen Kolumnen für das »SZ-Magazin« pointiert und überspitzt mit den »Gefahren eines Lebens als Fußgängers« auseinandersetzte: »Als Wanderer floh er in die Berge. Aber nie ruhten seine Feinde. An erste Stelle ist der Radfahrer zu nennen, der – selbst ein von vierrädrigen Feinden Gehetzter, ja, mit dem Tod Bedrohter – bisweilen zum Gesetzlosen wird, zum Outlaw. Noch in entlegenen Bergregionen muss der Fußgänger damit rechnen, wie aus dem Nichts von heulenden, mit Helmen und Körperpanzerungen gerüsteten, durch Forst und Schlamm wütenden Berserkern zu Tal gerissen zu werden.«

Widerstand von Grund­besitzern

Die Realität ist etwas weniger dramatisch. Zu Auseinandersetzungen zwischen Wanderern und Radfahrern kommt es trotz der Zunahme beider Gruppen tatsächlich eher selten. Manche Beobachter sehen dagegen mehr Konfliktpotenzial zwischen Mountainbikern mit und ohne elektronischen Rückenwind. Doch allein aufgrund vieler Umsteiger – selbst wettkampforientierte Mountainbiker haben teilweise die elektrische Variante für sich entdeckt – sollte das ebenso kein großes Thema sein. Lokalen Medienberichten zufolge sind es vielmehr Grundbesitzer insbesondere aus dem bayerischen Allgäu, die sich an der wachsenden Zahl von Freizeitsportlern auf ihren Wegen stören. Einige von ihnen wandten sich deswegen sogar an Landespolitiker aus ihrer Region.
Naturschützer stehen dem Mountainbiken auf Wegen in Landschaftsschutzgebieten ebenso teilweise kritisch gegenüber. Der BUND Naturschutz in Bayern warnt in einem aktuellen Diskussionsbeitrag vor allem vor den Gefahren des E-Mountainbikens für die Umwelt in den Bergen: »Die neuen Möglichkeiten wirken sich schon heute auf die Alpen und die Motive und Bedürfnisse der Besucher aus: Der Raum schrumpft, mit der Stille ist es vorbei, es triumphiert der Rummel. Die Aura der Berge wird darunter leiden.« Aus Sicht des BUND Naturschutz handelt es sich beim E-Mountainbiken um »Motorsport«. Die Umweltschützer befürchten: »Der Auswirkungen nehmen zu – von der Wegeerosion bis zur Frequentierung (fast) aller alpinen Räume.«

DAV-Projekt »Bergsport Mountainbike«

Um die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen, veranstaltete der DAV Ende letzten Jahres erstmals ein Mountainbike-Symposium. Die Tagung war aus Sicht des Alpenvereins »ein erster Meilenstein« im vom bayerischen Umweltministerium geförderten DAV-Projekt »Bergsport Mountainbike – nachhaltig in die Zukunft«. Die Fördersumme für das im September 2018 gestartete Projekt beläuft sich auf 250.00 Euro. Der DAV selbst wendet zusätzlich 108.000 Euro auf, womit die gesamten geplanten Kosten für das auf drei Jahre angelegte Projekt gedeckt sind. »Knapp die Hälfte unserer Mitglieder fährt auch Fahrrad im Gebirge, und wir sind für die Bergwege in den Bayerischen Alpen zuständig«, begründet DAV-Vizepräsident Roland Stierle das Engagement des Alpenvereins. Der DAV sehe sich deshalb in der Verantwortung, zu einem friedlichen Miteinander beizutragen. Kernstück des Projekts ist es, Mountainbike-Konzeptionen für zwei Pilotregionen zu erarbeiten, umzusetzen und zu evaluieren. Dabei handelt es sich um die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen und Oberallgäu.
Das Symposium im Dezember 2018 mit rund 200 Teilnehmern diente auch dazu, die konkreten Aufgabenstellungen des Projekts zu definieren. An erster Stelle steht demzufolge die Entwicklung und Umsetzung von Lenkungskonzepten, zum Beispiel durch die Ausweisung und Beschilderung von Wegen. Zudem müssten rechtliche Fragen geklärt werden, wie beispielsweise Haftungsfragen bei Unfällen für Grundbesitzer. Schließlich sei die Öffentlichkeitsarbeit entscheidend, um die Bergsportler auch zu erreichen. »Die gewonnenen Informationen sind die Basis, um begründete und vermittelbare Entscheidungen treffen zu können und um Diskussionen die emotionale Komponente zu nehmen«, erklärt DAV-Vizepräsident Stierle. Zudem leiste das Projekt einen Beitrag zur Umweltbildung – insbesondere auch von Kindern und Jugendlichen.
Die erste Aufgabe des Projekts, die Ausweisung von Wegen, wird bislang regional sehr unterschiedlich umgesetzt. In der Schweiz ist beispielsweise den Kantonen die Entscheidung vorbehalten, ob sie Wanderwege für (E-)Mountainbikes freigeben. In einigen Kantonen ist das Biken dort quasi durchgängig erlaubt, in anderen Regionen dagegen so gut wie gar nicht. Ein generelles Verbot für Mountainbiken auf Waldwegen existiert (mit Ausnahmen) gar in Österreich. In Deutschland sorgt insbesondere das ausschließlich in Baden-Württemberg bestehende Verbot, Waldwege unter zwei Metern Breite mit dem Fahrrad zu nutzen, für Diskussionen. Die Deutsche Initiative Mountainbike (DIMB) setzt sich bereits seit vielen Jahren für eine Abschaffung dieser »unsinnigen Diskriminierung« ein.

DIMB warnt vor Verboten

Am DAV-Projekt beteiligt sich die DIMB intensiv. Die Initiative sieht zwei der der drei Ziele des Projekts positiv: die Schaffung eines Haftungsleitfadens für Grundbesitzer, um aufzuzeigen, dass auch durch MTB-Nutzung keine erhöhte Verkehrssicherungspflicht besteht. Und die Öffentlichkeitsarbeit zum gemeinsamen Verständnis der Nutzergruppen. »Bei der Umsetzung von Lenkungskonzepten müssen wir noch die Entwicklung abwarten«, erklärt Heiko Mittelstädt, Projektleiter für die Open-Trails-Aktivitäten der DIMB. »Wir stehen zu diesem Thema im Dialog mit dem DAV. Lenkung durch gute Angebote funktioniert. Aber Ziel muss es sein, Verbote zu vermeiden.« Diese seien nicht einsichtig und führten nur zur Rechthaberei der Nutzer untereinander. Das häufig angeführte »Tiroler Modell«, das Grundbesitzern für ausgewiesene Mountainbike-Wege ein jährliches Entgelt von mindestens 12 Cent pro Laufmeter garantiert, könne aus Sicht der DIMB nicht Teil der Lösung sein. Zumal dieses Modell vor dem Hintergrund zu sehen sei, dass ansonsten in Österreich eben ein generelles Verbot für das Mountainbiken im Wald gilt.
Ob es im deutschen Alpenraum zu Verboten kommt, die Grundbesitzer und Umweltschützer wohl teilweise befürworten würden, wird sich im weiteren Projektverlauf bis 2021 zeigen.

6. Mai 2019 von Oliver Bönig
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