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Porträt // Fidlock

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Verschlüsse? Wie können Verschlüsse in der Lifestyle-Welt von Sport und Freizeit zu einem Must-have werden? Indem sie das Bike- und Outdoor-Leben einfacher und komfortabler machen. Fidlock hat genau das geschafft.

Egal, um welches Produkt des Unternehmens es sich handelt, bei Fidlock macht es »Klick« oder auch mal »Klack«. Wie bei der mittlerweile ziemlich bekannten Trinkflasche Twist Bottle, die statt eines Käfigs eine schmale Halterschiene mit zwei Knöpfen hat, welche vom Gegenstück an der Flasche umfasst wird. Um genau zu sein, wird sie nicht nur umfasst, sondern magnetisch angezogen. Radfahrer müssen nicht lange nach der Flaschenkäfig-Öffnung suchen, sondern brauchen die Flasche nach dem Trinken nur an die ungefähre Bestimmungsstelle zu halten, und »Klack« sitzt sie wieder fest am Rahmen.
Einfachheit und Komfort im Handling, das war die zunächst sehr eigennützige Motivation, die den Firmengründer Joachim Fiedler auf die Idee zu seinem ersten Produkt brachte. Der drahtige 53-Jährige zeigt gern seinen Cellokasten, denn darin sitzt der Urahn der Fidlock-Verschlüsse. Es ist ein Verschluss für die Halterung des Cellobogens, die sich einhändig bedienen lässt. Vier Magnete werden durch Verdrehung verpolt, also »auf Abstoßung geschaltet«, sodass sie, wenn der Daumen einer Hand einen Sicherungshebel betätigt, automatisch einen Verschluss freigeben. Der Verschluss, der so die einhändige Bedienung ermöglicht, wurde 2005 zum ersten Patent, das der damalige Berufsmusiker Fiedler anmelden konnte. Die Halterung für den Bogen ging im gleichen Jahr in Serie. Sie ist heute fester Bestandteil bei Fiedler Cases, dem ersten Unternehmen von Joachim Fiedler.

Im Magneten spielt die Musik

Aus den anderen zwei Berufswünschen, Geigenbauer und Atomphysiker, wurde nichts, denn der Berufsmusiker, der unter anderem mit den Berliner Philharmonikern und Musica Antiqua Köln um die halbe Welt kam, verfiel den Reizen und Möglichkeiten des Magnetverschlusses, wurde zum Erfinder und Entwickler. Er hatte herausgefunden, dass Öffnen per Drehen, Kippen, oder Schieben mögliche Spielarten des Magnetverschlusses sind. Und er musste feststellen, dass es schon andere Verschlüsse mit Magnetkraft gab. 1500 Patente habe er in drei Wochen gelesen. Er lernte Ta­tonka-Entwickler Jan Loschinski kennen, der sich fürs magnetische Verschließen begeistern lassen konnte. Der Einstieg in eine groß angelegte B2B-Geschichte war spätestens damit gelungen. Das Schulranzen-Modell Bison, ein früher Klassiker von Ta­tonka, wurde das erste Ranzen­modell mit Fidlock-Magnetverschluss.
2007 gründete Fiedler Fidlock in Berlin. 2008, während der Finanzkrise musste ein Meilenstein genommen werden. »Ich brauchte Geld, um weiterzukommen. Das war damals sehr schwer zu bekommen.« Fiedler hatte Glück, über das Fondsmanagement EnjoyVenture an den Investor HBF zu kommen. Dort verstand man die Pläne des Magnet-Besessenen, mit seiner Idee etwas Neues aufzubauen. 1,2 Mio Euro wurden eingesammelt, das Fünf-Mann-Unternehmen zog kurz danach von Berlin nach Hannover. Seither ist Fidlock stark gewachsen. Nach den ersten Erfolgen wurden andere Unternehmen auf den magnetisierenden Cellisten aufmerksam. So kam es schließlich, dass 2017 der Wuppertaler Unternehmer Ralf Putsch (Knipex Zangen) die Mehrheitsanteile der Firma Fidlock kaufte, die Mitte der Zehnerjahre, schwarze Zahlen zu schreiben begann.
Wenige Tage vor dem ersten Corona-Lockdown im März 2020 ist das Unternehmen innerhalb Hannovers an den heutigen Stammsitz gezogen, einen Neunzigerjahre-Bau mit drei Stockwerken. In der Mitte liegt die einladende, oben offene Empfangshalle mit dem lichten Treppenhaus, komplett hinter Glas, links und rechts gehen Seitenflügel ab, mit großen und kleinen Büros, Meetingräumen und Werkstätten. Hier spielt sich spannende Kreativität ab. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 67 Mitarbeiter. Ein volles Drittel davon arbeitet in der Entwicklung.

