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Markt - ZIV-Marktzahlen

Besser als befürchtet

Das Jahr 2024 war ein schwieriges für die Fahrradwirtschaft. Die Marktzahlen des ZIV zeigen auf, wo es besonders gehakt hat, aber auch, wo man sich besser als erwartet geschlagen hat.

Insgesamt 3,9 Millionen Fahrräder und E-Bikes gingen im Jahr 2024 über die Ladentheken, sei es beim Fachhändler oder beim Baumarkt. Zum zweiten Mal in Folge wurden mehr E-Bikes (wieder 53 Prozent Anteil, beziehungsweise 2,1 Millionen Einheiten) als unmotorisierte Fahrzeuge (1,8 Millionen) verkauft, aber es wird ohnehin nicht erwartet, dass sich dieses Verhältnis wieder umdrehen wird. Damit ist die Zahl der verkauften Räder nur leicht gesunken von zuvor 4 Millionen Stück. Allerdings liegt man damit am unteren Rand des Spektrums der letzten 10 Jahre. Nur 2017 lag die Gesamtzahl auf dem gleichen Niveau. Der Rückgang geht vor allem auf die unmotorisierten Fahrräder zurück.
Die Inlandsproduktion der deutschen Fahrradindustrie ging dabei viel stärker zurück. Es wurden insgesamt 2 Millionen Einheiten produziert (minus 15 Prozent), davon 1,4 Millionen mit Motor.

Sinkende Umsätze, die trotzdem gut sind

In Summe hat der Handel sinkende Gesamtumsätze zu verkraften. Insgesamt lag der Verkaufswert der Fahrräder und E-Bikes 2024 bei 6,33 Milliarden Euro in Deutschland. Das ist ein happiges Minus, wenn man es mit dem Vorjahr vergleicht, als noch 7,06 Milliarden Umsatz in den Büchern standen. Der ZIV hat zur Orientierung aber den Strich beim Vor-Corona-Jahr 2019 eingezogen.

3,9 Millionen Räder verkauft, aber nur 3,16 Millionen bekommen:
Der Handel hat vergangenes Jahr seine Lagerbestände deutlich abgebaut. Davon dürfte demnächst auch wieder die Industrie profitieren.

Und dieser zeigt, dass man zuletzt immer noch deutlich über 50 Prozent mehr Umsatz machte als in jenem Vergleichsjahr, als die Welt noch in Ordnung schien. Aktuell befindet man sich immer noch auf dem Niveau des Ausnahmejahres 2020. Nach fünf Jahren oberhalb der 6 Milliarden Umsatz darf man vermuten, dass dies die neue Basislinie bilden könnte.

Lagerabbau geht voran

Das kann man als die gute Seite dieser Entwicklung betrachten: Dass weniger Fahrzeuge in Deutschland produziert wurden und noch weniger importiert wurde, schmerzt insbesondere die Industrie. Es bedeutet aber keineswegs, dass der Handel in gleicher Weise leidet. Seine Leiden sind anderer Art, was die Inlandsanlieferung zeigt. Dabei handelt es sich um die Zahl der Fahrzeuge, die an den Handel geliefert wurden. Mit 3,16 Millionen Fahrzeugen (-27,5 Prozent) lag man vergangenes Jahr deutlich unter dem Wert der letzten Jahre. Da der Verkauf trotzdem bei genannten 3,9 Millionen Stück lag, bedeutet das einen Lagerabbau im Handel von 740.000 Rädern und E-Bikes.
Wenn man davon ausgeht, dass Ende 2020 der Lagerbestand annähernd bei null lag und seitdem also 17,92 Millionen Fahrräder und E-Bikes angeliefert wurden und in der gleichen Zeit 16,3 Millionen Einheiten wieder verkauft wurden, bleibt ein aktueller Lagerbestand von 1,62 Millionen Fahrzeugen in den Geschäften vorhanden. Das dürfte immer noch etwas zu viel sein, aber schon deutlich näher an dem, was als normal gelten darf. Entsprechend äußerten die Bico- und VSF-Händler überwiegend, dass sie eine baldige Normalisierung ihrer Bestände erwarten, wenn sie nicht schon eingetreten ist.

Nachträgliche Bestandsveränderung

Seit Jahr und Tag versäumt es der ZIV nicht, den Fahrradbestand in Deutschland zu erfassen und zu berichten. Dieser hat in dieser Runde einen unerwarteten Sprung nach oben gemacht. Die Begründung lautet, dass man in den vergangenen Jahren die Lebensdauer von E-Bikes konsequent zu niedrig angesetzt habe. Dies wurde nun korrigiert. Im Jahr 2023 ging man noch von 11 Millionen Elektrofahrrädern aus. Mit der Korrektur zählt der ZIV nun 15,7 Millionen E-Bikes, die im Jahr 2024 auf den hiesigen Straßen unterwegs waren.


