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Interview IAA mobility - Christine von Breitenbuch und Jan Heckmann

»Wir wollen ein klares Signal aussenden«

Die nächste IAA in München findet erst im Herbst statt, doch die Planungen sind schon längst in vollem Gange. Die Mobilitätsmesse, früher eine reine Automobilmesse, kann dieses Mal auf einem reichen Erfahrungsschatz der Ausgabe von 2021 aufbauen. Im Gespräch erklären die beiden Verantwortlichen Christine von Breitenbuch (Leiterin Sales Messe München) und Jan Heckmann (Leiter Abteilung IAA beim VDA), welche Pläne sie haben, um der IAA Mobility 2023 zu neuem, alten Glanz zu verhelfen und welche Rolle dabei die Fahrradwelt spielen kann und soll.

Mit der Erfahrung der letzten IAA Mobility und über einem Jahr Abstand: Was war das größte Learning aus der Premiere letztes Jahr für die Verantwortlichen und was wird die größte Veränderung sein?

Christine von Breitenbuch: Wir waren alle froh, dass die IAA Mobility 2021 stattfinden konnte, aber sie war für alle eine Premiere, von der man lernen konnte. Wir wollen nun mehr Fokus und den einzelnen Themen mehr Raum geben. Dazu gehört auch, dass wir Open Space und Summit, B2B und B2C klarer trennen. Unser Learning war, dass die Organisation sehr komplex war und man nicht so genau wusste, wo man wann hinmusste, um welches Thema zu welcher Zeit zu finden. Nun werden wir uns in der Innenstadt auf die Endkonsumenten konzentrieren und dort alles für das Erleben und Erfahren von Mobilität aufbieten. Das Messegelände bleibt in diesem Jahr exklusiv den Professionals vorbehalten.

Bedeutet eine solche Ausrichtung, dass man heute die Messeinhalte zu den Konsumenten bringen muss?

Jan Heckmann: Genau so würden wir das ausdrücken. Wir wollen in die Lebenswirklichkeit des Publikums, mit dem man den Austausch sucht. Insofern war das bereits bei der Premiere positiv zu sehen, dass der Open Space ein Erfolg mit über 300.000 Leuten in der Innenstadt war, und das in einem Covid-Jahr. Auf dem Messegelände findet der Summit statt, das Aufeinandertreffen von Inhalten und Stakeholdern. Es ist klar, dass das Messegelände dafür perfekt geeignet ist, wenn ich mich an eine Professionals-Community wenden möchte.
Von Breitenbuch: Wir haben einerseits die Trennung von B2B und B2C. Auf der anderen Seite wollen wir die Aussteller zusammenbringen. Es gibt keine Cycling-Hallen auf der einen und Summit-Hallen auf der anderen Seite, was letztes Mal noch geschehen ist. Nun sollen alle Hallen durchmischt werden, um die verschiedenen Mobilitätsträger zusammen abzubilden.

»Wir wollen mehr Fokus und den einzelnen Themen mehr Raum geben.«

Christine von Breitenbuch,
Messe München

Wie prominent wird die Rolle der Fahrradwelt und aller anderen Nicht-Automobil-Segmente auf der nächsten IAA Mobility aussehen?

Heckmann: Wir wollen ein ganz klares Signal aussenden, dass sie integraler Bestandteil sein werden. Wie gesagt wird es keine separaten Bike-Hallen mehr geben. Dort, wo wir Pkw-Hersteller, Technologie-Anbieter, Institutionen und Zulieferer zeigen, werden wir auch Mikromobilität vollwertig integrieren. Genauso kommt das Thema ÖPNV mit hinein. Cycling und Mikromobilität sind für uns ein sehr wichtiger Part und auch schon ein sehr vernetzter. Das abzubilden ist für uns selbstverständlich. Dazu wollen wir Platz für Diskurs ermöglichen, auch das ist ein sehr wichtiger Teil. Die Hand ist mehr als ausgestreckt und wir werden proaktiv auf die Akteure zugehen. Das ist ja das eigentlich Schöne: Leute und Branchen miteinander zu vernetzen.

Das neue Leitthema lautet »Experience Connected Mobility«. Was ist damit gemeint und welche Rolle spielt bei dieser Idee das Fahrrad?

Von Breitenbuch: Das Motto beschreibt den Kern der IAA sehr gut. Es geht einerseits um Connections. Wir wollen die richtigen Themen und die richtigen Personen zusammenbringen, übergreifend über alle Mobilitätsträger, die es gibt. Die Branche, wenn man sie als Mobilitätsbranche betrachtet, besteht aus vielen Einzelbranchen, aber wir sehen sie eigentlich nicht mehr so getrennt, weil alle ähnlichen Herausforderungen gegenüberstehen. Connected Mobility gibt es auf verschiedenen Ebenen. Einmal wollen wir diese Mobilitäts-Community zusammenbringen, dann wollen wir die Experience, das Erleben der Mobilität ermöglichen und schließlich den digitalen Layer abbilden, der diese Vernetzung überhaupt erst ermöglicht. Wir leben das ja schon und so spiegelt »Experience Connected Mobility« perfekt wider, was wir mit dieser Plattform darstellen wollen.
Heckmann: Dieser Experience-Ansatz ist sehr wörtlich gemeint. Wenn es um Cycling-Mikromobilität geht, arbeiten wir gerade daran, Streckenführungen auszuarbeiten, um Probefahrten in einem realen Umfeld zu ermöglichen. Wir wollen noch mehr Ausprobierbarkeit in der Lebenswelt und nicht nur einen Parkour, den man aufgebaut hat. Das haben wir 2021 bereits angeboten und wollen das noch verstärken. Diese Möglichkeit, etwas auszuprobieren zu können, statt nur darüber zu reden, das ist der Benefit, den die IAA in der Innenstadt bieten kann. Basierend auf den Erfahrungen und Gesprächen von 2021 haben wir ganz eigene Pakete und Angebote für das Segment. Auch auf dem Summit, also im Rahmen der IAA Conference, gibt es einen eigenen Track für das Thema Fahrrad und Mikromobilität.

