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Kein Händler findet die Margen von E-Bikes sehr gut. Wirklich schlecht sind sie aber auch nicht. Unverzichtbar ist das Segment auf jeden Fall.
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Handel - Margensituation

Darf es auch ein bisschen mehr sein?

Natürlich kann die Marge gar nicht hoch genug sein. Wenn es um die Ertragslage geht, können es sich Händler nicht erlauben, dieses Kriterium bei der Order zu vernachlässigen. Doch was sind gute Margen und ab wann wird es unbefriedigend? Die aktuelle Velobiz-Umfrage bietet Orientierung und zeigt, wo derzeit der Schuh drückt.

Was ist im heutigen Fachhandel eine gute Marge und was rangiert am unteren Ende der Skala? Befragt nach ihren margenstärksten Fahrradlieferanten gaben die rund 100 Umfrageteilnehmer im Schnitt einen Handelsaufschlag von 78% an. Das bedeutet, dass ein Fahrrad, das für 1000 Euro beim Hersteller eingekauft wurde und anschließend mit einem Verkaufspreis von 1780 Euro ausgezeichnet wird, als gut kalkuliert gelten muss. Der tatsächliche Gewinn ergibt sich erst abzüglich aller anfallenden Kosten, einschließlich der 19-prozentigen Umsatzsteuer, die ebenfalls noch zu subtrahieren ist.
Bei ihren margenschwächsten Fahrradmarken ergibt sich ein durchschnittlicher Handelsaufschlag von 47%. Bei einem solchen Aufschlag müssen Händler naturgemäß ihre Kostenseite schon sehr genau im Auge behalten, um noch auf ein auskömmliches Ergebnis zu kommen. Mehrere Händler haben angesichts der erzielbaren Margen zu verstehen gegeben, dass die heute üblichen Kalkulationen bei ihnen Investitionen erschweren und auf mögliche Gehälter der Angestellten durchschlagen. »Wir würden gerne mehr Leute einstellen bzw. den vorhandenen Mitarbeitern höhere Löhne zahlen. Dafür bräuchten wir eine Margenerhöhung«, lautet ein Kommentar mit Bezug auf diesen Aspekt, »Mitarbeiterlöhne können nur schwer gesteigert werden, obwohl dringend nötig!«, sieht ein anderer Händler die Problematik. Es bestünde »kaum Spielraum für große Anschaffungen bzw. für entsprechendes Personal«, sagt ein dritter.

Zu höchsten Höhen und tiefsten Tiefen

Sowohl nach oben wie nach unten gab es bei den Margen bemerkenswerte Ausschläge. Bei den Ausschlägen nach unten erscheint es, als ob mancher Händler gewisse Marken aus reiner Liebhaberei anbietet. Nach oben wurden gelegentlich die 100% Handelsaufschlag erreicht und kaum je überschritten. Als Maximalwert stehen bei dieser Umfrage die 118% eines Händlers mit seinem margenstärksten Lieferanten.
Dabei ist unklar, ob er einen besonders scharf kalkulierenden Hersteller gefunden hat oder aufgrund großer Ordervolumina derart gute Konditionen erhält. »Die Größe des Ordervolumens ist ein entscheidender Faktor, auf den wir keinen Einfluss haben. Kleiner Händler bedeutet kleine Marge. Da das bei allen Herstellern und Lieferanten so ist, spielt die Margensituation für uns keine Rolle für die Geschäftspolitik«, gibt dazu ein Händler zu bedenken. Andere nutzen die Staffelrabatte gerne, sehen aber selbstverständlich die Abhängigkeit, in die sie sich damit begeben. »Wir konzentrieren uns sehr stark auf eine Hauptmarke und kaufen diese dann auch zu besseren Konditionen ein. Dieses Vorgehen birgt natürlich auch ein gewissses Risiko in sich.«
Nicht unterschlagen werden sollte, dass sich der Handel mit den aktuellen Margen überwiegend nicht in akuter Not sieht. Insgesamt finden sich in dieser Umfrage eine beachtliche Zahl an Händlern, die mit ihren Margen im Großen und Ganzen zufrieden sind. »Grundsätzlich profitieren wir von den in den letzten Jahren für uns besseren Margen. Solange unsere großen Hauptlieferanten gute Margen anbieten, können wir uns ›Hobbys‹ wie Custom-Aufbauten und edle kleine Hersteller leisten. Sie sind das Salz in der Suppe, ohne die uns unsere Arbeit dauerhaft keinen Spaß mehr machen würde«, erklärt ein Händler den Spielraum, den ihm die aktuelle Situation bietet. Doch diese Art der Quersubventionierung ist nicht bei jedem Kollegen in dieser Form noch angesagt. »Ich löse mich gerade von allen Marken mit geringen Margen, auch wenn gerade diese Marken die größte Leidenschaft sind. Aber nur von Leidenschaft wird man nicht satt«, lässt ein anderer Händler wissen, dessen Polster (oder Leidensbereitschaft) offenkundig nicht gleichermaßen groß ist.