Die gleichen Kategorien können sehr unterschiedlich beliebt sein, je nachdem ob ein Motor verbaut ist oder nicht.

Leicht bedauernd stellte Stork in der Präsentation fest, dass man den Zeitpunkt verpasst habe, ab dem es mehr Fahrräder als Menschen in Deutschland gibt. Insgesamt geht der ZIV nun von 88,7 Millionen Fahrrädern und E-Bikes auf den Straßen, Abstellplätzen und in den Kellern aus, ein Zuwachs von 2 Millionen Einheiten innerhalb eines Jahres, und damit im Trend der letzten Jahre seit Corona. Davor spielte sich das Bestandswachstum auf deutlich niedrigerem Niveau ab. Die wichtigste Einsicht bei alledem dürfte sein, dass das E-Bike eine deutlich höhere Lebens- und Einsatzdauer aufweist, als bisher vermutet. Die Menschen nutzen diese Fahrzeuge so lange, bis nichts mehr geht und die E-Bikes übertreffen die in sie gesetzten Erwartungen.

Stark sinkende Durchschnittspreise überraschen

Bei den Verkaufspreisen musste die Fahrradwirtschaft im vergangenen Jahr deutliche Abstriche machen. Egal, welche Quelle man heranzieht, es steht immer ein deutliches Minus in den Büchern. Der ZIV, der ja auch die Preisentwicklung in den Baumärkten und Supermärkten verfolgt, nennt für unmotorisierte Fahrräder einen Durchschnittspreis von 500 Euro, was einem Anstieg um 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Noch stärker sanken die Preise bei E-Bikes. Dort steht ein Minus von 10 Prozent auf nun 2650 Euro in den Büchern. Durch die Berücksichtigung aller Vertriebskanäle bilden diese Preise aber definitiv nicht das Preisgeschehen in den Fachhandelsgeschäften ab. Das weiß man auch beim ZIV und hat deshalb in Kooperation mit Bico und VSF deren Vergleichszahlen danebengelegt.

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In einer Umfrage von Bico und VSF äußert sich der Handel tendenziell eher optimistisch für das neue Jahr.

Dort kommt man auf Durchschnittspreise von 1367 Euro für Fahrräder und 3531 Euro für E-Bikes. In dieser Umfrage liegt das Minus bei etwa 15 Prozent. Als dritte Quelle kann man noch die Zahlen des Verbands des deutschen Zweiradhandels heranziehen. Hier werden circa 700 Euro brutto als Verkaufspreis für Fahrräder und circa 3350 Euro für E-Bikes genannt. Dort beobachtet man beim E-Bike Preisrückgänge von -10 bis -15 Prozent, während bei den unmotorisierten Fahrrädern die starken Segmente mit Rennlenker die Durchschnittspreise eher stabil hielten. Als Begründung für die sinkenden Preise werden in allen Fällen die massiven Rabattaktionen im Markt genannt. Lagerdruck, Liquiditätssorgen, Hersteller-Preissenkungen, Nachfrageschwankungen, böses Wetter und all die anderen Herausforderungen im Markt haben das Preisniveau damit bemerkenswert stark gedrückt. Die Gesamtdurchschnittspreise über alle Kategorien von 1645 Euro (ZIV) oder 2756 Euro (VSF & Bico) sind letztlich irrelevant für den heutigen Markt, der VDZ nennt diese Zahl schon gar nicht mehr.

Verkaufskanäle lassen aufhorchen

Es sieht auf den ersten Blick verkraftbar aus, lässt einen aber doch stutzig werden. Vergangenes Jahr ging der Marktanteil des stationären Fachhandels um vier Prozent auf nun 70 Prozent zurück. Das irritiert auch deswegen, weil seit vergangenem Jahr doch immer mehr Unternehmen vom reinen Online-Geschäft abrücken und sich stationären Vertriebswegen zugewandt haben.

0,05 Fahrräder und E-Bikes pro Bürgerin und Bürger und Jahr verkauft die Branche im lang- und mittelfristigen Schnitt. Also kaufen sich 5 Prozent der Bevölkerung in einem Jahr ein neues Fahrrad oder E-Bike. Dieser Schnitt ist über 75 Jahre weitgehend stabil.