Auf OEM folgt B2C

Heute rasten die meisten hochwertigen Schulranzen-Verschlüsse und viele Rucksack-Schnapper mit Magneten von Fidlock ein. Bei Helmen ist der Verschluss für viele Standard. Seit geraumer Zeit spielt im Bike-Bereich auch die Eurorad mit, Tochter der Fahrradgröße ZEG. Ihr Monkey-Link, ein Adaptersystem für Beleuchtung und Schutzbleche, kommt von Fidlock. Hier zeigt der Hersteller, dass seine Verschlüsse auch dort sicher eingesetzt werden können, wo Strom fließt. Dazu sind noch viele andere Große der Bike-Branche mit Systemen zum Koppeln von Komponenten Partner geworden. Ein Neuer ist Abus. Auf Basis des Connectors, wie er an der Twist Bottle verbaut ist, gibt es nun von den Schlossprofis auch einen Halter für das Faltschloss Bordo.
Die OEM-Kunden sind das Standbein des Unternehmens. Die Patente sammeln sich an, mittlerweile gibt es 70 Patentfamilien. »Das ist ein großes Gut unseres Unternehmens. Wer jetzt einen Magnetverschluss entwickeln will, muss Tausende Patenschriften-Seiten von Fidlock lesen«, schmunzelt der Chefentwickler mit breitem Lächeln, »das schreckt ab!«
Die B2C-Sparte Fidlock Bike ist noch jung. »2016 haben wir die Trinkflasche auf der Eurobike erstmals präsentiert«, erklärt Friedemann Richter, technischer B2C-Leiter bei Fidlock. Das bringt Richter zur Twist Bottle, mit der er sich besonders gut auskennt, schließlich basiert sie auf seiner Idee. Die Lösung mit der Bike Base, die an den normierten Ösen der Flaschenhalterung befestigt wird, und dem Bottle Connector, das an die Flasche angesetzte Gegenstück, ist das Ergebnis eines langen Wegs, der kein Wunschkonzert war, wie Richter erklärt. Vielfältige Anforderungen mussten umgesetzt werden.

Einfacher Verbrauchernutzen = komplexe Entwicklung

»Der Connector selbst muss ja ab-nehmbar sein, damit ich keine so hohen Ausgaben habe, wenn die Flasche ersetzt wird. Sie sollte nicht mehr kosten als eine herkömmliche.« Eine Schwierigkeit war dabei die Verbindung zum Connector, der die Magnete umgreift. Ein an die Flasche geklebtes Zwischenstück bot keinen überzeugenden Halt. Ultraschallschweißen erwies sich als schwierig. Overmolding stellte sich als passendes Verfahren heraus. Dabei wird die Flasche um das Zwischenstück »herumgeblasen«, an dem dann der Connector befestigt wird. Durchgeführt wird das beim Spezialisten in Italien, einem Produktionspartner, der auch für andere Flaschenhersteller produziert. Für den Standort sprachen viele Gründe, auch der CO2-Abdruck beim Transport. Assembliert wird die Flasche in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen in Deutschland.
Durch die B2B-Produkte, die Fidlock seit 2007 herstellt, sind in Asien viele Kontakte und Partner für Einkauf oder Produktion vorhanden. »Wir sind ja auch seit Jahren in der Fahrradbranche unterwegs und gut vernetzt«, erklärt der gelernte Industriedesigner. Dennoch war der Einstieg in den B2C-Bereich eine starke Umstellung. Da werden banale Dinge wichtig. »Zum ersten Mal mussten wir Verpackungen entwickeln!«, erinnert sich Richter schmunzelnd.

Entwickeln als Work in Progress

Eigentlich ist immer vieles gleichzeitig in der Pipeline. »Bei uns sind es vor allem Designer, die die komplette Projektverantwortung in den einzelnen Entwicklungen haben. Sie begleiten die Projekte von Anfang bis Ende. Andere Entwickler haben viel Erfahrung mit Spritzguss und bringen diese Kompetenz ein.« An Ideen scheint es den Fidlockern nicht zu mangeln. »Es gibt noch viele Projekte auszuführen«, meinte schon der Gründer im Gespräch. Da sind Ideen der Bike-begeisterten Belegschaft, aber auch »Abzweige« von bereits bearbeiteten Projekten. Die Toolbox, eine Werkzeugtasche, die direkt ans Flaschenhalter-System passt, ist so eine Abzweigung. Im Schnitt alle zwei Jahre entsteht eine neue Produktfamilie.
Am Beginn einer Neuentwicklung sucht man für ein neues Produkt einen vorhandenen Verschlusstyp aus. Wenn sich im Lauf der Weiterentwicklung herausstellt, dass er nicht wirklich geeignet ist, kann auch ein neuer Verschluss nötig werden. Die Entwickler sitzen teils an ihren CAD-Rechnern, zum Teil auch direkt in den Werkstätten im Untergeschoss des Hannoveraner Firmensitzes. Jede Woche gibt es Pakete vom verpartnerten 3D-Drucker­unternehmen. »Die Prototypen, die in der Vorwoche entwickelt wurden, kommen am Dienstag vom Drucker. Dann wird geschaut, passt das so, können wir in dieser Richtung weiterarbeiten? Wenn ja, gehen am Freitag die veränderten Druckaufträge wieder raus«, erklärt der Entwickler. »Irgendwann kommt der Tag, wo es nichts mehr weiter zu feilen gibt. Dann muss man investieren und die erste Serie Spritzgussteile in Auftrag geben. Denn 3D-Druck verhält sich in einiger Hinsicht anders als der fertige Spritzguss. Das eine sind genaue Maße und Passform, das andere die Materialeigenschaften.
Die Entwicklung der Twist Bottle dauerte etwa anderthalb Jahre, danach wurde feingetunt. Gleich vier Jahre, allerdings mit Unterbrechungen brauchte der Neuzugang, eine Handyhalterung für Fahrradlenker, Armaturenbrett oder Schreibtisch. Fidlock hat hier den magnetischen mit einem Vakuum-Verschluss kombiniert. Das schafft sicheren Halt am Lenker einerseits, eine sehr komfortable Bedienung andererseits. Denn unterhalb des magnetischen Handy-Covers sitzt ein kleiner Zapfen, mit dem der saugnapfähnliche runde Vakuumverschluss »belüftet« wird und der so das Handy freigibt. Der dünne, aber effiziente Neodym-Magnet der Gegenseite sitzt ultraflach in der Handy-Hülle.