Gibt es die Möglichkeit, als Aussteller nur auf den Open Spaces vorhanden zu sein, ohne Fläche in Riem zu buchen?

Von Breitenbuch: Das gibt es. Wir würden uns aber freuen, wenn wir die Unternehmen dazu motivieren können, auch im anderen Bereich anwesend zu sein. Dort erfahren sie von Politik und Presse besondere Aufmerksamkeit und können gemeinsame Themen adressieren. Das mag nicht für jeden Kunden interessant sein, aber die großen Brands, die sich mit dem Mobilitätsverhalten beschäftigen und sich überlegen, wie sie dieses als Marke verändern können, sollten auch auf dem Summit sein, weil das der Platz ist, wo solche Themen gespielt werden.

»Mobilität soll doch kein Entweder-oder sein.«

Jan Heckmann,
VDA

Welche Resonanz haben Sie bisher zu den neuen Ideen und Konzepten aus der Branche bekommen?

Heckmann: Wir hatten im Vorfeld mehrere Runden mit der Branche, mit der wir uns gemeinsam sehr viele Gedanken gemacht haben, wohin wir uns entwickeln müssen. Es kommt immer auf das Ziel der Marke an: Will ich den reinen Kundenkontakt oder ist mir der B2B-Austausch wichtig? Viele Unternehmen kooperieren bereits und die Möglichkeit, auf der IAA neue Partner zu finden, wird gesehen. Ansonsten sind wir nun mitten im Vertrieb und sehen, dass das Feedback positiv ist. Das freut uns natürlich, deswegen haben wir diesen Dialog im Vorfeld ja auch gesucht.

Wie realistisch ist denn eine übergreifende Mobilitätsplattform? Gibt es da nicht zu viele gegensätzliche und auseinanderstrebende Interessen?

Heckmann: Diese Frage ist für mich ein Zeichen, dass es Bedarf gibt, eine solche Plattform anzubieten. Bei der Analyse der Situation gibt es Tage, da würde ich durchaus zustimmen, dass viele gegensätzlichen Interessen bestehen. Aber genau das ist doch der Punkt, warum es eine IAA Mobility wirklich braucht. Was den Kopf aufmacht, ist die Feststellung, dass Mobilität doch kein Entweder-oder sein soll. Ich glaube nicht, dass man mit nur einem Verkehrsträger die Probleme in den Städten oder auf dem Land lösen kann, und gleichermaßen schon mal gar nicht. Von daher wäre meine Gegenfrage: Was ist denn die Alternative, wenn man den Austausch zwischen den Verkehrsträgern nicht herstellt?

Die IAA wurde von einigen Klima- und Verkehrsaktivisten anscheinend als Kampffeld auserkoren. Das spricht einerseits dafür, dass die Veranstaltung immer noch relevant ist, aber legt auch nahe, dass vieles kontrovers gesehen wird. Wie wollen Sie sich auf diese absehbaren Konflikte vorbereiten?

Heckmann: Wir müssen schauen, was wir dazu beitragen können, damit es hier zu einem Dialog kommt. Wir haben es eben angerissen, für uns ist das Dialogische sehr wichtig. Es ist in allen Bereichen mit eingebaut, sei es in den Bürgerformaten in der Stadt oder auch in durchaus willkommenem kritischem Diskurs auf den Bühnen der IAA Conference. Da hätten wir nicht zum ersten Mal Menschen mit sehr anderslautender, auch kritischer Meinung eingeladen. Natürlich wird es im Vorfeld Gesprächsangebote geben. Die Tür ist bei uns jederzeit offen für all jene, die an einem gewaltfreien und sachlichen Austausch interessiert sind. Das ist doch absolut selbstverständlich. Wir wollen das konstruktive Ringen um pragmatische und gute Lösungen bewirken. Da gibt es unserer Überzeugung nach nicht die eine oder andere Lösung, sondern einen Mix. Das ist die Connected Mobility, die wir im Sinn haben.
Von Breitenbuch: Wenn es zu einer klimafreundlichen Verkehrswende kommen soll, dann kann das nur gemeinsam gehen. Wenn alle gegeneinander sind, kommen wir doch nicht weiter und behindern uns alle. Deshalb möchten wir einladen, ins Gespräch zu starten und gemeinsam zu schauen, wie wir etwas verändern können. //

17. April 2023 von Daniel Hrkac
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