Der Rückgang in der Statistik könnte auf den ersten Blick damit zusammenhängen, dass die Kategorien neu strukturiert wurden. Insbesondere die Online-Anteile sind nun klarer zuzuordnen. Unter den 20 Prozent »Fachhandel/-markt online« sind nicht nur die Online-Umsätze der stationären Händler zugeordnet (3 Prozent Anteil in 2023), sondern auch die Online-Spezialisten mit Fahrradfokus.
Es beißt die Maus aber keinen Faden ab: Der stationäre Fachhandel hat binnen eines Jahres und trotz (oder wegen?) großer Rabatte 4 Prozent Marktanteil abgegeben. Das wird Ursachenforschung notwendig machen und die Branche länger beschäftigen, denn wäre das nicht nur ein Ausrutscher, sondern ein Trend, hätte das erhebliche Markt-veränderungen zur Folge.
Sorgen bereiten eher nicht mehr die Discounter um Aldi, Lidl & Co., die auch vergangenes Jahr bei einem Prozent Marktanteil blieben. Ihre großen Zeiten in der Fahrradwelt sind wohl bis auf Weiteres vorüber. Relevanter geworden sind die allgemeinen Online-Händler wie Amazon, Otto und andere Plattformen. Mit 9 Prozent Anteil wird nun erstmals sichtbar, dass sie allen Herausforderungen zum Trotz auch Fahrräder in bemerkenswertem Umfang verkaufen können. Ihr Anteil stieg vergangenes Jahr um ein Prozent.
Gewinner dieser jüngsten Marktverschiebung waren laut ZIV die spezialisierten Online-Händler mit einem um 3 Prozent gewachsenen Marktanteil. Das liegt nicht zuletzt an den Segmenten Gravel und Rennrad, die klar in der Hand von Canyon, Rose & Co. liegen, obwohl die Fachhandelsmarken selbst sehr ansehnliche Produkte in diesen Kategorien vorzeigen können. Das führt direkt zur Sortimentsverteilung.

Große Unterschiede in den Kategorien

Der Markt unterscheidet sich heutzutage sehr deutlich innerhalb der zwei Elemente Fahrrad und E-Bike. Das klassische Mountainbike ist unmotorisiert faktisch eine aussterbende Art. Gerade einmal 54.000 Einheiten konnten noch abgesetzt werden in 2024, ein weiterer deutlicher Rückgang von den 92.500 ein Jahr zuvor. Unverändert hoch dagegen liegt die Begeisterung beim motorisierten Pendant: 820.000 E-MTBs bedeuten, dass diese sportlichen Räder sogar noch etwas besser verkauft wurden als ein Jahr zuvor. Ähnlich ist es beim Lastenrad: Unmotorisiert entwickelt es sich rückläufig auf nur noch 36.000 verkaufte Einheiten, mit Motor werden mit 184.500 Cargobikes viel mehr verkauft.

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E-Bikes halten länger als bisher angenommen. Entsprechend hat der ZIV die Bestandszahlen für dieses Segment angepasst.

Umgekehrt verhält es sich bei Rennrad, Gravel, Jugend- und Kinderrad. Hier sind die motorisierten Varianten wenig bis gar nicht nachgefragt, während die »Bio-Variante« höchst begehrt ist. Erstmals differenziert der ZIV zwischen Rennrad und Gravel. Zusammen wurden 2023 noch 178.300 Einheiten verkauft, ein Jahr später sind es nun schon 100.300 Rennräder (davon 90.000 ohne Antrieb) und sogar 137.500 Gravelbikes (117.000 ohne Motor). Nur in den Kategorien City und Trekking gibt es halbwegs ausgewogene Verkaufszahlen mit und ohne Motorisierung, sonst wird klar eine Variante bevorzugt.

Langfristige Stabilität

Es war nur eine Randbemerkung bei den ZIV-Zahlen, aber doch sehr einsichtsreich und bemerkenswert: Der Verband kann auf Marktzahlen seit 1950 zurückgreifen, und wie sich bei der Analyse herausstellt, kauft Jahr für Jahr jeder zwanzigste Mensch in Deutschland ein neues Fahrrad.
Das interessante an dieser Zahl ist, dass sie ausgesprochen stabil ist. Selbst über den ganz langen Zeitraum von 1950 bis 2024, also 75 Jahre, werden 0,05 Einheiten pro Bürgerin und Bürger verkauft beziehungsweise eben 1 Einheit pro 20 Menschen. Bei genauerer Betrachtung ist den ZIV-Zahlen zu entnehmen, dass die Konstante nicht ganz konstant ist: Tendenziell liegt sie in den letzten Jahrzehnten etwas höher, steigt also bei ganz weitem Blick. Das heißt aber keineswegs, dass auch die Umsätze stabil wären. Seit E-Bikes den Markt mehr oder weniger bestimmen, sind die Umsätze massiv gestiegen. Seit Corona ist allen Turbulenzen zum Trotz ein neues Rekordniveau eta­bliert worden, das alle jüngsten Verwerfungen nicht mehr nach unten korrigiert haben. //

16. April 2025 von Daniel Hrkac

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