Erhebliche Unterschiede in den einzelnen Segmenten

Ohne die Cash-Cow E-Bike in all ihren Facetten würde diese Diskussion wohl sehr viel weniger entspannt durchgeführt werden. Da ist es durchaus überraschend, dass die Margen in diesem Segment als gar nicht mal so gut eingeschätzt werden. Kein einziger Umfrageteilnehmer konnte sich zu der Einschätzung durchringen, dass Elektrofahrräder sehr gute Margen bieten würden. Ein knappes Viertel der Händler befindet die Gewinnspanne als »gut«, ein Drittel vergab die Schulnote »befriedigend«, weitere 20% geben ihren Lieferanten ein »ausreichend«, was wohl für die Versetzung in die nächste Saison genügt. 22% vergaben allerdings noch schlechtere Noten, was vermutlich bedeutet, dass das verfehlte Klassenziel Konsequenzen für die jeweiligen Lieferanten haben dürfte. Insgesamt ist das aktuelle Rückgrat des Fachhandels margentechnisch das Schlusslicht in den vier abgefragten Segmenten. Die besten Noten erzielte das Segment Zubehör und Accessoires. Dicht gefolgt wird dieser Bereich durch die Ertragssituation bei Werkstatt und Service. Gerade das einstige Sorgenkind Werkstatt hat sich vielerorts in den letzten Jahren gewandelt zu einer erfolgreichen Abteilung, die zu einem positiven Betriebsergebnis beiträgt. Die größte Breite bei den Bewertungen weist das klassische Fahrrad ohne Motorisierung auf. Hier findet sich am ehesten eine Normalverteilung. Über die Hälfte der Händler findet die Margen in diesem Segment »befriedigend«.

Die Marge ist nicht alles

Zu weiteren interessanten Einsichten gelangt man, wenn man die Margensituation im Vergleich zu anderen wichtigen Aspekten der Fahrradhandelswelt betrachtet. So wurde in unserer Umfrage auch abgefragt, welche Kriterien für die Händlerschaft besonders wichtig sind bei der Auswahl ihrer Marken. Dabei zeigte es sich, dass die rein monetären Erlösmöglichkeiten in Form der Marge zwar ein sehr wichtiger Faktor sind, aber nicht der wichtigste. Der gewichtete Mittelwert der Antworten (bei einer glatten Eins wäre dieses Kriterium dann für alle Händler entscheidend, bei einer fünf für alle Händler nicht ausschlaggebend) zeigte, dass die Lieferfähigkeit und der After-Sales-Service von den Händlern als wichtiger eingestuft wird als die Marge. Dabei liegen die erstgenannten Kriterien mit 1,84 und 1,89 weitestgehend gleichauf, während die Marge erst mit einem gewissen Abstand folgt. Mit einem Wert von 2,24 spielt sie in ihrer Bedeutung in der gleichen Liga wie Markenimage (2,29) und Technik&Innovation (2,34). Eine »dritte Liga« lässt sich mit den Kriterien digitale Marketing- und Verkaufsunterstützung (2,93), Made in Germany/Made in Europe (3,07) und der Point-of-Sale Abverkaufsunterstützung (3,16) bilden.
Mit diesen Gesamtnoten haben die Händler auch deutlich gemacht, dass eigentlich keines dieser Kriterien wirklich bedeutungslos wäre. Vergleichsweise wenige Händler konnten sich dazu durchringen, irgendeines dieser Attribute als »nicht ausschlaggebend« zu bewerten. Image, Marge, Lieferung und Service wurde von keinem einzigen Händler so bewertet. Gleichzeitig ist der Stellenwert, den aktuell Lieferfähigkeit und der After-Sales-Service auf sich ziehen können, nicht zuletzt ein Hinweis, wo heute die größten Baustellen in der Branche aus Sicht des Handels bestehen. Heute nennen knapp 29% der Händler die Lieferfähigkeit als entscheidenden Faktor bei der Markenauswahl, bei den After-Sales-Services sind es gar 38%. Die erzielbare Marge dagegen wird aktuell von 18% der Umfrageteilnehmer als entscheidender Faktor bei der Order angesehen.
Dazu kommt, dass die Marge im Kontext vieler anderer Faktoren gesehen werden muss. So wird sie nicht zuletzt auch durch versteckte Kosten geschmälert. Beispielsweise wirkt sich eine schwache Vormontagequalität auf diese Weise aus. »Da bei den Velos unter 1000 Euro der Anlieferungszustand oft unbefriedigend ist und gleichzeitig der Anspruch, gute Fahrräder zu übergeben, hoch ist, muss die Marge nicht nur die Kapitalkosten, sondern auch die Werkstatt- und Verkaufsleistung abdecken. Das wird zunehmend schwieriger, weil die Anforderungen an alle Bereiche gestiegen sind. Ich komme mir vor wie ein Gebäudereiniger, der zwar nicht weniger (Mindest-)Lohn bekommt, dafür aber immer mehr arbeiten muss.« Die reine Marge ist also in der Tat nicht alles, wenn es um die Auswahl der möglichen Lieferanten geht.
Die Händler stehen vor der Herausforderung, Kriterien beurteilen zu müssen, die sie gerade bei einem neuen Lieferanten noch gar nicht richtig überblicken können. Umgekehrt können Hersteller heute mit Werten überzeugen, die nicht nur in harter Währung zu messen sind. Ein gutes Gesamtpaket hilft beiden.

7. Oktober 2019 von Daniel Hrkac
Velobiz Plus
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