Konkurrenzlos glücklich

Holger Knorr hat das rasante Unternehmenswachstum im letzten Jahrzehnt intensiv begleitet. »Als ich 2014 anfing, war das eine kleine schnuckelige Firma mit drei Leuten im Außendienst, inklusive mir«, sagt der Director Sales Retail. Die Twist Bottle war die Wende: »Auf der Eurobike damals kamen immer mehr Händler zu uns und wollten das OEM-Teil sehen.« Noch am selben Abend wurde beschlossen, ein neues Kapitel aufzumachen und sich mit Fidlock Bike nicht mehr nur an den Produktmanager, sondern auch den Endverbraucher zu wenden. Heute läuft der Vertrieb B2C mit sechs Handelsvertretern, das Bike-Segment ist ein wichtiger Umsatzfaktor geworden. »Die Flasche ist mittlerweile sehr bekannt geworden. Andere B2C-Produkte hinken da noch deutlich hinterher, wie der Uni-Connector.« Dieser kann durch die Kombi mit dem Boa-System, das viele von ihren Radschuhen kennen, eine beliebige Flasche oder Tasche aufnehmen und sie wie die Twist Bottle an den Halter klicken. Nach dem B2C-Vertrieb im Fahrradhandel startet inzwischen auch der Vertrieb für Outdoor und Sporteinzelhandel.
Fidlock arbeitet viel und gern mit Händlern zusammen. Das Verhältnis von stationärem zu Online-Verkauf liegt dennoch bei 30 zu 70. »Doch zufrieden sind alle damit«, so Knorr. Die starke Position im Markt entspannt die Ausgangslage. So brauche man keinen Gebietsschutz, da Fidlock bei jedem Händler sinnvoll sei. Angesichts der Positionierung gebe es im engeren Sinne auch keine Konkurrenz. Kreativ wie die Produktentwickler ist man im Vertrieb. »Wir sagen niemals nie, wenn es um neue Produkte oder auch neue Vertriebsmöglichkeiten geht. Hier läuft alles ganz anders als im klassischen Vertrieb.« So ging man etwa nie in den Großhandel, immer erweiterten Handelsvertreter das stetig wachsende Händlernetz. Etwa 1000 Shops bieten heute Fidlock-Produkte an.
Auch international ist man gut aufgestellt, mit einem Peak in den USA. Selbst in Asien gibt es laut Knorr nur noch wenige weiße Flecken. 40 Prozent der Produkte gehen in den Export. Dazu gehört ein ansehnliches Sponsoring, immerhin ist sich das Unternehmen seiner Einordnung als technikaffine Lifestyle-Marke sehr bewusst. Ibis-Fidlock, ein deutsches MTB-Team, sowie der Downhiller Jasper Jauch und Enduro-Pilot Max Schumann fahren mit Fidlocks Unterstützung.
Die Zusammenarbeit mit Influenzern und Magazinen, vor allem im Online-Bereich, ist erfolgreich und vielfältig. Und nicht zuletzt macht das Endkunden-Marketing den Fidlockern sichtlich Spaß. Überprüfen kann das jeder, der sich bei Youtube Videos zum Unternehmen ansieht. Da ist der CEO gern bereit, mit einem Ständchen auf dem Cello ins Thema einzuführen. //

Fidlock GmbH – Fakten und Zahlen

• Gründer: Joachim Fiedler (CEO)

• Gründung: 2007

• Stammsitz: Hannover

• Mitarbeiterzahl: 67

• Umsatz: ca. 20 Mio. Euro (2020)

• Tochtergesellschaften: Fidlock China

• OEM-Partner (Auswahl): Tatonka, Nike, Eurorad, Trek, viele Helmhersteller.

• Patente: ca. 70 Patentfamilien,
über 300 Patente in verschiedenen
Ländern.

• Vertriebspartner: derzeit 55 Partner
in 36 Ländern

11. Februar 2021 von Georg Bleicher

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