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Andreas Lübeck erklärte bei VivaVelo seine Sicht des Fachhandels in unserer Branche.
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Interessanter Vortrag bei Vivavelo

Die Ahnungslosen und die Cleveren: Lübeck skizziert neue Händler-Typologie

Bis vor ein paar Jahren ließen sich Fahrradhändler noch recht einfach in Schubladen stecken. Es gab Fachhändler und Fachmärkte. Und es gab die Grüne Wiese und Versender. Doch die Handelslandschaft hat sich verändert und die einst einfachen Abgrenzungen geben nur noch ein unzureichendes Bild unserer Branche wieder. Das sagte zumindest Unternehmensberater Andreas Lübeck vergangene Woche auf dem Vivavelo-Kongress in Berlin, der bei dieser Gelegenheit auch gleich noch einige Kennzahlen der Branche kritisch hinterfragte und das Spannungsfeld Händler/Hersteller skizzierte.

Das Spannungsfeld Händler und Hersteller war auch der Titel des Vortrags von Andreas Lübeck. Fünf Entwicklungen benannte der Unternehmensberater, die die Zusammenarbeit von Händlern und ihren Lieferanten zunehmend erschweren. Da wäre zunächst das allmähliche Wegbrechen der Mitte im Fahrradhandel. Die Konsequenz aus Lübecks Sicht: Die großen Händler werden immer unabhängiger von den Herstellern, während kleinere Händler immer weniger Fahrräder verkaufen. Als zweites Spannungsfeld nannte Lübeck die Themen Markentreue und Gebietsschutz. „Die Händler verzetteln sich mit vielen Marken. Aber auch Hersteller verzetteln sich mit vielen Händlern“, so Lübeck. Dazu kommt als dritte Entwicklung die Zunahme der Handelsmarken, die aus Lübecks Sicht die Marketingkraft der Fahrradbranche schwäche, weil dadurch weniger echte Markenbildung stattfindet. Und dann mache der Branche auch noch die Abhängigkeit von Importen aus Fernost zu schaffen, wodurch zwischen Handel und Industrie regelmäßig über die Verteilung des Lager- und Vororder-Risikos gestritten werde. Die damit verbundenen Restbestände führen zudem zu einem erheblichen Margenverfall. Zu schnelle Modellwechsel, die u.a. zu unausgereiften Produkten und unzufriedenen Kunden führen, machen laut Lübeck die Misere komplett.

Doch der Unternehmensberater und Mit-Organisator des VivaVelo-Kongress hatte weit mehr Einblicke zu bieten, als nur die eigentlich hinlänglich bekannten Reibungspunkte zwischen Händlern und ihren Lieferanten. So nahm Lübeck beispielsweise einige der Zahlen auseinander, mit denen in der Branche regelmäßig jongliert wird. Wie beispielsweise der vom Zweirad-Industrie-Verband bezifferte Fachhandelsanteil von rund 75 %: Laut Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamts erzielten alle stationären Fahrradhändler im Jahr 2008 einen Umsatz von 2,4 Mrd. EUR. Und laut einem Forschungsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums liege der gesamte Handelsumsatz der Branche (also auch von branchenfremden und nicht-stationären Händlern) bei rund 5 Mrd. EUR.

Zwar lassen sich die Zahlen aufgrund der unterschiedlichen Quellen nicht uneingeschränkt gegenüber stellen, zumal der ZIV mit seiner Statistik auch nur den Anteil am Umsatz mit Fahrrädern (also ohne Zubehör, Reparaturen etc.) benennt, aber zumindest säen die auffälligen Diskrepanzen Zweifel am angeblich hohen Fachhandelsanteil. Nach Lübeck’scher Lesart müsste der Anteil des Fachhandels am gesamten Umsatz mit Fahrrädern jedenfalls deutlich geringer liegen – mit abnehmender Tendenz, wie Lübeck vermutet.

Wobei sich für Lübeck die Frage stellt, wie heute Fachhandel überhaupt definiert werden kann. Sind 10.000-qm-Märkte a la Stadler und XXL noch Fachhandel? Sind Handelsmarken-Paläste von Rose oder Canyon noch Fachhandel? Sicher scheint jedenfalls, dass die traditionelle Typologie mit Fachhandel, Grüner Wiese und Versendern nicht mehr ganz zutreffend ist. Lübeck hat deshalb eine etwas provokante, neue Einteilung von Fahrradhändlern vorgeschlagen:

{b}Die Kleinen:{/b} Meist unter 100 qm groß haben diese Händler ihr Glück als Nachbarschaftsversorger mit hohem Werkstattanteil oder in der Nische gefunden.

{b}Die Ahnunglosen:{/b} Sie wissen nicht was sie tun, sind damit aber mitunter trotzdem erfolgreich. Allerdings ist der Erfolg nicht geplant, sondern tritt eher zufällig ein.

{b}Die Altbackenen:{/b} Der Fahrradhändler in dritter oder vierter Generation und in eigener Immobilie, der so lange überlebt, wie die Nachkommen die Tradition der Selbstausbeutung übernehmen.

{b}Die Großen:{/b} Der typische ZEG-Händler. Meist aus der Mitte heraus entstanden, an den Stadtrand umgezogen und dort mit 1000 bis 3000 qm Verkaufsfläche durchaus erfolgreich.

{b}Die ganz Großen:{/b} Stadler, Fahrrad XXL, BOC und Co.

{b}Die Konzeptionellen:{/b} Franchiseläden wie Litte John Bikes oder es steht nur ein Name an der Tür. Zum Beispiel Specialized, Trek oder Giant.

{b}Die Direkten:{/b} Hersteller mit Direktvertrieb wie Canyon oder Rose.

{b}Die Cleveren:{/b} Oft unter 1000 qm groß, aber die perfekt genutzt. Gute Geschäftslage und gutes Einzugsgebiet, dazu Einkaufserlebnis durch stimmige Ladengestaltung, Premium-Produkte und engagierte Mitarbeiter bzw. Inhaber. Viele Service-Angebote.

Mit dem Übergang zum Vortrag über den neuen Ligaplus-Verbund vier führender Premium-Anbieter schloss Lübeck wieder den Kreis zum Spannungsfeld Händler/Hersteller. Den Bericht dazu finden Sie hier: Die Liga der aussergewoehnlichen Fahrradhersteller

2. März 2010 von Markus Fritsch

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